Wattenscheid. Die SG Wattenscheid 09 schmeißt Dennis Lerche raus – und schwächt sich damit enorm. Was vorgefallen ist, konnte der Klub aber nicht akzeptieren.
Die nüchterne Mitteilung bietet Spielraum für Spekulationen, und der Zeitpunkt dürfte die noch anheizen. Die knappe Begründung, dass die Mannschaft im Fußball über allem steht, aber kein Wort des Bedauerns, obschon die sportlichen Gründe dazu ja Anlass geben könnten. Dafür aber eine Formulierung, die das Ende einer zunächst nahezu romantischen, dann aber in vielen Belangen dramatischen Verbindung unmissverständlich und unwiderruflich beendet: Westfalen-Oberligist SG Wattenscheid 09 hat Angreifer Dennis Lerche freigestellt. Der derzeit beste Angreifer des Tabellenletzten muss damit gehen.
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Vier der sieben Wattenscheider Tore hat der 27-Jährige, der im Januar 2022 vom VfB Frohnhausen zur SGW gekommen war, in den ersten neun Oberliga-Partien erzielt.
Wattenscheid 09: Dennis Lerche wird sportlich fehlen
„Sportlich ist das für uns wirklich schwierig“, betont Sportvorstand Christian Pozo y Tamayo, der auf Anfrage nicht viel mehr sagen möchte. In der Mitteilung des Klubs war zu lesen: „Der 27-Jährige steht der SGW somit nicht mehr zur Verfügung.“ Dennis Lerche hält sich bedeckt: „Ich möchte dazu momentan gar nichts sagen. Ich werde mich zu einem besseren Zeitpunkt äußern.“
Es braucht nur wenig Phantasie, um lesbar zu machen, was zwischen den Zeilen dieser Äußerungen steht. Lerches Rauswurf ist offensichtlich begründet im Verhalten des Angreifers auf und neben dem Platz. Warum sonst sollte der akut abstiegsgefährdete Klub auf den Mann verzichten, von dem sich die Verantwortlichen eine ausgemachte Trefferanzahl erhofft haben?
Aus Mannschaftskreisen ist zu hören, dass sich der Stürmer, der in der Jugend des KFC Uerdingen ausgebildet wurde, respektlos gegenüber Spielern, Trainerteam und Funktionären verhalten haben soll.
Nach den letzten beiden Spielen aneinandergeraten
Nach der 0:5-Niederlage bei Preußen Münster II etwa war er in die Kabine gestürmt, statt sich gemeinsam mit der Mannschaft von den mitgereisten Fans zu verabschieden. Nach der 1:4-Heimniederlage gegen die TSG Sprockhövel hatte er sich zunächst ein Wortgefecht mit Sportvorstand Pozo y Tamayo, anschließend mit Kapitän Marvin Schurig geliefert.
Dem Vernehmen nach hat es Lerche, der stets betont hatte, dass er in den Profifußball möchte, nicht gepasst, dass die SGW keine gestandenen Oberliga-Akteure geholt hatte. Lerche, 2022 selbst aus der Landesliga gekommen und mit einem großen sportlichen Kredit ausgestattet, sei zudem durch Star-Allüren aufgefallen. Damit sei er in der jungen Wattenscheider Mannschaft oft auf Unverständnis gestoßen.
Lerche gilt als emotionaler Spieler, in jeder Hinsicht. Doch in den vergangenen beiden Spielzeiten hatte der 1,87 Meter große und überaus bullige Stürmer sein Temperament häufig nicht im Griff, sah dreimal Gelb-Rot. Es war auch ein Verdienst von Ex-Trainer Christian Britscho, diese Urgewalt zu einem sportlich wertvollen Teil der SG Wattenscheid 09 zu machen.
Lerche wurde Publikumsliebling, Hoffnungsträger, Kultfigur
Denn obwohl Lerche in einer körperlich ungünstigen Verfassung nach Wattenscheid gekommen war, entwickelte er sich zum Mann für die wichtigen Tore. Mit seiner emotionalen Spielweise riss er das Publikum mit, der „Bulle“ (so tauften ihn die Fans) wurde zum Liebling. Auch, weil er in der Aufstiegsrunde zuverlässiger Schütze war. Er erzielte nicht nur den letzten und wohl entscheidenden Treffer beim Saisonfinale im Juni vergangenen Jahres.
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Auf dem Weg zum Aufstieg hatte er beim ASC 09 und daheim gegen Paderborn elementar wichtige Tore erzielt. Auch in der Regionalliga blieb der gebürtige Krefelder ein Garant: In 23 Spielen traf er 13 Mal für eine im Großen und Ganzen nicht konkurrenzfähige Mannschaft.
Aber aufgrund der Schwierigkeiten, die Lerche seinem Klub häufig bereitete, war er bereits seit längerer Zeit im Gespräch. Wattenscheid 09 aber hielt trotz etlicher nachgesagter Verfehlungen an dem treffsicheren Blondschopf fest. Die Tore überdeckten Schwächen, was Fitness und taktisches Verhalten angeht, insbesondere in der Defensivarbeit. Für die Fans dagegen war es kaum zu verstehen, wenn ihr „Bulle“ mal auf der Bank saß – heikel.
Die Trainer hatten schwer zu schaffen
Ex-Trainer Britscho hatte immer wieder durchklingen lassen, wie herausfordernd der Umgang mit Lerche sei, seinem Nachfolger Engin Yavuzaslan platzte schnell der Kragen. Am Dienstag teilten er und der Vorstand dem Spieler die Entscheidung des Vereins mit. Zuletzt soll es seitens der sportlichen Führung ein Ultimatum für Lerche gegeben haben.
Lerche ist seit Dienstag freigestellt, er steht weiter auf der Gehaltsliste der Wattenscheider. Verein und Spieler dürften ein Interesse haben, die Zusammenarbeit auch auf dem Papier zeitnah zu beenden. Denn eine Rückkehr ins Team ist trotz der Abstiegsnot kategorisch ausgeschlossen.
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