Bottrop. Es war das wohl größte Handballspiel in Bottrop der jüngeren Geschichte, als der VfL Gummersbach zu Gast war. Die Idee entstand in der Kneipe.

Eigentlich hatte Roland Peukert mit dem Bottroper Handball 1975 nicht mehr wirklich viel zu tun. Der damals 26-Jährige hatte zwar in der Jugend sowohl für die EK Sportfreunde Bottrop – mittlerweile gemeinsam mit dem SV 1911 Bottrop zum SC Bottrop fusioniert – gespielt, bereits mit 18 Jahren aber mit dem aktiven Sport aufgehört. Sein Geld verdiente er sich als Stuckateur und mit der Musik, stand mit seiner Band auf vielen Bottroper Bühnen.

Ein und aus ging er auch in der Gaststätte am Nordeck, dem Vereinslokal des SV 1911 Bottrop an der Gladbecker Straße. „Da wurde ich mal angesprochen, ob ich nicht einen Ball spenden möchte oder Ähnliches.

Kurz danach ging es dann darum, ob ich in die Vereinsarbeit eingebunden werden kann“, erinnert sich Peukert. Er konnte – und stieg innerhalb kürzester Zeit vom „Trikot- und Sprudelschlepper“, wie er es selbst bezeichnet bis zum Vorsitzenden auf. 1975 übernahm er die Führung des Vereins, eher notgedrungen, weil sich niemand anderes fand, dafür aber mit umso mehr Tatendrang.

Roland Peukert, ehemaliger Vorsitzender der Handballer des SV 1911 Bottrop, mit dem Original-Spielbericht von der Partie gegen den VfL Gummersbach 1979.
Roland Peukert, ehemaliger Vorsitzender der Handballer des SV 1911 Bottrop, mit dem Original-Spielbericht von der Partie gegen den VfL Gummersbach 1979. © Patrick Radtke

Der Höhepunkt seines Schaffens beim SV 1911 klingt nicht nur wie eine Geschichte, die aus einer Bierlaune in einer Kneipe entstanden ist, es war tatsächlich so. Für Roland Peukert war es dennoch das Spiel seines Lebens. „Beim Frühshoppen an einem Sonntagmorgen kam einer um 12 Uhr auf die Idee, ich solle doch einmal etwas ganz Verrücktes machen. Da fragte ich ihn, an was er dachte. Er meinte nur ‚etwas Großes‘“, erinnert sich der heute 71-jährige Peukert an eine Situation im Jahr 1979.

Ein Telefonat mit der Auskunft führte zum Erfolg

Ein Geistesblitz später, hing der damals 30-Jährige schon am Telefon des Vereinsheims. „Deutschland war damals Weltmeister geworden, hatte mit Heiner Brand und Co. die Sowjetunion im Finale geschlagen. Da dachte ich mir, dass es etwas Verrücktes wäre, wenn der VfL Gummersbach mit seinen Weltmeistern in Bottrop spielen würde. Wir haben dann die Auskunft angerufen und einfach nach der Nummer von Eugen Haas, dem Geschäftsführer von Gummersbach, gefragt“, sagt Peukert.

Roland Peukert, ehemaliger Vorsitzender der Handballer des SV 1911 Bottrop, mit dem Original-Spielball von der Partie gegen den VfL Gummersbach 1979.
Roland Peukert, ehemaliger Vorsitzender der Handballer des SV 1911 Bottrop, mit dem Original-Spielball von der Partie gegen den VfL Gummersbach 1979. © Patrick Radtke

Kurze Zeit später, hatte der Bottroper den Gummersbacher tatsächlich am Telefon. „Er meinte sofort, dass sie zum Freundschaftsspiel kommen würden und fragte, in welcher Klasse wir denn spielen. Ich antwortete, dass wir Bezirksligist sind. Dann fragte er, wie groß denn die Halle sei und ich sagte für unsere Verhältnisse groß. Keine drei Minuten später hatte er Termine vorgeschlagen“, so Peukert.

Das Finanzielle war ein kleines Problem

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Das Sportliche war also überraschend richtig schnell geklärt – zumindest mündlich. Das Finanzielle war allerdings noch ein Problem. Denn umsonst spielte der VfL Gummersbach – damals eine Kragenweite wie der THW Kiel heute – freilich nicht, 5000 D-Mark kostete der Antritt in Bottrop.

„Der Verein hätte es so nicht stemmen können. Ich musste erst beim Sportamt anrufen und fragen, wie viele Leute in die Halle reindürfen. Helmut Anacker, der damalige Leiter des Bottroper Sportamtes, sagte, 1000 Zuschauer seien möglich. Mehr würde die Feuerwehr nicht zulassen. Zudem müssen Feuerwehrwagen vor der Halle stehen und es müsse ein Arzt auf der Bank sitzen. Denn kurz vorher war der Unfall von Joachim Deckarm passiert“, sagt Peukert.

