Duisburg. . Die Lage im Abstiegskampf spitzt sich nach der 2:3-Niederlage gegen Union Berlin für den MSV zu. Der Trainer sucht verzweifelt nach Erklärungen.
Der MSV Duisburg hat im Dezember in der Interview-Zone der Schauinslandreisen-Arena eine blaue Wand aufgestellt. Die Journalisten haben nun keinen Einblick mehr in den Kabinengang, die Presseabteilung notiert vor dem Abpfiff auf der Tribüne Interviewwünsche. Am Samstag stellten sich nach der 2:3 (1:1)-Niederlage gegen den 1. FC Union Berlin Havard Nielsen und Young-jae Seo den Fragen der Medien. Lukas Fröde, der das 2:1 für die Zebras erzielte, vor dem 2:2 aber weggerutscht war, ließ wissen, dass er lieber hinter der Wand bleiben wolle. Die Ratlosigkeit lähmt den Tabellenletzten der 2. Fußball-Bundesliga.
Auch Sportdirektor Ivica Grlic und Präsident Ingo Wald lehnten später Interviewanfragen ab. Die beiden Herren werden am Mittwoch bei der Mitgliederversammlung sprechen. Vor drei Jahren sagte Grlic bei diesem Anlass im Theater am Marientor: „Wir werden nicht eher Ruhe geben, bis wir wieder eine Hausnummer in der Bundesliga sind.“ Was er wohl diesmal sagen wird?
Immer wieder Schwächen in der Schlussphase
So musste Trainer Torsten Lieberknecht als einziger Vertreter der Administrative die zehnte Niederlage im zwölften Pflichtspiel vor eigenem Publikum erklären. Auch der Trainer erscheint ratlos. „Was willst du der Mannschaft für einen Vorwurf machen?“, fragte der 45-Jährige. Weitere Sätze des Coaches, der bekräftigte, nicht aufgeben zu wollen: „Ich glaube nicht, dass wir die Niederlage verdient haben“, „Das ist das harte Geschäft des Profi-Fußballs“ und „Das ist eine der härtesten Prüfungen.“
Lieberknechts Bilanz seit Anfang Dezember ist verheerend. Die Bilanz reicht aus, um einen Wechsel auf der Trainerbank zu rechtfertigen. In neun Pflichtspielen setzte es zuletzt acht Niederlagen und es gab nur einen Sieg, der gegen Darmstadt 98 am Ende trotz einer vermeintlich komfortablen 3:0-Führung noch durch zwei späte Gegentore in Gefahr geriet. Doch mit der Ratlosigkeit mischt sich die Ahnung, dass es nicht allein am Trainer liegen kann. Die Wurzel des Übels muss woanders liegen. Zudem kann sich der MSV einen zweiten Trainerwechsel gar nicht leisten. Lieberknechts Vertrag läuft bis Sommer 2021 – für alle drei Ligen.
Zum vierten Mal in Folge brach die Mannschaft in der Schlussphase ein. Darmstadt traf in der finalen Phase zweimal, Paderborn drehte das Pokalspiel und Greuther Fürth siegte – allerdings durch ein Elfmetergeschenk des Schiedsrichters – spät. Und nun Union Berlin. Sebastian Andersson köpfte in der 89. Minute zum 2:3 ein. Schon nach dem 2:2 durch Marcel Hartel (64.) ging kein Ruck durch die Mannschaft, um den Dreier doch noch zu holen. Und in der Nachspielzeit verharrte die Truppe in Schockstarre. Es ging nichts mehr.
Warum gehen der Mannschaft hinten raus die Körner aus? Schiedsrichter Timo Gerach musste Young-jae Seo in der Schlussphase zur Hilfe kommen, um einen Wadenkrampf zu lösen. Der Koreaner spielt Woche für Woche erfrischend auf, in der Schlussphase verliert er aber immer wieder die entscheidenden Duelle – so auch am Samstag vor dem Berliner Siegtreffer. Es bleibt dabei: Lieberknecht konnte sein Credo, dass die Abwehr stabil stehen muss, immer noch nicht umsetzen: Nun sind es schon 24 Gegentreffer aus den letzten neun Spielen.
Keine Stammformation
Lieberknecht hat noch immer nicht die Stammformation gefunden, mit der er den Abstiegskampf wuppen will. Ist es taktische Variabilität oder doch nur Ratlosigkeit? Am Samstag musste sich mit Kevin Wolze ein arrivierter Spieler mit einem Platz auf der Bank begnügen. Neben ihm saß U-19-Mann Jan-Niklas Pia. Der Coach scheute sich jedoch davor, den Youngster einzusetzen. Stattdessen gab John Verhoek, Sinnbild der verfehlten Personalpolitik der Meidericher, über 90 Minuten eine grauenhafte Vorstellung ab.
Auch vor der blauen Wand gab es am Samstag wenig Erhellendes, das die Situation erklären könnte. Havard Nielsen, der mit einem sehenswerten Freistoß das 1:1 erzielte und einziger Duisburger war, der sich in starker Verfassung präsentierte, klagte: „Wir dürfen die Führung nicht mehr hergeben.“ Und Young-jae Seo verriet, dass er vor dem Freistoßtor auf dem Platz gebetet habe: „Ich bin ein gläubiger Mensch.“
Gebete allein werden dem MSV aber auch nicht helfen.