Essen. Verlegung der Olympischen Spiele ist schmerzhaft, aber die beste Entscheidung. Gewissheit nimmt auch etwas den Druck von den Athleten.
Es ist fix: Die Olympischen Sommerspiele in Tokio sind aufgrund der Coronavirus-Krise ins Jahr 2021 verlegt worden. Auf den ersten Blick ein bitterer Moment für die Athleten, die vier Jahre lang mit vielen Entbehrungen auf diesen Höhepunkt hingearbeitet haben. Aber es ist auch die Erleichterung zu spüren, endlich Gewissheit zu haben.
Schwimmen
Die Olympia-Kandidaten der Startgemeinschaft Essen haben mittlerweile gut eine Woche Trockentraining hinter sich, weil das Leistungszentrum in Rüttenscheid geschlossen worden ist. Eine optimale Vorbereitung sieht anders aus. „Jetzt haben wir endlich Klarheit“, sagt Lisa Höpink (21), „und das ist gut so.“ Erleichtert oder doch eher enttäuscht? „Das ist schwierig zu sagen. Ich bin ja noch relativ jung, da ist es vielleicht nicht ganz so schlimm.“ Es sei nun mal eine absolute Ausnahmesituation. „So ist es am besten. Es gab ja verschiedene Optionen: Die Spiele im kommenden Winter auszutragen oder aber in ein oder zwei Jahren. So hat man es gut auf die Schiene bekommen. Für uns ist es sicher viel fairer.“
Schon etwas betrogen gefühlt
Auf die Chancengleichheit zielt auch ihr Mannschaftskollege Poul Zellmann ab. „Wir müssen es annehmen wie es ist, bei der Entscheidung blieb ja kaum Spielraum, es ist die einzig richtige Möglichkeit. Und man hätte in Tokio sicherlich auch ein ungutes Gefühl gehabt“, sagt der Freistilschwimmer, der in seiner Heimat Brandenburg die Trainingspläne an Land abarbeitet. Nun könne man dieses Jahr für sich noch halbwegs vernünftig planen.
Zum Thema Chancengleichheit, selbst innerhalb der Nationalmannschaft, hat er eine klare Meinung. „Ich habe mich schon etwas betrogen gefühlt.“ Denn an den Bundesstützpunkten in Hamburg und Magdeburg konnten die Olympia-Kandidaten aufgrund von Sondergenehmigungen weiter im Wasser trainieren - darunter auch Zellmanns direkte Konkurrenz. „Und das ist einfach nicht fair.“
Es wären wohl eher Gruselspiele geworden
Damian Wierling, der nicht nur aus Gründen der sportlichen Fairness für eine Verschiebung plädierte, schaut bereits auf 2021. „Es ist erstmal die richtige Entscheidung. Man kann jetzt mit Corona kaum davon ausgehen, dass man da schöne und freudige Spiele gehabt hätte. Aber darum geht es ja bei den Spielen. Ich glaube, dass das weder von Sportlerseite noch für Zuschauer gegeben wäre, dass es jeder genießen und dabei sein kann. Wenn da jeder Angst hat und mit Maske rumläuft, wären das ja eher Gruselspiele geworden.“
Kanurennsport
Robert Berger, Trainer Kanusportgemeinschaft Essen (KGE), betont, dass man ja grundsätzlich schon gespürt habe, dass sich etwas tut. „Nun sind die Olympischen Spiele nicht abgesagt, aber verschoben. Da wird sich sicher für manche persönliche Lebensplanung ein Fragezeichen ergeben. Dies betrifft auch die Quotenplätze. Jetzt wissen wir zwar, dass das Event verschoben wird, aber auch, dass wir weiter trainieren müssen – daran ändert sich absolut gar nichts! Auch ob neben den Olympischen Spielen z. B. Deutsche Meisterschaften stattfinden, ist derzeit nicht geklärt.“
„Trotz der Prognosen ist es doch so etwas wie ein Schlag ins Gesicht“, sagt Caroline Arft. Der Traum von Olympia findet nun definitiv dieses Jahr nicht statt, aber er ist ja nur verschoben, nicht abgesagt! Jetzt müssen wir uns alle erst einmal sammeln und schauen, wie die Saisonplanung für den Rest des Jahres und das nächste Jahr aussieht. Es ist schwierig, das alles zu verarbeiten.“
Komische Stimmung im Kraftraum
Telefonisch zu erreichen war Max Hoff in Potsdam. „Ja, wir sind gerade alle traurig, auch wenn diese Entscheidung absehbar war. Hier im Kraftraum war gerade eine komische Stimmung, als uns die Nachricht erreichte. Die Physiotherapeutin sagte spontan „ich kauf mir gleich erst einmal ein Dose Bier“. Ich werde vielleicht heute Abend auch ein Gläschen Wein trinken. Mit dieser Entwicklung muss man ja erst einmal klar kommen. Da platzen gerade mit Sicherheit auch viele Träume und Perspektiven von Athleten in Deutschland – in sportlicher, privater und beruflicher Sicht. Ich für mich werde aber erst einmal nicht aufgeben!“
Rudern
Mülheims Ruderer Jonathan Rommelmann war bereits erleichtert, als verkündet wurde, dass die Spiele nicht abgesagt, sondern nur verschoben werden. „Ich habe mich in den letzten Tagen immer mehr mit dem Gedanken angefreundet. Jetzt bin ich auch ein bisschen erleichtert über die Gewissheit. Es ist schwierig, wenn man nicht weiß, wofür man trainiert. Das zerrt einfach an der Motivation“, gesteht der Gesamt-Weltcupsieger des Vorjahres im leichten Doppelzweier.
Er trainierte zuletzt alleine in Krefeld, eine Chancengleichheit hätte er nicht mehr gesehen, hätten die Spiele im Sommer 2020 stattgefunden. „Man hat immer mehr mitbekommen, wie sehr eine Wettkampfverzerrung stattfindet durch die sehr unterschiedlichen Maßnahmen in den einzelnen Ländern. Daneben sind auch die Anti-Doping-Bemühungen eingeschränkt. Dadurch gab’s immer mehr ein Fragezeichen. Deswegen ist es die richtige Entscheidung.“
Da der Leichtgewichtszweier in Tokio wohl zum letzten Mal zum olympischen Programm gehört, hätte Rommelmann eine gänzliche Absage besonders hart getroffen.
„Über eine Absage hätte ich mich deutlich mehr geärgert und konnte aufatmen, als das ausgeschlossen wurde. Wenn wir Klarheit über den genauen Termin und die Qualifikationswege bekommen, können wir auch den Weg dahin strukturieren. Es ist gut, dass der Druck weg ist.“