Bottrop. Er ist ein Großer des Bottroper Sports. Das ist jetzt sogar amtlich: Hermann Stratmann hat die höchste Auszeichnung für Sportler in NRW erhalten.

Da staunte der Schiedsrichter nicht schlecht. Beim Verlassen der Umkleidekabine nach dem Duschen standen vor ihm und seinem Partner die Kapitäne beider Handballmannschaften und luden das Schiedsrichtergespann auf ein Bier ein. „Es gab schon viele Spiele, wo nachher alle zufrieden waren“, freut sich Hermann Stratmann und erinnert sich besonders gerne an diese Anekdote aus Dinslaken Ende der 70er Jahre. Es war ein Landesligaspiel von Hiesfeld gegen einen Essener Klub, Partner von Stratmann war der inzwischen verstorbene Werner Watzlawczik, und es war eine von vielen Handballpartien, die der engagierte Schiedsrichter von 1972 bis 2006 geleitet hat.

In Münster wurde Hermann Stratmann im September für seine Verdienste mit der Sportplakette des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet. Die Sportplakette ist die höchste Anerkennung, die das Land für herausragendes Engagement im Sport vergibt. Seit 1959 wurden in NRW nur neunhundert ehrenamtliche Funktionäre, Sportlerinnen, Sportler oder Teams damit geehrt. „Sie repräsentieren das Sportland Nordrhein-Westfalen in seiner gesamten Vielfalt“, sagte Staatssekretärin Andrea Milz, die in Vertretung des damaligen Ministerpräsidenten Armin Laschet im Messe- und Congresscentrum Münsterland die Plakette überreichte. „Sie ermöglichen Breitensportangebote für alle, organisieren den Wettkampfsport oder erbringen Spitzenleistungen als Aktive. Damit sind sie Vorbilder für andere.“

Der große Einsatz Stratmanns imponiert auch dem Vorsitzenden des Bottroper Sportbundes. Peter Scheidgen lobt Stratmanns „absolute Hilfsbereitschaft.“ Dass er „gerne hilft, wenn ich kann“ hat sich der Geehrte selbst zum Motto gemacht. Seit fast 75 Jahren lebt Stratmann im Stadtteil Boy in seinem Elternhaus, hat als Kind und Jugendlicher im Sport einiges probiert, ohne sich dafür zu begeistern: „Fußball hat mir überhaupt nicht gefallen. Schwimmen war auch nicht das Richtige. Außerdem habe ich damals schon viel Zeit in die Gewerkschaft gesteckt.“

Erster Einsatz als Schiedsrichter auf einem Ascheplatz in Oberhausen

Dem Bottroper Hermann Stratmann, 74, wird von Staatssekretärin für Sport und Ehrenamt die Sportplakette des Landes NRW verliehen.
Dem Bottroper Hermann Stratmann, 74, wird von Staatssekretärin für Sport und Ehrenamt die Sportplakette des Landes NRW verliehen. © FUNKE Foto Services | repro

Jugendsprecher war Hermann Stratmann auf der Zeche Mathias Stinnes in Mülheim-Heißen. In der Reparaturwerkstatt wurde er Elektriker, nach 25 Jahren in diesem Beruf Ausbilder und arbeitete schließlich in der Erwachsenenbildung bei der Ruhrkohle AG. Erst mit Mitte Zwanzig entdeckte er den Handball, doch Spiele sind ihm nicht mehr so sehr in Erinnerung. Dafür aber ist dem Träger der Sportplakette die Geschichte seines ersten Einsatzes mit der Pfeife noch präsent. „Das war ganz kurzfristig. Ich ging zu einem Schiedsrichterlehrgang und wurde schon am Wochenende drauf eingesetzt. Freitagsabends auf einem Aschenplatz in Oberhausen, die Spieler sahen nachher alle aus wie Sau.“ Das Ergebnis spielt fast fünfzig Jahre später keine Rolle mehr, die Paarung aber weiß er noch: Olympia gegen Adler Oberhausen.

Spieler und Schiedsrichter, Geschäftsführer und Trainer war Stratmann im Turnerbund 1904, lange auch im Vorstand, wechselte 1998 zum SC Bottrop. Daneben wirkte er im Handballkreis, im Verband Niederrhein, im Verband der Turner und im Bottroper Sportbund, dort als Fachschaftsleiter Handball, Übungsleiter Schulsport, als 2. Geschäftsführer im Vorstand und auch im Seniorenbeirat der Stadt Bottrop. Stratmann erzählt: „Als ich 2002 als Sportabzeichenbeauftragter begann, hatten wir 600 Abzeichen im Jahr, 2003 schon doppelt so viele.“ In den Jugendklassen im Handball führte er Qualifikationsturniere ein. Nach der dort festgestellten Leistungsstärke wurden dann die Gruppen eingeteilt, was den Vereinen gut gefiel. Stratmann: „So gab es keine Ergebnisse mehr mit 30 Toren Unterschied.“

Stratmann macht die Arbeit, um die sich andere gerne drücken

„Er macht das, was man nicht so gerne macht“, berichtet Sportbund-Vorsitzender Scheidgen, nämlich die Arbeiten an Satzungen und den Computern. Da gilt Stratmann trotz seiner 74 Jahre als Experte. „Das habe ich mir alles selbst beigebracht“, erzählt der Rentner, der 1981 am Arbeitsplatz „in der Lehrwerkstatt“ zum ersten Mal mit Rechnern konfrontiert wurde. Steuerungen haben sie damals programmiert, auf einem Gerät der Marke Sharp mit 64 Megabyte Arbeitsspeicher.

Heute wird Hermann Stratmann, Vater dreier Söhne, 75 Jahre alt. Geplant sind zwei kleine Feiern im Familienkreis, denn die ungeimpften Enkel sollen nicht mit allen zusammenkommen wegen der Pandemie. Vielleicht macht dann auch noch einmal die Geschichte eines Handballspiels in Essen vor mehr als 30 Jahren die Runde. „In Kettwig musste ich mal einen Spieler runterstellen“, erzählt der Jubilar. „Am anderen Morgen auf der Arbeitsstelle kommt ein Kollege und knallt mir eine Zeitung auf den Tisch mit der Schlagzeile: ‚Schiedsrichter Stratmann versaut Kettwig den Aufstieg‘.“ Es war jedoch noch nicht der letzte Spieltag und die reißerische Überschrift wurde nicht Realität. Stratmann sagt: „Die Kettwiger sind später trotzdem aufgestiegen.“

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