Bottrop. Ein Weltmeister weckte Seidels Handball-Leidenschaft. Sein Talent war offensichtlich, zum ganz großen Sprung fehlten ihm nur ein paar Zentimeter.
Als Heiko Seidel zum ersten Mal als Handballer die Sportschuhe schnürte, wusste er noch nichts von dem Glück, das ihn als junger Nachwuchsspieler beinahe per Zufall ereilte. „Ich hatte keine Ahnung, von wem ich da trainiert wurde“, erinnert sich der heutige Trainer des Landesligisten SC Bottrop an seine ersten Tage zurück.
Dass ein Weltmeister im Feldhandball ihm den Weg für eine anschauliche Handballerkarriere ebnete, davon wusste der heute 60-Jährige als frischer D-Jugendlicher noch nichts. Es folgten viele gute und erfolgreiche Jahre auf dem Parkett – erst eine Verletzung bremste Seidel abrupt aus.
Als gebürtiger Duisburger besuchte Heiko Seidel in der Rheinstadt die Schule, hatte bis dahin mit dem Handball keinerlei Kontaktpunkte. „Ich hatte von der Sportart gar keine Ahnung“, beschreibt er. Stattdessen standen Judo und Turnen auf dem Plan.
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„Darin war ich sogar ziemlich gut, es hat aber die letzte Begeisterung gefehlt.“ Stattdessen hatte Seidel schon immer eine Vorliebe für Ballsportarten. „In der Schule gab es damals Fördergruppen. Ich bin dadurch aufgefallen, dass ich gut fangen und werfen konnte. Meine Mutter überließ mir die Wahl, also habe ich das Kreuzchen bei Handball gesetzt.“
Berufung in Auswahlmannschaften
Damit landete Seidel als D-Jugendlicher bei Westende Hamborn. Dort wurde er in jungen Jahren von Walter Schädlich trainiert, der Handballnationalspieler war und im Feldhandball sogar Weltmeister wurde. „Ich bin erst zu einem späteren Zeitpunkt dahinter gestiegen, wer da eigentlich mein Coach war.
Im Nachhinein war das eine tolle Nummer, und in der Zeit dort wurde meine Handball-Leidenschaft geweckt. Und die hält bis heute an.“ Bei Schwarz-Weiß durchlebte er sämtliche Jugendmannschaften und feierte mit ihnen auch einige Erfolge. „Ich wurde für Auswahlmannschaften nominiert. Leider blieb mir das Nationalteam verwehrt, da mir damals gesagt wurde, dass ich hierfür zu klein sei.“
Im ersten Seniorenjahr gelang mit Hamborn schließlich der Aufstieg aus der Kreis- in die Bezirksliga, dann machte er als 20-Jähriger aber doch noch den großen Sprung. „Ich war ziemlich flink und wendig, dazu hatte ich auch etwas Glück“, beschreibt Seidel seinen Wechsel zum MTV Mülheim im Jahr 1981. Der MTV spielte in der Regionalliga – damals noch die zweithöchste deutsche Spielklasse – und stellte eine echte Hausnummer dar.
„Im ersten Jahr musste ich ordentlich rackern, um überhaupt Anschluss zu finden. Insgesamt war es aber eine sportlich attraktive und auch lehrreiche Zeit“, so Seidel, der in Mülheim auf viele Persönlichkeiten im Handball stieß.
„Ich habe auch Daniel Stephan als junges Kind erlebt. Schon damals wurde über ihn gesagt, dass ihm eine erfolgreiche Karriere blühen würde.“ Nach zwei Jahren beim MTV ging es für Seidel weiter zu den Sportfreunden Hamborn. „Es war quasi die Rückkehr in meine Heimat“, sagt er, „die sieben Jahre, die ich bei den Sportfreunden verbracht habe, waren sehr intensiv, aber auch wirklich schön.
