Duisburg. Vor Länderspiel: Martina Voss-Tecklenburg und Inka Grings erinnern sich an die Anfänge der scheidenden Nationalspielerin beim FCR 2001.
Rein in den Gedankenflieger. Kurs setzen auf die Mündelheimer Straße im Jahr 2008. Dort auf dem kleinen Zuschauerhügel stehe ich, beobachte ein Vorbereitungsspiel des FCR 2001 Duisburg. Die Löwinnen hatten zuvor ein Talent verpflichtet. Alexandra Popp. Mal schauen, was sie so kann. Talente gibt es viele. Auch jene, die nach wenigen Einsatzminuten wieder verschwinden. Doch um mich herum stehen Nachwuchsspielerinnen des FCR – die völlig begeistert von der Neuen sind. Die kann wohl was!
So kam „Poppi“ nach Duisburg
Martina Voss-Tecklenburg ist ein wenig amüsiert von dieser „journalistischen Erinnerung“. „Ich kannte sie ja schon ein wenig länger“, berichtet die damalige Trainerin des FCR. Das liegt nahe. Schließlich war die einstige Duisburger Topspielerin am Beginn ihrer Trainertätigkeit als Verbandssportlehrerin für den Fußballverband Niederrhein tätig. „Und bei den Spielen gegen Westfalen stach sie deutlich heraus“, berichtet sie. Womit? Mit ihrer Körperlichkeit! Das und ihr Kopfballspiel waren, neben vielen anderen Facetten, Dinge, die sie ausgemacht haben. So ging es damals für „Poppi“ in Duisburg los. Nun beendet sie am Montag (18.10 Uhr, Schauinsland-Reisen-Arena) ihre Länderspiellaufbahn mit dem Spiel gegen Australien. In Duisburg. Dort also, wo sie am 17. Februar 2010 beim 3:0 gegen Nordkorea auch begonnen hatte. Ein Kreis könnte sich kaum perfekter schließen.
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„Wir hatten damals durchaus Konkurrenz, als wir Alex verpflichtet hatten“, berichtet Voss-Tecklenburg. Doch der FCR 2001 Duisburg war damals nicht irgendwer – sondern einer der besten Frauenfußball-Vereine Deutschlands. „Und Alex hatte den Ehrgeiz, sich mit den Besten zu messen. Sie wollte nach Duisburg.“ Und zum Glück ist der Rest der Familie genauso fußballverrückt wie „Poppi“ selbst. Denn sie wurde in Witten geboren, spielte für Silschede in Gevelsberg, später in Recklinghausen. Die Eltern mussten sie also stets zum Training fahren.
Linksverteidigerin statt Stürmerin
Und? War sie damals mit 17 auch schon so aufgekratzt und ein wenig vorlaut wie heute, da man sie für genau das so mag? „Nun, sie war damals noch ein Teenager und kam in eine Mannschaft mit vielen sehr guten Spielerinnen“, sagt Inka Grings, inzwischen ebenfalls Trainerin, damals aber die Topstürmerin des FCR. „Sie hat sich schon eingepasst.“ Martina Voss-Tecklenburg ist noch heute vom Ehrgeiz begeistert – dass die junge Alexandra Popp nach Duisburg kam, obwohl sie so viele herausragende Stürmerinnen „vor der Nase“ hatte. „Also musste ich mir etwas überlegen, wie wir dieses Toptalent ans Spielen bekommen“, erinnert sie sich. Schließlich bot sie Popp als linke Außenverteidigerin auf. Und die junge Alex murrte nicht. Sie spielte auf dieser Position. Und zwar herausragend gut.
„Das zeichnet für mich auch eine Topspielerin aus. Sie spielt da, wo sie gebraucht wird. Und sie macht das ausgezeichnet“, sagt Grings. „In ihrer späteren Laufbahn hat sie noch auf anderen Positionen als im Sturm gespielt. Und überall war sie gut. Wahrscheinlich wäre sie sogar eine richtig gute Torhüterin gewesen“, lacht die erfolgreichste Angreiferin der FCR-Geschichte. Grings ist noch heute von Popps Leistungsbereitschaft begeistert: „Als sie zu uns kam, hatte sie noch etwas Babyspeck. Aber das war im Nu verschwunden. Entscheidend ist, dass der Wille dazu da ist.“
Abschied von Nationalspielerin Alexandra Popp
„Sie ist nie mit einem sauberen Trikot vom Platz gekommen.“
Leistungsbereitschaft, oder besser: Einsatzwille. Das ist ohnehin das, wofür Alexandra Popp in ihrer Laufbahn stand und steht. „Sie ist nie mit einem sauberen Trikot vom Platz gekommen. Und das sagt schon viel aus“, so Grings. Die Art und Weise, wie sich Popp „reingekloppt“ hat – „als echtes Kind des Ruhrgebiets“, wie Voss-Tecklenburg anmerkt – zeichnet ihr Spiel aus, ist aber auch etwas, wofür sie stets angesichts einiger Verletzungen Tribut zollen musste.
