Bochum. Agit Kabayel feierte, ließ sich feiern - und schwärmte von Bochum nach seinem EM-Triumph im Ruhrcongress. Der Wattenscheider hat eine neue Hymne.

Kevin Saszik hatte die Halle schon einmal auf Touren gebracht. Zu Herbert Grönemeyers Bochum-Hymne marschierte der Lokalmatador im Ruhrcongress ein, seinen Kampf über sechs Runden gegen den Kroaten Toni Visic gewann der Schwergewichtsboxer nach Punkten. Sein sechster Sieg im sechsten Profikampf. „Danke, Bochum“, rief er ins Mikrofon dem jubelnden Publikum zu. „So ein Event hat es hier noch nicht gegeben, das ist der Wahnsinn. Und jetzt freue ich mich auf den EM-Kampf!“

Nicht seinen eigenen wohlgemerkt. Protagonist des Abends mit insgesamt sieben Kämpfen war ein anderer: Agit Kabayel. Der 30-Jährige trat an, um den EBU-Europameisterschaftstitel im Schwergewicht, den er 2019 freiwillig niedergelegt hatte, zurückzuerobern. Sein Boxstall SES bereitete ihm dafür den perfekten Rahmen: ein Heimspiel für den Wattenscheider mitten im Herzen Bochums.

Kabayel ruft ins Mikro: „Bochum, wir sind jetzt Europameister“

Als Agit Kabayel dann zur Musik seines Cousins, dem Rapper KC Rebell, in die Halle einlief, zeigten die rund 3000 Zuschauer mit lautstarkem Jubel, auf wessen Seite sie stehen. Und Kabayel machte in einem Wahnsinnskampf gegen den Kroaten Agron Smakici (32) mehr als deutlich, dass er in einer anderen Liga unterwegs ist. Er holte sich den EM-Titel durch einen technischen K.o. in der 3. Runde von zwölf angesetzten Runden eindrucksvoll zurück. „Bochum, wir sind jetzt Europameister“, rief er nach seinem Triumph ins Hallenmikrofon.

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„Ich danke euch allen von Herzen, jetzt greifen wir den Weltmeistertitel an.“ Sein Promoter Ulf Steinforth drehte das ganz große Rad: „Ihr habt heute erlebt, wie ein neuer deutscher Box-Star geboren wurde.“ Und adelte noch den Veranstaltungsort: „Ich habe Gänsehaut, ich bin stolz auf alle Menschen hier. Bochum ist jetzt eine Box-Hochburg – wir kommen wieder, und das Bochum-Lied wird ab jetzt Agits Hymne sein.“

Zu dieser überschwänglichen Freude hatte ihn ein beeindruckender Auftritt Kabayels verleitet. „Ein bisschen Rocky-Feeling“, nannte es Kabayel, als er später mit einem blutigen Cut über dem rechten Auge zur Pressekonferenz erschien.

Kabayel fängt sich nach Schlägen auf den Hinterkopf

Nach einer abtastenden ersten Runde war er in der zweiten in einen Schlaghagel seines Gegners geraten. Oder wie sein Trainer Sükrü Aksu monierte: „Agit hat mehrere Schläge auf den Hinterkopf bekommen, das hat der Ringrichter aber nicht gesehen. Da war der Agit weg.“ Kabayel sah kurz schwarz, geriet aus dem Tritt, hing plötzlich in den Seilen.

Durch das Publikum ging ein Raunen. Sollte so das große Heimspiel enden? Doch Kabayel fing sich, bemerkte gar nicht, dass er selbst am Auge blutete, brachte noch ein paar Treffer unter und rettete sich in die Rundenpause. Da hatte sein Trainer längst erkannt: Smakici war platt, völlig übersäuert. „Er hatte sich komplett verausgabt“, sagte Kabayel später. „Er hat gedacht, das reicht. Aber ich kam noch einmal zurück.“

Bereit für einen WM-Kampf: Gerne auch in Bochum

Während Smakici mehr durch den Ring taumelte als einer Kampfstrategie folgte, gelangen Kabayel immer wieder weitere Treffer. Zweimal landete Smakici auf dem Boden, ehe der Ringrichter den Kampf beendete. Sofort stürmte Kabayels Team und Entourage den Ring, ließ den alten und neuen Europameister hochleben. Der zeigte seine Muskeln und warf Küsse ins Publikum. Es war Kabayels 23. Sieg im 23. Profikampf – 15 mal gelang ihm ein Knockout. „Er hat gezeigt, dass er austeilen und auch einstecken kann“, sagte Trainer Aksu stolz. Ganz wie Rocky Balboa in den legendären Box-Filmen.

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Agit Kabayel, der nun in allen Weltverbänden zu den Top 15 gehört, hat seine Chancen auf eine WM-Kampf erhöht. Nach seinem Triumph strotzte Kabayel, der einen Teil seiner Gage für die Erdbebenopfer in der Türkei – der Heimat seiner Familie – spenden will, nur so vor Selbstbewusstsein. „Ich bin ready“, sagte er. „Egal wann, egal ob in England oder in Bochum.“