Das Interesse am Sport und auch insbesondere am Handball war enorm, die Halle war immer sehr ordentlich gefüllt. Im Schnitt haben wir vor 500 Zuschauern gespielt, bei Topspielen waren es noch deutlich mehr. Mir hat es immer sehr gefallen, vor einem großen Publikum zu spielen.“
Mit Hamborn gegen THW Kiel
Zudem genoss Seidel das Gemeinschaftsgefüge bei den Hambornern. „Man wurde auf dem Wochenmarkt wiedererkannt und auf die nächsten Ligaspiele angesprochen. Das war schon ganz witzig.“ Darüber hinaus gehörte eine Partie gegen den großen THW Kiel zu den absoluten Highlights aus der aktiven Zeit.
Schließlich zog es Seidel weiter zum TuS Lintorf, wo er ebenfalls Oberliga spielte. „Mit Hamborn ging es rauf und runter – für die Oberliga waren wir zu gut, für die Regionalliga zu schlecht. Bei Lintorf bin ich noch einmal auf eine wirklich coole Truppe gestoßen, habe dort ebenfalls tolle Erfahrungen machen dürfen.“ Mit einigen Routiniers im Team mischten Seidel und der TuS die Liga auf, verpassten im direkten Vergleich mit dem TV Cronenberg nur knapp den Sprung in die Regionalliga.
„Bob Hanning hatte zu der Zeit bei Cronenberg eine schlagfertige Truppe um sich, leider hatten wir hauchdünn das Nachsehen“, erinnert sich Seidel zurück. Schließlich nahm Seidels aktive Handballerkarriere ein abruptes Ende, als er einen Bandscheibenvorfall erlitt.
„Ich habe danach einige Zeit gebraucht, um mich wieder zu sortieren“, so Seidel weiter. Doch im Anschluss hat er neue Kapitel aufgeschlagen, der Lebensmittelpunkt wurde nach Bottrop verlegt und der Fokus auf das Dasein als Trainer gelegt. „Das bereitet mir bis heute Spaß.“
Heiko Seidel: Der Handball ist schneller geworden
„Vielleicht wäre ich heutzutage etwas risikofreudiger“, sagt Heiko Seidel mit Blick auf den Handball, wie er heute gespielt wird, so erkennt der heutige Trainer vom SC Bottrop einige Unterschiede zu damaligen Verhältnissen.
Neben den Landesliga-Männern des SC Bottrop coacht der 60-Jährige regelmäßig auch Jugendteams und begleitet die Nachwuchsspieler auf ihrem Weg. „Mittlerweile geht im Handball viel mehr über die Athletik“, so Seidel, „das war damals noch anders. Das Spiel ist ähnlich kampfbetont, es wurde jedoch alles viel schneller. Das Tempo und die Art und Weise ist anders. Auf eben jene Bereiche wird auch in der Jugend, insbesondere in den höheren Spielklassen, immer eher geachtet.“
Seidel würde fast alles wieder ganz genau so machen
Dabei würde der Wahl-Bottroper nach eigenen Angaben die meisten Entscheidungen in seiner Laufbahn gleichermaßen wieder treffen. „Ich war im Grunde sehr zufrieden mit dem Erreichten“, äußert sich Seidel, „etwas traurig war ich darüber, dass ich die Einführung der Schnellen Mitte nicht mehr auf dem Spielfeld miterlebt habe. Ich glaube, dass diese Spielweise, das schnelle Umschaltspiel, sehr zu meinem persönlichen Stil gepasst hätte. Vielleicht hätten sich dadurch noch einmal andere Gelegenheiten ergeben.“
Einzig in Sachen Risikobereitschaft würde Heiko Seidel heutzutage möglicherweise anders entscheiden, hätte er noch einmal die Chance dazu. Tatsächlich öffnete sich damals eine Tür für ihn, die Seidel jedoch nach reiflicher Abwägung eigenhändig zuschlug.
Ein Wechsel zum OSC Rheinhausen als Spieler kam nicht zustande – dabei hätte ein solcher Heiko Seidel womöglich bis in die Bundesliga gebracht. „Der OSC war damals das Aushängeschild, hat es bis in Liga eins geschafft. „Vielleicht wäre ich in diesem Fall heute risikofreudiger und würde auf dieses Abenteuer eingehen.“
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