3:0 für Gladbach in der ersten Halbzeit. 3:0 für Bochum in der zweiten Halbzeit. VfL-Trainer Marcel Koller durfte nach einem denkwürdigen Bundesliga-Auftakt tief durchatmen. Und nicht nur er.
Warum seine erste Elf, die gleiche wie im Pokal in Lotte, erst nach der Pause das zeigte, was Fußball ausmacht, könnte ihm durchaus noch einige Überstunden bescheren. VfL-Sportvorstand Thomas Ernst jedenfalls, wie wohl alle ziemlich aufgewühlt nach dieser total verrückten Partie, ahnte kurz nach dem Schlusspfiff am späten Sonntagnachmittag, dass er kaum ein Auge zudrücken würde: „Ich bin gespannt, ob ich heute Nacht schlafen kann”, sagte Ernst.
Gespannt waren auch die VfL-Fans, die sich im Doppelpass mit den lautstarken Gladbacher Anhängern zur Höchstform puschten – beste Stimmung auf allen Rängen im fast ausverkauften Rund.
Vor dem Anpfiff.
Denn nach dem 0:1 war von der Unterstützung der VfL-Anhänger schon weniger zu hören, nach dem 0:2 gar nichts mehr, und nach dem 0:3 kippte die anfangs so gute Laune in tiefen Frust. Ein Debakel drohte, in jeder Beziehung.
Denn der VfL zeigte eine unterirdische Leistung in den ersten 45 Minuten. Nichts zu sehen von Schwung, Aggressivität, geschweige denn Kreativität. Fehlpässe, Stock- und Stellungsfehler in Serie. Christoph Dabrowski, gestern im linken Mittelfeld der Raute völlig neben der Spur, war das beste Beispiel für ein Team, in dem keiner zu wissen schien wie ihm geschah. Die Gladbacher spielten mit dem VfL Katz und Maus. Einzig Philipp Heerwagen konnte man keinen großen Vorwurf machen, obwohl auch der VfL-Keeper nach anfangs guten Szenen bei der Flanke vor dem 0:3 nicht gut aussah.
Schlimmer aber waren die Patzer davor. Beim 0:1 durch Arango schlief die komplette Defensive. Beim 0:2 ließ erst Dabrowski den Gladbacher Levels flanken, im Strafraum standen Marcel Maltritz und Anthar Yahia fast so weit weg von Colautti wie das Stadion vom Jupiter. Beim 0:3 wollte wieder niemand Arango an der Flanke und Brouwers am Kopfball hindern. Wo waren sie nur, die VfL-Kräfte? Wo war Pfertzel, wo Maltritz, wo Fuchs?
Klar: Gladbach spielte stark. Aber der VfL ließ die Fohlen um ihre exzellenten Millionen-Einkäufe Arango und Bobadilla auch munter spielen. Wer den Gegner nicht stört, muss sich kaum wundern.
Natürlich sah dies auch Koller, sah, dass „wir nur hinterhergelaufen sind” in der ersten Halbzeit. Er reagierte, brachte Slawo Freier für Dabrowski. Und nach Heerwagens Glanztat gegen Matmour (48.) kam er, der VfL: wie verwandelt.
Freier gefiel als belebendes Element, Mimoun Azaouagh setzte sich endlich zur Wehr – und konnte so seine technische Klase ausspielen. Zwei blitzsaubere Schüsse in den Winkel in nur 48 Sekunden, 1:3, 2:3: Die Bochumer waren wieder da – und die Fans wieder voll auf ihrer Seite.
Durch alle ging ein Ruck. Von den Außenverteidigern Fuchs und Pfertzel kam mehr Druck, auch Joel Epalle wurde immer besser, erst Recht Stanislav Sestak: Die ersten beiden Treffer bereitete der Stürmer vor, dann sorgte der Slowake für eine Notbremse von Dante (Rot/60.) – und als Krönung köpfte er nach präziser Fuchs-Flanke das 3:3. Irre!
In Überzahl blieb der VfL am Drücker, hatte beste Chancen. Der Sieg schien greifbar, letztlich blieb es beim 3:3. Über 90 Minuten betrachtet: ein gerechtes Remis.