Bochum. Die Augen leuchteten und das Herz hüpfte, als Marcel Koller seine Spieler nach der Wanderung zum Gipfel des Säntis abklatschte - ohne Ausnahme. Auch in seinem fünften Jahr als Trainer des VfL Bochum ist der Ehrgeiz des Trainers noch nicht gestillt.
Der Trainer des VfL Bochum wusste, dass er einigen seiner Kicker gerade richtig etwas zugemutet hatte, da oben, auf dem nebelumhangenen und schneebedeckten Gipfel des Säntis, wo der Grat auf den letzten Höhenmetern schmal geworden war zwischen Herausforderung und Überforderung.
Marcel Koller, Schweizer, 48 Jahre alt - das ist seit vier Jahren die Konstante in Bochum. In der Außendarstellung unaufdringlich, nicht selten sogar unscheinbar, bestimmt er, wo es lang geht. Will Koller im Sommer in die Schweiz oder nach Österreich, dann endet die Fahrt auch dort, will er im Winter ins spanische Campoamor, wo sich seine Mannschaft - von der Umwelt abgeschottet - immer mal wieder fit machen muss für einen beinharten Abstiegskampf, dann wird halt hier Quartier genommen.
Es hat nicht lange gedauert nach seiner Ankunft in Bochum, bis das Schulprojekt, das von den Co-Trainern und Spielern Präsenz verlangte, sanft entschlafen war. Wald- und Wiesenspiele gegen heimische Amateurklubs, die sportlich sicher irrelevant, aber für die Bindung des Publikums an einen Klub, der Bindung nötiger hat als andere, wichtig sind, gibt es schon länger nicht mehr. Und wenn der benachbarte Großklub Schalke 04 die zahlende Kundschaft im Sauerland mit seinem Besuch entzückt, dann konfrontiert Koller seine gerade erst wieder ins Trikot geschlüpften Spieler in der Fremde mit dem austrainierten Schweizer Meister.
Koller ist fixiert auf das, was er für das Wesentliche hält. „Charakterschulung” ist so ein Wort, das zu ihm passt, „Teamfähigkeit” ein anderes. Kollers Peitsche, so man davon sprechen will, fühlt sich keineswegs angenehmer an als die von Felix Magath, sie knallt halt nur nicht so laut - weil er seine Unnachgiebigkeit nicht als Mittel der Selbstvermarktung betrachtet, und weil beim VfL Bochum das mediale Echo ohnehin erheblich leiser ist.
Distanz zum Publikum ist größer geworden
Der Mann hat - objektiv betrachtet - Erfolg. Es ist nicht selbstverständlich, dass ein Klub, dessen Jahresertrag deutlich geringer ist als der Profi-Etat in Gelsenkirchen, dauerhaft konkurrieren kann auf höchster Ebene. Andererseits fehlt vielen Bochumern unter dem stets kontrolliert wirkenden Koller ein wenig Nestwärme, vielleicht auch ein Schuss Übermütigkeit bis hin zur Irrationalität. Die Distanz zu einem Teil des Publikums ist größer geworden, und das betrachten viele in Bochum mit Sorge.
Der ARD-Reporterin Nesrin Elnabolsy erzählte der disziplinierte Schweizer kürzlich, dass er durchaus Optimierungspotenzial sehe bei sich selbst. Er will sich künftig „mehr so geben, wie der Mensch Marcel Koller ist”. Und dieser Mensch sei eben „nicht verbohrt” und habe „gerne Spaß”. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Koller in Bochum schafft, was ihm in Köln verwehrt geblieben ist: Seinen Vertrag zu erfüllen und erhobenen Hauptes weiterzuziehen. Sein Ehrgeiz ist jedenfalls noch nicht gestillt. Und das ist kein Spaß.