Deckarm war Handballer beim VfL Gummersbach, schlug bei einem Europacup-Spiel nach einem Zusammenstoß mit einem anderen Spieler mit dem Kopf auf den harten Boden und lag monatelang im Koma. Die Verantwortlichen in Bottrop waren dementsprechend sensibilisiert.

Schriftlich wurde die Verteilung der Einnahmen geregelt.
Schriftlich wurde die Verteilung der Einnahmen geregelt. © Peukert

Peukert streckte das Geld aus der eigenen Tasche vor, zu groß war die Chance, einmal den großen VfL Gummersbach in Bottrop begrüßen zu dürfen und damit auch die Nationalspieler Heiner Brand, Rudolf Rauer, Gerd Rosendahl, Klaus Westebbe, Erhard Wunderlich und Claus Fey – denn deren Mitspielen garantierte der VfL sogar schriftlich.

Am Ende rechnete sich alles. Gummersbach kam, die Halle war brechend voll, die Stadt verzichtete auf die Miete, die Feuerwehr auf die Kosten für den Einsatz und Sponsoren gaben Geld dazu, sodass der SV 1911 sogar mit 4000 D-Mark Gewinn aus dem Spiel herausging.

Als Rudi Rauer um die Ecke fuhr, wurde alles real

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Am 23. September 1979, sechs Wochen nach dem ersten Telefonat im Vereinsheim, fand das Spiel statt. Bei Peukert war die Nervosität bis zur Ankunft der Gummersbacher in Bottrop jedoch groß. „Ich hatte es nicht für möglich gehalten. Es kam ja nie zu einem richtigen Vertrag zwischen den beiden Vereinen. Am Spieltag stand ich vor der Halle und wartete. Sie kamen und kamen nicht, ich wurde richtig nervös. Doch auf einmal kam ein Porsche um die Ecke gefahren. Ein Mann mit Schnauzbart stieg aus und fragte, ob er hier richtig sei“, sagt Peukert.

Der Mann war richtig, es war Rudi Rauer, damals der Torwart der Nationalmannschaft, der mit seinem Privatauto vorweggefahren war.

Wimpelübergabe von Erwin Degen

Kurz nach Rauer, der sich schon einmal in der Dieter-Renz-Halle warm machte, hielt auch der Mannschaftsbus des VfL in Bottrop und sorgte für einen herunterfallenden Stein vom Herzen Roland Peukerts. „Der erste Spieler, den ich erkannte, war Heiner Brand. Da war ich sehr erleichtert“, erinnert sich der Bottroper, der Sorge hatte, Gummersbach käme doch mit einer B- oder C-Mannschaft.

900 Personen – zumindest war dies die offizielle Zahl, inoffiziell waren wohl noch deutlich mehr Personen in der Halle – begeisterte der VfL Gummersbach beim Spiel, dass er letztlich mit 34:17 (15:5) gewann. Doch das Ergebnis war nun wirklich Nebensache, das zeigte schon die Wimpelübergabe des damaligen Bottroper Bürgermeisters Erwin Degen an Heiner Brand vor Anpfiff.

Es ging um das Event und um die Nähe zu den Handball-Stars, die geduldig Autogramme schrieben und den Tag gemütlich bei der dritten Halbzeit im Vereinslokal Am Nordeck ausklingen ließen.

Im Nordeck wurde die dritte Halbzeit gemeinsam gefeiert.
Im Nordeck wurde die dritte Halbzeit gemeinsam gefeiert. © Peukert

Für die Bottroper Handball-Szene war es ein unvergesslicher Tag, ein Highlight, welches so kaum zu wiederholen ist. Und auch die Gummersbacher konnten von einem gelungenen Spiel sprechen. Die WAZ zitierte Heiner Brand damals folgendermaßen: „Es kommt selten vor, dass uns bei Freundschaftsspielen von Seiten der Gastgeber ein solch herzlicher Empfang zuteil wird. Bei euch ist es richtig schön“.

Info: Das Ergebnis 34:17 (15:5)

Die Mannschaften: SV 1911: Klümper, Brusgevigus (7 Treffer), Horzenek (1), Olekniczak (1), Nitsche (2), R. Strunk (1), N. Strunk, Gaschka (4), Hettenberger, Brombach

VfL Gummersbach: Rauer, Vogel, Brand (6), Pohl (2), Westebbe (6), Krause (6), Wunderlich (4), Rosendahl (6), Fey (4).

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