Gelsenkirchen. Die Spielerinnen von Fortuna Bottrop berichten über ihr Stadionerlebnis: Krokodilstränen, ein historischer Moment und ein noch unerfüllter Traum:

5:0 gewonnen, drei Punkte geholt und auf Platz drei der Bezirksliga vorgerückt: Die Fußballerinnen von Fortuna Bottrop machten das Beste aus ihrem Heimspiel in der Veltins-Arena des FC Schalke 04. Hier berichten sie über ihre Erlebnisse:

Semra Schneider hat sich am Samstag einen Platz in der königsblauen Vereinschronik gesichert. Denn sie ist die erste Fußballerin, die in der Schalker Heimspielstätte ein Pflichtspieltor erzielt hat. „Das kam unerwartet, denn eigentlich schieße ich keine Tore“, erklärt Fortunas Kapitänin mit einem Lachen. Kein Wunder, Semra ist Abwehrspielerin.

In der 19. Spielminute bot sich ihr jedoch die Chance, aufs Tor zu schießen: „Ich habe grob in die Richtung gezielt. Als der Ball dann in der Luft war, habe ich mir schon gedacht, dass der ganz gut unterwegs ist.“ Die Momente, nachdem ihr Schuss die Torlinie überquerte, kommen ihr im Rückblick beinahe surreal vor: „Äußerlich war ich cool, innerlich allerdings überhaupt nicht. Ich hatte keinen Gedanken daran verschwendet, ich könnte ein Tor erzielen. Ich wusste nicht einmal, wie ich jubeln sollte.“

Nur 20 Minuten Zeit fürs Fertigmachen sind zu wenig

Historischer Moment: Semra Schneider erzielt mit diesem Schuss das erste Tor einer Fußballerin in der Veltins-Arena
Historischer Moment: Semra Schneider erzielt mit diesem Schuss das erste Tor einer Fußballerin in der Veltins-Arena © WAZ | Felix Hoffmann

Ein bisschen unangenehm sei es ihr gewesen, nach dem Tor mit einem Foto auf dem Videowürfel gezeigt zu werden. Ich Rückblick sei sie aber auch unheimlich stolz. Ein großes Dankeschön richtete Schneider an Gastgeber Schalke 04 und seinen Hauptsponsor Veltins: „Das war ein unfassbar schönes Erlebnis.“ Einziger Kritikpunkt: „Der Tag war perfekt durchgeplant. Und alles lief wie am Schnürchen. Doch nach dem Spiel hatten die wohl noch die Männertaktung. Nur 20 Minuten Zeit fürs Fertigmachen zur Party im VIP-Bereich? Fönen, Glätten, Schminken? Das schafft keine Frau!“

Die erfahrenste Spielerin war am Samstag Gülser Bugday. Fortunas Nummer 57 spielt seit fast 30 Jahren Fußball, ist seit 1994 im Klub, gab nach dem Spiel aber unumwunden zu: „Ich hatte fürchterliches Herzrasen. Ich kann es immer noch nicht glauben. Bei meiner Einwechslung war ich mir nicht einmal sicher, ob ich in dieser Atmosphäre überhaupt noch den Ball treffe.“

Sie habe schon während der Partie Krokodilstränen geweint: „Bei jedem Spielerwechsel, bei den Toren und bei jedem Blick auf die Tribüne. Das war ein überwältigender Tag, den wir alle nie vergessen werden. Wir haben uns in der Veltins-Arena als Vereinsfamilie präsentiert und allen gezeigt, wie sehr wir zusammenhalten.“

Rührende Momente erlebte auch Sarah Baschista. „Alle hatten mir gewünscht, dass ich ein Tor schieße. Und dann hatte ich tatsächlich die große und einmalige Chance dazu“, so Baschista, die in der Nachspielzeit zu einem Foulelfmeter antrat: „Ich war super nervös, das Gefühl kann ich gar nicht richtig beschreiben. Ich wollte den Ball eigentlich nach unten rechts schießen, aber mein Körper wollte hoch in die Mitte. Als der Ball drin war, hatte ich Gänsehaut. Ein geiler Moment.“

Bewegende Rede von Fabian Baschista vor dem Spiel

Als bewegendste Szene wird Sarah Baschista aber etwas anderes in Erinnerung behalten. Ihren Bruder und Coach Fabian: „Er hat kurz vor dem Spielbeginn alle aus der Spielerkabine geworfen, die nichts mit der Mannschaft zu tun haben. Er las einen Text vor, den er extra für diesen Tag und uns geschrieben hatte. Das war so unheimlich schön und emotional. Im Team hatten wir schon vorher einen krassen Zusammenhalt. Das war die Krönung.“

Sarah Stefanski (l.) lässt sich für ihren Freitoßtreffer zum 2:0 feiern.
Sarah Stefanski (l.) lässt sich für ihren Freitoßtreffer zum 2:0 feiern. © WAZ | Felix Hoffmann

Für Fortunas Sarah Stefanski ist die Veltins-Arena wie ein zweites Wohnzimmer: Dem Schalke-Mitglied drückte auf der Tribüne nicht nur die eigene Familie, sondern auch der Fanclub „Gladbecker Freunde“ die Daumen: „Ich war mit sieben zum ersten Mal in der Arena, mit 13 war ich mal bei einem Derby gegen Dortmund Ballmädchen. Aber das Erlebnis am Samstag hat das alles noch einmal getoppt.“

Der Traum von einem Solo-Auftritt in der Veltins-Arena bleibt

Wunschlos glücklich machte der Tag die junge Fußballerin, die in der 60. Minute mit einem Freistoß das 2:0 erzielte, aber nicht. „Ich habe weiterhin den Traum, in der Veltins-Arena als Sängerin aufzutreten.“ Stefanski hat rund 60 Songs geschrieben und komponiert. Ihre letzte und bislang neunte Single erschien erst am 3. November. Der Titel steht im Kontrast zum Arena-Erlebnis: „Herz aus Stein“.

Kaum eine andere Spielerin hatte am Samstag mehr Gelegenheit, nicht dem Spiel, sondern ihrer Umgebung Aufmerksamkeit zu schenken. Muriel Hegh erlebte als Fortunas Torfrau einen ruhigen Tag, wehrte die wenigen Tormöglichkeiten des TuS Essen-West mit Bravour ab. „Diese Kulisse hat mich schon sehr beeindruckt. Ich hatte geahnt, dass viele Zuschauer kommen würden. Aber fast 2000?“ Viele Kleinigkeiten hätten diesen Tag zu einem ganz besonderen gemacht. „Ich spreche für die ganze Mannschaft, wenn ich sage, dass wir uns in der Veltins-Arena willkommen und geschätzt gefühlt haben. Das war ein irres Erlebnis.“

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