Bochum. . Spieler des Juggerhaufens Bochum wollen, dass ihr Sport ernst genommen wird. Der Verein ist daher bemüht, sich weiter zu professionalisieren.

Das Startzeichen ertönt. Beide Mannschaften rennen auf einander zu. Ein Mann greift seinen Gegner an, holt blitzschnell mit seinem gepolstertem Stab aus. Der andere will parieren. Zu langsam, Treffer an der Schulter. Der Getroffene kniet sich auf den Hallenboden – ohne Schmerz, ganz freiwillig. Siebeneinhalb Sekunden lang, alles regelkonform. Keinen wuchtigen Schlag hat er abbekommen, nur einen Stupser. Dieses Duell dauert nur Sekunden, wie zeitgleich einige andere. Jugger heißt dieser Mannschaftssport. Er stammt aus der Endzeit.

Wenn Janine Dufeu (Cervisia Ultima, Duisburg) die Kette schwingt, haben Männer wie Frauen gleichermaßen Respekt. Denn Jugger-Teams sind meist gemischt.
Wenn Janine Dufeu (Cervisia Ultima, Duisburg) die Kette schwingt, haben Männer wie Frauen gleichermaßen Respekt. Denn Jugger-Teams sind meist gemischt. © Fabian Strauch / Archiv

Inspiriert ist er von dem Science-Fiction-Film „Die Jugger“ (1989). Meist betreiben Schüler und Studenten diesen Sport, der als Mischung aus Rugby und Fechten gilt. Je fünf Jugger plus einige Auswechselspieler gehören zu einer Mannschaft. Ihr Ziel ist, den Spielball („Jugg“) im gegnerischen Tor, dem „Mal“, zu versenken. Nur der Läufer darf ihn aufnehmen und damit punkten. Dafür hat er keine gepolsterte Pompfe, um sich zu verteidigen. Sein Team muss ihn schützen.

Geringes Verletzungsrisiko

„Er sieht martialisch aus, als wenn wir ordentlich draufknüppeln“, sagt Timo Böhmer vom Trainerstab des Juggerhaufens Bochum. „Doch es geht nicht darum, jemanden durch Stärke zu überwältigen“, betont der 25-Jährige. Getroffen sei man bereits bei einer leichten Berührung, und die Stäbe seien sehr weich. „Verletzungen durch Pompfen gibt es gar nicht“, ergänzt Spieler Tobias Kremer. „Man knickt höchstens beim Laufen mal um“. Körperkontakt gebe es kaum, aber viele Sprints. Zudem ist der Kopf keine Trefferzone.

Obwohl Jugger seit den 90ern besteht und in Bochum seit 2010 betrieben wird, kämpfen die Athleten immer noch darum, ernst genommen zu werden. „Nachwuchs zu bekommen, ist schwierig“, sagt Abteilungsleiter Jonathan Popp. Dabei sind in Bochum die Voraussetzungen gut: Anders als viele deutsche Gruppen ist der Juggerhaufen an einen Verein angebunden, an den Taekwondo-Verein Ilyo Do. Damit ist er im Stadtsportbund, ist versichert und bekommt einfacher Hallen und Sportplätze fürs Training.

Fairness ist unverzichtbar

Jugger - Die etwas andere Sportart

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    Zusätzlich bemüht sich Popp mit dem Hochschulsport der Ruhr-Universität zusammen zu arbeiten, um neue Spieler zu gewinnen. Zudem beteiligt sich der Verein am Ligabetrieb, der über Turniere funktioniert, und richtet im März für die sogenannte Winterliga ein eigenes Turnier aus. Die Mannschaft erhofft sich davon einen höheren Bekanntheitsgrad für Jugger.

    Neuspielerin Christina Meyer (26) hat erst einmal mittrainiert, schwärmt aber bereits für Jugger. „Bei diesem Sport ist niemand voreingenommen“, sagt die Physiotherapeutin, gerade Neulinge würden herzlich aufgenommen, und selbst unter Gegnern sei der Umgang meist sehr freundlich. Das bestätigt Trainer Böhmer: „Dieser Sport funktioniert nur, wenn man dem Gegner vertraut.“ Zwar gibt es Schiedsrichter, doch die teils rasanten Spielzüge verlangen von allen Spielern auf dem Feld gegenseitige Fairness – selbst bei der Deutschen Meisterschaft.

    Gespielt wird meist in gemischten Mannschaften

    Außergewöhnlich ist jedoch, dass viele Jugger in gemischten Teams antreten. „Die Besten sind sogar oft Spielerinnen“, sagt Tobias Kremer und meint etwa die Irin Marion Lieto, die sich auf die Kurzpompfe mit Schild spezialisiert hat. Meyer hat sich noch nicht für eine Pompfenart entschieden, doch der Verein hofft, dass sie gut an der sogenannten Kette ist. Kaum jemand der Bochumer beherrscht diesen großen Schaumstoffmorgenstern. „Die Kette hat die größte Reichweite und bietet einen großen taktischen Vorteil“, weiß Tobias Böhmer, „ihre Spieler sind die Stärksten, gerade im Duell eins gegen eins.“ Doch fehlende Kettenspieler sind nicht das Hauptproblem für den Juggerhaufen, er will grundsätzlich Nachwuchs gewinnen.

    >> Endzeitfilm hinterlässt ein schweres Erbe

    Dass ihre Sportart ernst genommen wird, ist eins der Hauptziele des Juggerhaufens Bochum. Nicht zuletzt, weil er und andere Jugger sich von einer Professionalisierung eine erfolgreichere Nachwuchsarbeit erhoffen. Dass ein Endzeitfilm, in dem mit Waffen und Hundeschädeln gejuggert wird und in dem das Blut spritzt, als Inspiration diente, sei nicht gut zu vermitteln. Da können die Bochumer noch so häufig betonen, dass Jugger ein äußerst fairer Mannschaftssport mit geringem Körperkontakt ist und auch sehr taktisch.

    „In den ersten Sekunden des Spiels wird schon viel entschieden“, weiß Trainer Timo Böhmer. Welche Pompfe haben die Gegenspieler, die genauso auf den Jugg in der Mitte des fast 800 Quadratmeter großen Spielfelds zulaufen? Schafft ein Team Überzahlduelle und kann sein Läufer unbehelligt den Jugg aufnehmen? Was chaotisch aussieht, erschließe sich erst dem geübten Zuschauer. Und das offizielle deutsche Regelwerk wird seit der Anfangszeit verfeinert und jährlich aktualisiert.

    Andere Filmparallelen sind jedoch unproblematisch: So dauert ein Spiel „zweimal 100 Steine“ (á 1,5 Sekunden). Auf der Leinwand werden sie als Uhrersatz an einen Gong geworfen. Bis Jugger als seriöser Sport gilt, ist es noch ein langer Weg – nicht nur in Bochum.

    >>> ZWEIMAL PRO WOCHE TRAINING IN BOCHUM

    • Der Juggerhaufen Bochum hat gut 20 aktive Spieler und trainiert im Winter mittwochs in der Halle der Helene-Lange-Realschule (Feldsieper Straße 94) und freitags in der Halle der Matthias-Claudius-Schule (Weitmarer Straße 115 a), jeweils von 18 bis 20 Uhr.
    • Infos zum Verein gibt es auf jugger-haufen-bochum.de. Über die Sportart Jugger können Interessierte mehr erfahren auf www.jugger.de