Bottrop. Kudret und Samet Kanoglu sind Bottroper. Sie suchten das Türkei-Abenteuer - und merkten dabei, dass sie keine Türken, sondern Deutsch-Türken sind.
Gerade einmal ein halbes Jahr lang haben es die beiden ohne den anderen ausgehalten. Sechs Monate trugen sie ein unterschiedliches Trikot in der Bezirksliga. Doch für Samet Kanoglu fühlte es sich wie eine Ewigkeit an. „Endlich kann ich wieder mit meinem Bruder zusammenspielen“, sagt der 25-Jährige Offensivspieler.
Er kommt mit einer Empfehlung von 12 Toren in 19 Spielen von der DJK Arminia Klosterhardt zum VfB Bottrop, will mit dem Klub den Aufstieg in die Landesliga angreifen und dafür gemeinsam mit seinem Bruder ein brandgefährliches Duo bilden. „Zusammen sind wir schon schwer aufzuhalten“, so Samet Kanoglu.
Bei Rhenania Bottrop rausgeflogen
Um einer der gefragtesten Stürmer im Bottroper Gebiet zu werden, musste Samet jedoch einige Widerstände überwinden - auch welche, die er sich selbst vor die Füße warf. „Ich war schon in der Jugend bei Rhenania Bottrop eher ein Problemspieler wegen meiner Disziplin, das kann man schon so sagen“, blickt er zurück. So wurde er im ersten Seniorenjahr beim damaligen Landesligisten auch rausgeworfen, musste sich einen neuen Klub suchen.
Und fand den mit der Spielvereinigung Schonnebeck, traf dort auf Damian Apfeld, „einem der besten Trainer, die ich bisher hatte“, so Samet Kanoglu. Er reifte nach und nach, als Spieler und als Persönlichkeit. Nach der Zeit in Schonnebeck ging es zu YEG Hassel, dann zum VfR Bottrop Ebel und zum FC Viktoria Heiden - ehe er eigentlich eher im Scherz zu seinem Bruder Kudret (heute 27) sagte, dieser solle doch mal ein gutes Wort für ihn einlegen.
Kudret Kanoglu wurde in der Oberliga entdeckt
Denn Kudret, der früher bei Rhenania nach einem Probetraining nicht angenommen wurde und dadurch erst bei Rot-Weiß Oberhausen landete, in der A-Junioren-Bundesliga und später für die zweite Mannschaft in der Oberliga Niederrhein spielte, weilte zu der Zeit, 2014, ganz weit entfernt. Bei Manisapor, einem Klub, der damals in der zweiten türkischen Liga spielte.
„Ich wollte schon immer Profi werden“, sagt Kudret Kanoglu heute. Der Kontakt in die Türkei sei damals durch ein Spiel mit Rot-Weiß Oberhausens zweiter Mannschaft bei TuRu Düsseldorf entstanden. „Da habe ich linker Verteidiger gespielt und sie wurden auf mich aufmerksam, wollten nach dem Spiel meine Telefonnummer und haben mich am nächsten Tag direkt angerufen“, sagt Kudret Kanoglu.
Zweite türkische Liga statt Oberliga Niederrhein
Er sollte sich vorstellen in der Türkei. Der Flug, das Hotel, alles sei bezahlt worden. „In Oberhausen war unklar, ob sie mit mir verlängern wollten oder nicht. Also bin ich in die Türkei ins Trainingslager zu dem Verein geflogen. Dabei habe ich mir wirklich nichts dabei gedacht.“ Es folgten Testspiele, unter anderem gegen ein arabisches Erstligateam. Den Verantwortlichen von Manisaspor hat gefallen, was sie sahen.
„Der Trainer war damals Tahir Karapinar, der nun auch Interimstrainer bei Fenerbahce Istanbul war. Er hat mich angenommen.“ Also lief Kudret Kanoglu plötzlich in der zweiten türkischen Liga statt der Oberliga Niederrhein auf. Acht Spiele machte er für Manisaspor, dann sorgte ein Trainerwechsel für einen Bruch und der Bottroper war außen vor. „Ich habe nicht mehr gespielt, wurde ausgeliehen in die dritte Liga und war sechs Jahre lang bei verschiedenen Vereinen, Kayserispor, Pendikspor, Corum FK, Catalcspor, Eyüpspor und Erbaaspor “, so der 27-Jährige.
Brüdervereinigung bei Erbaaspor
In der Zeit bei Erbaaspor kam dann Samet dazu, die Brüder waren zum ersten Mal fußballerisch vereint. „Ich war noch in der Ausbildung zum Fliesenleger, habe dann meinen Bruder gefragt, er solle seinem Trainer sagen, ich komme ins Trainingslager. Da hat er tatsächlich nachgefragt, ich habe drei Wochen lang mittrainiert und sollte bleiben“, so Samet Kanoglu.
Einem Ruf, dem er folgte - nachdem er seine Lehre beendet hatte. Doch nach einem halben Jahr war schon wieder Schluss. „Ich wurde vom Trainer erst sehr gelobt. Dann wurde ich aber krank und wurde danach nicht mehr so beachtet. Nach einem halben Jahr bin ich abgehauen“, so Samet, der die Zeit trotzdem als „geile Erfahrung“ bezeichnet, jedoch auch sagt: „Es war kein Fehler, aber länger hätte es auch nicht sein müssen. Da habe ich gemerkt, dass ich zu deutsch für die Türkei bin.“
Kudret Kanoglu: „Ich bin kein Türke, ich bin Deutsch-Türke“
Gefühle, die auch Kudret Kanoglu kennt: Zwar kann er heute sagen, „dass ich meinen Traum erfüllt habe. Ich konnte alles mitleben, habe gesehen, wie die Profis leben. Ich habe in den besten Hotels der Türkei übernachtet, war im Trainingslager in Antalya auf geilen Plätzen.“ Allerdings seien die sechs Jahre „auch ein bisschen ein Verlust“ gewesen.
„Ich konnte die Zeit mit meiner Familie nicht erleben, ich hatte Heimweh. Ich habe erst dabei erfahren, dass ich gar kein richtiger Türke bin, weil die Kultur, die wir hier in Deutschland haben ist eine andere als die dort. Die Leute denken anders, die Menschen ticken anders. Da habe ich gemerkt, ich bin kein Türke, ich bin ein Deutsch-Türke“, so Kudret Kanoglu.
Mit dem VfB Bottrop ist der Aufstieg das Ziel
Nun, seit dem vergangenen Jahr, sind die Kanoglu-Brüder wieder gemeinsam in Deutschland, nach der Zeit bei Arminia Klosterhardt wieder gemeinsam in Bottrop, „endlich wieder zu Hause angekommen“, wie Kudret Kanoglu sagt. Mit dem VfB Bottrop, bei dem sie gemeinsam auch die D-Jugend trainieren, haben die Kanoglu-Brüder viel vor.
„Unser Ziel ist, dass wenigstens eine Bottroper Mannschaft in der Landesliga spielt. Und das Potenzial hat der Verein. Der Präsident, das Stadion, die Kabinen, der Kunstrasenplatz, das ist alles Weltklasse“, sagt Kudret Kanoglu, der weiß, dass ein bisschen Lebenserfahrung bei der Mission Aufstieg nicht schädlich sein kann.
Und genau davon bringen er und sein Bruder Samet reichlich mit.