Essen. Der Kapitän von Rot-Weiss Essen hat enge Verwandtschaft in Italien und Spanien und ist wegen der Coronapandemie in großer Sorge.
Marco Kehl Gomez kann sich über Langeweile in seinem momentanen Homeoffice nicht beklagen. Die Familie des RWE-Kapitäns ist Anfang Februar vergrößert worden, der 27-Jährige ist stolzer Vater einer weiteren Tochter: Celia kam am 8. Februar in Essen zur Welt. „Allein unter Frauen”, witzelte der Mannschaftsführer des Regionalligisten.
Tochter Liara (3) ist den RWE-Fans ja schon bestens bekannt, lieferte sie doch schon so einige La-Ola-Solorunden vor der Westkurve ab. Nun hält der jüngste Nachwuchs die Familie auf Trab – Tag und Nacht. Da ist der Fußball-Profi ganz froh, wenn er sich täglich die Joggingschuhe überstreifen kann und seine Laufrunden durch die Stadt dreht; elf Kilometer, wie bei einem Fußballspiel. „Da knall ich mir meine Musik auf die Ohren und kann einmal am Tag ganz für mich sein”, freut sich der Schweizer auf sein Trainingspensum, auch so ganz ohne Ball.
Geisterspiele wären eine Katastrophe
Bis auf ein paar Ball-Hochhalte-Übungen auf dem heimischen Balkon ist momentan nicht mehr drin. „Ich kann ja schlecht runter auf ein Stück Rasen und ein bisschen kicken, jeder sollte sich schließlich an die Regeln halten”, ist ihm seine Vorbildfunktion natürlich bewusst. Und er wird wohl noch länger auf sein Vergnügen verzichten müssen, auch das wird ihm immer klarer: „Die Bundesliga setzt ja bis Ende des Monats aus, und selbst wenn es da wieder los gehen sollte, kann ich mir nur schwer vorstellen, dass für uns das Leben normal weiter geht. Jeder freut sich dann auf die Arbeit, so wäre es auch bei uns”, glaubt er nicht auf eine baldige Rückkehr in den Fußballer-Alltag.
Denn Geisterspiele wie in den Profiligen sind für ihn kein Thema: „Das wäre für uns schlichtweg eine Katastrophe, wir als RWE sind auf die Zuschauer angewiesen, mehr als andere Vereine. Bei allem Respekt vor Verl oder Rödinghausen, aber uns träfe so etwas noch härter.”
Gomez’ Ehefrau stammt aus Pescara,Mutter lebt in Madrid
Aber der Fußball ist für den gebürtigen Zürcher momentan noch in weite Ferne gerückt, im Hause Kehl-Gomez herrschen viel wichtigere Themen vor. Die Familie von Gomez’ Ehefrau stammt aus Pescara, einer italienischen Hafenstadt an der Adria, seine spanische Mutter, Onkel, Tanten, Cousins leben alle in Madrid. „Gestern noch habe ich mit meiner Tante telefoniert, da geht es nicht nur um die Existenz, dort hat man Angst um sein Leben”, berichtet er. Die Szenerie dort bei rigorosen Ausgangssperren sei gespenstisch, sogar Einkaufstaschen werden nun kontrolliert, um man auch wirklich Besorgungen gemacht hat. Am Abend fahren Polizeiwagen mit heulenden Sirenen durch die Straßen und es gebe permanent Lautsprecherdurchsagen. Dazu die immensen Todeszahlen – einfach schrecklich.
Schweizer anfangs noch sehr sorglos
Da habe es zu Anfang doch an Ernsthaftigkeit gemangelt. „Man hat uns anfangs belächelt”, weiß er noch um die Anfänge. Selbst in der Schweiz; da, wo sein Vater lebt, sei man allzu sorglos mit Corona umgegangen. „Noch vor einer Woche sah ich sie dort alle völlig sorglos am Züricher See sitzen”, wundert sich der RWE-Profi über die Bilder aus der Heimat. Und das in einem Land, was für seine Ordnungsliebe und Restriktionen bekannt ist. Wer schon einmal auf Schweizer Autobahnen die Geschwindigkeit nur um zwei Stundenkilometer überschritten hat, wird es schmerzhaft nachvollziehen können.
Angst habe er um seine weit verstreuten Familienangehörigen nicht, aber er sei schon in Sorge, bekennt er. Deswegen engagiert er sich auch über Social Media und ruft zu besonderer Sorgfalt auf. Da rücken die eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund. Kontakt zu seinen Mannschaftskameraden bei Rot-Weiss hält der Kapitän über diverse Whatsapp-Gruppen oder Videochats.
Corona trennt die Guten von den Schlechten
Und Marco Kehl-Gomez spricht mit großem Respekt von seinem Team: „Als es neulich um die Kurzarbeit im Verein ging, haben wir alle innerhalb von 24 Stunden zugesagt, das ist nicht selbstverständlich und macht mich stolz. Es spricht für den Charakter in der Truppe.” Die Coronakrise sieht er gesellschaftlich auch als Charakterfrage: „Es ist spannend zu beobachten, wie die Menschen nicht verzweifeln, sondern jeder seine ihm eigene Reaktion zeigt. Die Pandemie trennt die Guten von den Schlechten.”
Und irgendwann, so Kehl-Gomez, will er endlich auch wieder zur Arbeit gehen können: „Fußball ist wirklich die schönste Nebensache der Welt, aber jetzt müssen wir erst einmal alle gesund bleiben.” Was er momentan am meisten vermisse? „Einfach mal wieder Mist in der Kabine auszutauschen, das fehlt einem irgendwie.”