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„Alex kam in eine Mannschaft mit sehr guten Spielerinnen, hat aber immer versucht, sich etwas abzuschauen. Sie wollte sich einfach mit den Besten messen“, sagt Grings. Und je länger sie beim FCR war, desto mehr begann sie sich zu der Spielerin zu entwickeln, wie man sie heute kennt. „Sie ist ein Typ. Auf und neben dem Platz“, sagt Grings. Unverwechselbar. Und damit so wichtig für den Fußball in seiner weiblichen Variante. „Sie sagt immer ihrer Meinung. Auch den Trainern“, ergänzt Voss-Tecklenburg. Sie übernimmt Verantwortung.
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Ihre Ausbildung hat Alexandra Popp im Duisburger Zoo absolviert. Zur Tierpflegerin. „Ich kann nur hoffen, dass sie dem Fußball erhalten bleibt“, sagt Voss-Tecklenburg. Erste Trainerinnenerfahrung hat sie im Nachwuchs des VfL Wolfsburg gesammelt. „Sie sagte mir, dass ihr das richtig Spaß gemacht hat, obwohl sie das früher nie wollte.“ Gehört Alexandra Popp also bald zu den Toptrainerinnen Deutschlands, die einst in Duisburg gespielt haben? Voss-Tecklenburg: „Das muss Alex beantworten. Sie muss aber in irgendeiner Form dem Fußball erhalten bleiben. Und ich denke, dass der VfL Wolfsburg da auch schon seine Ideen hat.“
Erst einmal spielt sie im Verein weiter. Die Olympiasiegerin von 2016 wurde in ihrer Karriere bislang siebenmal Deutsche Meisterin, 13 Mal Pokalsiegerin, davon zweimal mit dem FCR, gewann mit den Löwinnen den UEFA Women’s Cup und mit Wolfsburg die Champions League, sprich den Nachfolgewettbewerb, zweimal. So oder so wird Alexandra Popp, die im Nachwuchs lange Zeit bei den Jungs mitgespielt hat, in Erinnerung bleiben. Und auch wenn sie seit zwölf Jahren für Wolfsburg spielt. In ihr steckt eben auch eine ganze Menge Duisburg.
Voss-Tecklenburg und Grings blutet das Herz
Inka Grings, die zwischenzeitlich wie zuvor auch Martina Voss-Tecklenburg Nationaltrainerin der Schweiz war, ist seit dieser Saison als Trainerin beim Club Brügge tätig. „Die Trainingsvoraussetzungen hier sind hervorragend. Wir können das Akademiegelände nutzen. An zwei Tagen pro Woche trainieren wir zweimal, sonst einmal. Die Spielerinnen werden abgeholt und nach Hause gebracht, werden auf dem Gelände versorgt. Infrastrukturell ist das hier klasse“, beschreibt sie ihre Arbeit in Belgien.
Ihr blutet allerdings das Herz, wenn sie die Entwicklung des Frauenfußballs in Duisburg verfolgt. „Leider hat sich das beim MSV in den letzten Jahren angedeutet, bei den Frauen wie auch bei den Männern. Ich kann nur hoffen, dass der MSV das in beiden Bereichen wieder hinbekommt. Das Stadion ist wunderschön. Und die Menschen in Duisburg begeistern sich für Fußball.“
Ähnlich sieht es auch Martina Voss-Tecklenburg. „Wenn handelnde Personen aufhören, die sehr viel gemacht haben, dann bekommen Vereine oft Probleme. Der MSV hatte eigene Probleme, dennoch hat der Verein die Frauen des FCR im Januar 2014 aufgenommen. Die aktuelle Situation ist einfach sehr schade, wenn man auf die Geschichte des KBC und des FCR blickt.“