Bottrop. Für einen himmelblauen Opel Kadett und den Führerschein spielte Dieter Herzog zwei Jahre für den VfB Bottrop. Für den WM-Titel gab es ein Cabrio.
Bottrop ist eine gute Weiterbildungsstätte für Fußballweltmeister. Kein Scherz! Ein Weltmeister begann hier vor fast 60 Jahren seine Karriere und hat einiges zum zweiten deutschen WM-Titel 1974 beigetragen. Damals hatte er größere Spielanteile als Günter Netzer, und auch mehr als 1954 Heini Kwiatkowski, 1990 Frank Mill oder 2014 Lukas Podolski. Der Oberhausener Dieter Herzog stand 1974 bei zwei WM-Spielen in der Startelf und zu seinem Werdegang zählen auch zwei Jahre beim VfB Bottrop.
„Die Kameradschaft in Bottrop war wirklich super“, blickt Dieter Herzog gerne in die 60er-Jahre zurück. Die Brüder Mikolaiczak, Kwatschewski, Paul Baron, „der lange Kaufmann“ und „Friedhelm Cichon und Fred im Tor“ fallen ihm als erste ein, Fred Bockholt war damals einer der beiden Schlussmänner.
Dieter Herzog wird beim VfB Bottrop zum Linksaußen umfunktioniert
VfB-Trainer Werner Stahl gab Herzogs Laufbahn zwischen 1965 und 67 eine entscheidende Wendung, wie der 77-Jährige berichtet: „Er hat mich von Halblinken zum Linksaußen umfunktioniert. So hatte ich mehr 1-gegen-1-Situationen und konnte meine Schnelligkeit besser ausspielen.“ Dann ergänzt er noch: „Alles war super, die kleine Stadt, die vielen Zuschauer, ich wäre gerne geblieben.“ Doch das Finanzielle sprach dagegen.
Als Nachkriegskind kannten Herzog und seine beiden Brüder auch Sparsamkeit und Mangel; der fußballverrückte Vater kutschierte Dieter immer auf dem Gepäckträger seines Rades zu den Spielen der SpVgg Sterkrade 06/07 und belohnte ihn mit 50 Pfennig je Treffer. Zum Sportplatz „Am dicken Stein“ kamen bei wichtigen Jugendspielen mitunter 5000 Zuschauer, im Halbfinale der Westdeutschen Meisterschaft gab es mal eine Begegnung mit Borussia Mönchengladbach mit Netzer und Berti Vogts.
Dieter Herzog wird beim VfB Bottrop zum Publikumsliebling
Für einen gebrauchten himmelblauen Opel Kadett und den Führerschein wechselte Herzog 1965 mit 19 nach Bottrop, deren beste Spieler er aus der Niederrheinauswahl und „einer Tour in den Vorderen Orient“ kannte. Rot-Weiß Oberhausen war für ihn keine Option, denn dessen Präsident Peter Maaßen war nicht bereit, für Nachwuchsspieler aus der Stadt auch nur einen Pfennig aufzuwenden.
Auch in Bottrop, wo der schnelle Stürmer nach Anlaufschwierigkeiten zum Publikumsliebling wurde, war das Geld nach zwei Jahren wieder ein Thema. „Der VfB war für mich enttäuschend,“ sagt Herzog heute. „Die wollten, dass ich etwas mitbringe für die Vertragsverlängerung.“ Anderswo waren die Verantwortlichen 1967 großzügiger. Mit Schwarz-Weiß Essen war er fast einig, doch Hamborn 07 setzte noch einmal nach und hat „Vatter und Mutter umgestimmt, mit einem Kühlschrank und einer Waschmaschine“.
Kurz vor seinem 21. Geburtstag war Dieter Herzog zu diesem Zeitpunkt noch nicht volljährig. Nach drei Jahren in Duisburg ging er 1970 zu Fortuna Düsseldorf, stieg in die Bundesliga auf, spielte im UEFA-Pokal und wurde Nationalspieler. Im Jahr 1974 absolvierte der Fortune fünf Länderspiele, zwei davon mit Rückennummer 18 während der Weltmeisterschaft in Deutschland, in der Zwischenrunde im Düsseldorfer Rheinstadion gegen Jugoslawien (2:1) und Schweden (4:2).
Zu Gast in der „Kaiser-Villa“ von Franz Beckenbauer
„Ordentliche Spiele“ habe Herzog gemacht, „aber nicht super. Ich war zurückhaltender, als ich in Düsseldorf gespielt habe“. In Erinnerung sind dem Linksaußen auch hier noch Prämiendetails. Neben den 50.000 D-Mark wurde für den Titelgewinn plötzlich noch ein VW-Cabrio für jeden ausgelobt – grün mit schwarzem Verdeck.
„Da haben wir alle auch auf der Tribüne mitgezittert,“ erinnert er sich. Vor 50 Jahren saß noch nicht der ganze Kader auf der Auswechselbank, damals waren es nur fünf Auswechselspieler. Die übrigen sechs aus dem Kader waren unbeschäftigt, so auch Herzog bei der Frankfurter Wasserschlacht gegen Polen (1:0) und im Finale von München.
Ein Beleg für „die gute Kameradschaft“ sei noch ein gemütlicher Grillabend zwei Tage vor dem Endspiel gegen die Niederlande gewesen. Herzog: „Da waren wir alle in Grünwald im Garten von Franz.“ Beckenbauer, der damals schon deutliche höhere Einkünfte hatte als der Rest des Teams, hatte in seine Villa eingeladen.
Herzog erzielte insgesamt 46 Tore in 250 Bundesligaspielen
Nach sechs Jahren in der Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen spielte Dieter Herzog von 1976 bis 1983 in Leverkusen und stieg – wieder an der Seite von Fred Bockholt – erneut in die Bundesliga auf. Auf der Homepage des Werksklubs werden „seine schlitzohrigen Dribblings auf dem linken Flügel“ herausgehoben, in insgesamt 250 Spielen in der höchsten Spielklasse schoss der Mann, der in Oberhausen-Sterkrade lebt, 46 Tore.
Im Mai war Herzog gemeinsam mit Bockholt auf der Meisterfeier von Bayer Leverkusen, es gibt ein Foto mit Erfolgstrainer Xabi Alonso in der Mitte. In der Bayarena ist er gelegentlich zu Spielen, dagegen nimmt er an seinen ersten Klubs keinen Anteil mehr. Dass sich ausgerechnet der VfB Bottrop und Sterkrade 06/07 mit dem besseren Ende für den VfB in dieser Saison um die Meisterschaft in der Bezirksliga duellierten, bekam er nicht mit.
Fragt man den Kabarettisten Dieter Nuhr, einen begeisterten Hobbykicker aus Düsseldorf, nach seinem persönlichen Fußballhelden, so nennt er den Oberhausener, der einst in Bottrop stürmte: „Dieter Herzog, der heimlichste Weltmeister 1974. Ein Raser am linken Flügel!“
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