Essen. Der 37-jährige Kanusportler der KG Essen und Olympiasieger von 2004 will es noch einmal wissen. Die Wettkampfpause spielt ihm in die Karten.

Er hat schon vielfach für so manche sportliche Überraschung gesorgt. Er gehörte bzw. gehört nach wie vor zu den erfolgreichsten Essener Sportlern und zu den erfolgreichsten Kanuten bundesweit: Canadier-Fahrer Tomasz Wylenzek von der KG Essen. Und er gehört zu den wenigen Sportlern, die sich den Traum von einer Olympia-Teilnahme erfüllen konnten.

Doch nicht nur das: mit dem Olympiasieg 2004 in Athen und Olympia-Silber und –Bronze 2008 in Peking (jeweils mit Christian Gille/Leipzig im Zweiercanadier) trug er sich zugleich eindrucksvoll in die sportlichen Geschichtsbücher ein. Nach verpasster Olympiateilnahme 2012 folgte dann aber vor sechs Jahren das Karriere-Ende.

Wenn sich nun am kommenden Wochenende auf der Duisburger Wedau eigentlich die gesamte bundesdeutsche Kanu-Elite – vor allem vor dem Hintergrund der Olympischen Spiele - bei der ersten Sichtung des Deutschen Kanu-Verbandes ein Stelldichein gegeben hätte, dann hätte auch Tomasz Wylenzek auf der Starterliste gestanden. Er wäre wieder dabei gewesen! Nun aber sind die Sichtungen und auch die Olympischen Spiele abgesagt.

Die körperliche Verfassung war der Antrieb

Wie geht nun jemand wie Tomasz Wylenzek mit der veränderten Situation um? „Mein Ziel war ja zunächst gar nicht, wieder an einem Wettkampf teilzunehmen, geschweige denn eine Olympia-Teilnahme im Blick zu haben. Ich habe ja vor Jahren nicht ohne Grund aufgehört“, erklärt er vor Wochen ohne Umschweife. Grund, wieder sportlich aktiver zu werden, war die körperliche Verfassung und die Figur, die etwas „außer Form geraten war“.

Hoch dekoriert seit 2008: Tomasz Wylenzek mit seinem kompletten Olympischen Medaillensatz
Hoch dekoriert seit 2008: Tomasz Wylenzek mit seinem kompletten Olympischen Medaillensatz © Ute Freise

Und so begann Wylenzek vor gut acht Monaten, langsam an sich im Ausdauerbereich zu arbeiten, um Gewicht zu verlieren. „Aber das ging mir zu langsam, und so habe ich das Laufpensum gesteigert, bis dann aber die Knie streikten“. Eine Alternative musste für ihn her, und auf Vorschlag eines ehemaligen Zweierpartners stieg er wieder in den Canadier. „Einfach nur so für mich“, betont Wylenzek.

Inzwischen zehn Kilogramm weniger

Kleine Einheiten wurden gesteigert und es machte zunehmend Spaß. „Mit inzwischen zehn Kilogramm weniger war es schön, vor dem Spiegel zu sehen, wie sich der Körper wieder verändert hatte“, blickt Wylenzek schmunzelnd zurück. Und schon im letzten Herbst war „die alte Leidenschaft“ wieder da. „Es ist so gekommen und das wollte ich nutzen. Es hat sich einfach ein neues Ziel entwickelt“.

Unterstützung aus der Familie war die Grundlage

Was folgte, waren Gespräche des inzwischen dreifachen Familienvaters mit seiner Frau, „die mich aber erst einmal nicht ernst genommen hat mit meinen Ambitionen. Mir aber zugesagt hat, für ein Jahr den Rücken freizuhalten und mich auch hundertprozentig unterstützt hat.“ Und schon seit Monaten gehört er wieder der Trainingsgruppe von Robert Berger an, dem die Zusammenarbeit mit seinem alten-neuen Schützling deutlich Spaß macht. „Das war wie ein „Déjà-vus“ für mich, als wir die ersten Gespräche führten. Tomek war ja nie ganz weg vom Sport und hat sich dann mit viel Disziplin, sehr sport- und ernährungsbewusst wieder herangearbeitet. Er war im Training sehr stabil. Dass er schon an Trainingsleistungen zu besten Zeiten anknüpfen konnte, war schon sehr erstaunlich“, lobt Robert Berger.

Dies umso mehr, da Tomasz Wylenzek voll berufstätig ist in der mobilen Kontroll- und Überwachungseinheit der Bundespolizei am Standort Essen. Der Dienst mit jungen Kollegen, die neben der Arbeit viel und intensiv trainieren, war übrigens auch einer der Beweggründe für ihn, wieder fitter zu werden, „sonst hätte ich da nicht mehr mithalten können. Jetzt aber fühle ich mich in der Verfassung, in der ich wohl nur vor Athen war“.

Die Kollegen erweisen ihren Respekt

Zuspruch und Gratulation der Kollegen zu der Entscheidung, wieder einzusteigen, waren zusätzliche Motivation. „Tomek hat meinen Respekt und den der Mannschaft. Er genießt immer noch ein hohes Maß an Anerkennung. Was er leistet, ist einfach richtig stark. Bei der Sichtung wäre er natürlich schon ins kalte Wasser gesprungen. Da hätte als Quereinsteiger alles passen müssen. Die noch fehlende Wettkampfstabilität war schwer einzuschätzen“, war Berger gespannt.

So sieht es auch jetzt noch Tomasz Wylenzek: „Es gab viele Faktoren, die man nicht hätte einschätzen können. Aber es hätte ein Höhepunkt für mich werden können. Ich fühlte und fühle mich sehr fit und sehr ausgeglichen. Die Leichtigkeit, mit der ich mich quälen konnte und kann, freut mich sehr. Vielleicht muss man erst einmal loslassen, um wieder anzufangen“.

Das Warten auf den Wettkampfplan für 2020

Nun, wie gesagt, sind die Sichtungen, alle Weltcups und die Olympischen Spiele abgesagt und auf 2021 verschoben. „Ich aber mache erst einmal weiter wie in den letzten Monaten. Nach Absprache mit Robert Berger geht es nun erst einmal wieder in den Grundlagenbereich. Und wir warten auf einen Wettkampfplan noch in 2020; vielleicht mit alternativen Weltmeisterschaften. Das ist nun für mich das neue Ziel! Solange mir nicht gesagt wird, dass ich keine Chance mehr habe dabei zu sein, mache ich weiter. Und trainiere so normal, wie es die derzeitigen Vorgaben ermöglichen. Die Zeit muss mit Individualtraining überbrückt werden, bis sich die Möglichkeiten wieder lockern. Das ist vielleicht sogar der Vorteil für mich, dass ich es nicht zu verbissen sehe und mehr Zeit sogar von Vorteil sein könnte“.

Ein „großes Danke“ richtet Tomek dann auch an seine Frau, „die schon einige Tage gebraucht hat, sich mit einer Verlängerung für mich anzufreunden, es nun aber weiter mitmacht und mich voll unterstützt!“

Mal abwarten, vielleicht ist ja „Tomek“ auch mit zeitlicher Verzögerung einmal mehr für eine Überraschung gut!