Essen. Kolumnist Uwe Strootmann macht sich Gedanken über den Begriff Solidargemeinschaft und freut sich über die Spendenbereitschaft der RWE-Fans.

„Egal, ob Mai oder Juni: Hauptsache Italien“. Man kommt nicht umhin, bei diesem Satz unweigerlich zu schmunzeln. Der Hintergrund dürfte bekannt sein. Gehört habe ich nicht nur diesen, sondern auch viele kluge andere in einem Podcast-Format, welches sich intensiv mit dem Weg aus der Krise befasst und deshalb auch „Die Stunde Null“ als Überschrift gewählt hat.

In der 19. Folge nun war der Fußball an der Reihe. Fast beruhigend, dass es 18 Folgen gebraucht hat, bis der Fußball an die Reihe kommt. Wird den Herren Watzke und Rummenigge nicht wirklich gefallen. Zu Gast auch noch zwei Antipoden zuvor genannter Herren: Andreas Rettig (RWE-Fan) und Philipp Köster (nicht RWE-Fan) waren an den heimischen Mikrofonen zugegen. Natürlich spielte der für uns relevante Fußball bei weitem nicht die Hauptrolle in dieser Sendung.

Andreas Rettig steht an der virtuellen Theke für Stauder und Bratwurst

Aber, wenn es dann gegen Ende der Sendung einige Etagen runter ging, dann stand einmal mehr Rot-Weiss Essen stellvertretend für das Dilemma der Vereine (unter-) außerhalb der TV-Gelder. So kam man dann auf den Begriff „Solidargemeinschaft“ zu sprechen: Beiden fehlt zwar der Glaube daran, aber der Sozialromantiker in ihnen würde sich momentan eine temporäre Solidargemeinschaft wünschen, in der etwa „TV-Geld-Bezieher“ einen geringen Prozentsatz ihrer Beiträge an Vereine abgeben, die losgekoppelt davon Tag für Tag um ihre und die Existenz der Angestellten und Spieler kämpfen müssen.

Bei manch Klageliedern aus der Beletage braucht es aber wohl keinen Propheten, um zu wissen: Das wird nichts! Also Solidarität im kleinen Rahmen: Andreas Rettig steht mit Gattin ebenfalls an der virtuellen Theke um Stauder und Bratwurst an, hat sich zudem einen schönen Platz im Stadion ausgesucht. Danke dafür! Und überhaupt: Der stolze Betrag von annähernd 200.000 Euro steht dem Vernehmen nach als Ergebnis der noch andauernden Kartenverkäufe im rot-weissen Raum.

Marcus Uhlig wie ein US-Politiker auf Spendentour

Das ist eine stolze Summe. „Die Familie Rot-Weiss hält zusammen“, also nicht nur eine Liedzeile, sondern gelebte Realität in schwierigen Zeiten. Und es sind nicht nur die vielen Fans mit „normaler“ Bestellmenge. Es sind auch einige Fans, die geordert haben, als gälte es, die ganze Westkurve auf einmal zu versorgen. Marcus Uhlig seinerseits dürfte sich mittlerweile fühlen wie ein US-Politiker auf Spendentour für den Wahlkampf; kämpft er doch rund um die Uhr und auf vielen Kanälen für seinen RWE und die gute Sache.

Anstelle der Spieler oder Trainer, die doch sonst das „Gesicht“ eines Vereins sind und zuallererst im Fokus der Öffentlichkeit stehen, ist es dieser Tage der Chef höchstselbst. Der Mann macht gerade vor nichts Halt: Selbst an der Konsole wird nun in das Geschehen eingegriffen, um das Duell gegen die Aachener Alemannia irgendwie doch stattfinden zu lassen. Mit Martin vom Hofe als Geschäftsführer der Aachener steht auch schon ein Gegner parat, dem man attestieren kann, an der Hafenstraße stets willkommen zu sein. Mal schauen, wie das Spiel ausgeht, und wie viele virtuelle Tickets dann den Tivoli füllen werden.

Das Virtuelle im Ticket rettet gerade Vereine

Ich mag das Wort „virtuell“ bald nicht mehr tippen, fällt mir gerade auf. Aber: Das Virtuelle im Ticket oder der Verzehrkarte rettet gerade Vereine. Also hört bitte nicht auf, weiter zu kaufen. Noch mal kurz zurück zum anfangs erwähnten Podcast: Es wird ja an den heimischen Empfangsgeräten ersatzweise viel Fußball aus der Konserve angeboten. Was Philipp Köster plakativ zu kommentieren wusste: „Historische Spiele sind das Methadon für Fans auf Entzug“. Darauf muss man auch erst einmal kommen.