Das Bezirksportgericht beruft sich im Urteil auf eine aus der Zeit gefallene Spielordnung und versagt im Kampf gegen Gewalt auf Fußballplätzen.
Formaljuristisch ist das Urteil absolut korrekt. Hans-Günter Drießen, Vorsitzender des Bezirkssportgerichts, hat dem SC 20 Oberhausen am Donnerstag die Punkte für das abgebrochene Spitzenspiel der Bezirksliga zugesprochen und den VfB Bottrop zu einer Strafe von 200 Euro verdonnert.
Der Schuldspruch ist im Einklang mit der Rechts- und Verfahrensordnung des Westdeutschen Fußballverbandes. Und genau das ist der Skandal. Ein unfassbarer Vorgang, weil das Bezirkssportgericht ein umfassendes Bild von den Geschehnissen am 4. März hatte, als es sein Urteil fällte. Die Fakten wurden ihm auf dem Silbertablett serviert. Fast drei Stunden lang waren neben den Vereinsvertretern auch der Schiedsrichter, die Zeugen, die Beschuldigten und das Opfer gehört worden.
SC-Vorsitzender droht dem VfB schon vor dem Spiel eine Tracht an
Das Gericht erfuhr, dass Thorsten Möllmann, Vorsitzender des SC 20 Oberhausen, dem VfB Bottrop schon vor dem Spiel öffentlich und medienwirksam eine Tracht angedroht hatte. Es erfuhr, dass der Verein trotz einer erwarteten Kulisse von 2000 Zuschauern nicht mehr als ein dutzend Ordner stellte und damit eine Pflichtverletzung beging.
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Festgestellt wurde auch, dass der Tritt eines Zuschauers gegen den Kopf eines Bottroper Spielers kein Zufall oder Versehen war, sondern ein mit Absicht ausgeführter Angriff, bei dem das Opfer dank glücklicher Fügung nur mit einem Schock und einer Schädelprellung davonkam. Und das Gericht erfuhr, dass die Spieler des VfB Bottrop auf der Sportanlage um Leib und Leben fürchteten, weil die Situation rund um das Spielfeld noch weiter aus dem Ruder zu laufen drohte.
Es gab noch andere Dinge, die sich am Donnerstag im Schulungsraum 3 der Sportschule Wedau abspielten. So präsentierte der SC 20 Oberhausen das fragwürdige Ergebnis seiner internen Ermittlungen. Vor allem auch, weil Thorsten Möllmann im Vorfeld angekündigt hatte, seinen Hut als Vorsitzender des SC 20 zu nehmen, sollte es dem Verein nicht gelingen, den Schuldigen ausfindig zu machen.
Thorsten Möllmann bleibt seinen Rücktritt schuldig
Nur: Der Mann, der dem Gericht präsentiert wurde, war überhaupt nicht der Täter. Schiedsrichter Yunis Daran enttarnte die Nebelkerze des Oberhausener Vereins mit den Worten, dieser Mann sei es nicht gewesen, der wahre Täter habe längere Haare gehabt und eine andere Jacke getragen.
Möllmann brach am Donnerstag aber nicht nur sein Wort, sondern er benahm sich vor Gericht auch komplett daneben. Nach der Zeugenbefragung von Kudret Kanoglu hielten ihn nur ein fester Handgriff und strenge Worte von Vereinsanwalt Ralf Bockstedte davon ab, dem Kapitän des VfB direkt an die Gurgel zu springen. Hans-Günter Drießen drohte damit, die Verhandlung abzubrechen [sic!].
Dass nach all diesen Vorgängen ein Urteilsspruch vorgelesen wird, der den VfB Bottrop zum Schuldigen und Leidtragenden macht, ist unverständlich und tragisch. Der eigentliche Skandal ist aber ein anderer. Denn der Vorgang macht vor allem eins deutlich: Der Fußballverband ist entweder nicht Willens oder nicht in der Lage, ein Zeichen gegen die zunehmende Gewalt auf Fußballplätzen zu setzen.
Das Bezirkssportgericht drückt sich um die entscheidenden Fragen
Dieses Urteil zeigt, dass die Organe des organisierten Fußballs auf die essenziellen Fragen keine Antwort finden, dass sie versagen, sich lächerlich und überflüssig machen. Dass die Spielordnung dringend überarbeitet werden muss. Die Botschaft, die von diesem Urteil ausgeht, ist besorgniserregend.
Welcher Fußballer kann sich noch sicher fühlen in Spielen, die von unfähigen Vereinen organisiert werden? Welche Daseinsberechtigung haben Rechtsorgane, die nicht in die Lage versetzt und damit beauftragt werden, effektiv gegen Gewalt auf Fußballplätzen vorzugehen?
Der nächste Vorfall auf der Sportanlage des SC 20 Oberhausen ist nur eine Frage der Zeit. Die „Rechtsorgane“ des Westdeutschen Fußballverbandes werden Mitschuldige daran sein.
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