Mülheim. Ein Vertrag sichert Bürge Werner Krüger sämtliche Einnahmen zu – im Mülheimer Club gibt es Widerstand. Große Teile des Vorstands zurückgetreten.

Fast dreimal so viele Renntage wie noch 2017, die Rückkehr wichtiger Rennen nach Mülheim und die Heimat des schnellsten Pferdes der Welt – seit der Rennclub Mülheim zu Beginn des Jahres 2018 die Regie auf der Mülheimer Galopprennbahn übernommen hat, herrscht am Raffelberg eitel Sonnenschein. Doch hinter den Kulissen tobt ein Machtkampf.

Wer die Internetseite des Rennclubs studiert, bekommt dort noch immer ein sechsköpfiges Präsidium aufgelistet. Am Dienstag gaben die Mülheimer aber bekannt, dass der Verein mit Beginn der Turfsaison 2022 nur noch von Werner Krüger (Geschäftsführung, Finanzen und Rennbetrieb) und Dr. Michael Bergmann (Wettbetrieb) geführt wird. Vizepräsident und Ex-Geschäftsführer Günther Gudert sei aller Kompetenzen enthoben worden.

Drei Vorstandsmitglieder sind schon lange nicht mehr dabei

In Wahrheit aber sind die drei restlichen ehemaligen Vorstandsmitglieder – der bisherige Präsident Karl-Dieter Ellerbracke, Hans Bierkämper und Jürgen Meyer – schon seit vielen Monaten nicht mehr für den Rennclub aktiv. Über die Gründe gibt es unter den Beteiligten widersprüchliche Auffassungen. Daraufhin wurde Werner Krüger kommissarisch zum Präsidenten – eine Position die es laut Satzung aber nicht gibt.

2018 agierten sie noch Seite an Seite: Jürgen Meyer, Karl-Dieter Ellerbracke, Hans Bierkämper, Werner Krüger, Günther Gudert und Dr. Michael Bergmann (v.l.).
2018 agierten sie noch Seite an Seite: Jürgen Meyer, Karl-Dieter Ellerbracke, Hans Bierkämper, Werner Krüger, Günther Gudert und Dr. Michael Bergmann (v.l.). © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Wer ist Werner Krüger? Der Berliner ist Gründer und Chef der Germania Petrol GmbH, einem Mineralöl-Großhandel mit einem Jahresumsatz von mehreren hundert Millionen Euro. Seit Anfang der 90er Jahre ist er auch im Galopprennsport aktiv.

Krüger bürgte bei der Gründung für einen Millionen-Kredit

Krüger hat bei der Gründung des Rennclubs für einen Kredit bei der Sparkasse in Höhe von 1,6 Millionen Euro gebürgt. „Ich habe den Rennsport in Mülheim gerettet und kein anderer, sonst wäre er platt gewesen“, sagt Krüger.

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Neben ihm habe nur ein weiteres Vorstandsmitglied, ein Unternehmer aus Dortmund, Geld zur Verfügung gestellt. Die Rede ist von einem 260.000 Euro-Darlehen. „Die anderen sind nicht mit einem Euro eingestiegen.“

Teile der Mitglieder befürchten eine Abhängigkeit

„Zu meiner Absicherung hat der Rennclub bei Gründung alle seine gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen an mich abgetreten und übertragen sowie seine gegenwärtige und zukünftige Betriebs- und Geschäftsausstattung an mich übereignet“, schreibt Krüger in einem Brief an die Mitglieder vor der im Dezember ausgefallenen Mitgliederversammlung.

Der Raffelberg von oben. Die Stadt verlangt als Pacht für die Anlage nur einen Betrag von 5000 Euro.
Der Raffelberg von oben. Die Stadt verlangt als Pacht für die Anlage nur einen Betrag von 5000 Euro. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Krüger weiter: „Um dem Rennclub das Überleben und ein eigenständiges Wirtschaften zu ermöglichen, habe ich dem Rennclub die Betriebs- und Geschäftsausstattungen zur Nutzung überlassen.“ Dies sei jederzeit wiederrufbar.

Ex-Pressesprecher: „Wir sind aus allen Wolken gefallen“

In den Augen Krügers ist das ein ganz normaler Vorgang, andere fielen aus allen Wolken, als sie davon erfuhren. „Jeder Cent geht an Herrn Krüger. Mit diesem Vertrag hängen wir jetzt am Tropf eines Einzelnen und stehen fast schlimmer da als unter Herrn Schmitz“, bemängelt Thorsten Danz, der beim Rennclub für Marketing und PR zuständig war. Ralf Schmitz ist Betreiber des angrenzenden Golfclubs und saß jahrelang im Vorstand des ehemaligen Rennvereins Raffelberg und machte dort bisweilen seinen Einfluss geltend.

„Dann soll er doch Geld reingeben“, kontert Krüger und ergänzt: „Ich habe kein Interesse daran, dem Rennverein in irgendeiner Form zu schaden.“ Er werde seine Kredite mit Sicherheit nicht fällig stellen. „Denn dann wäre der Verein pleite“, betont er. Auch der zweite Geldgeber aus dem Vorstand werde „stillhalten“.

Wurden Arbeiten nur nach Belieben Krügers durchgeführt?

Krügers interne Kritiker bemängeln , dass Arbeiten auf der Anlage nur nach seinem Belieben durchgeführt worden seien. Vieles Wichtige sei trotz Vorstandsbeschlüssen liegengeblieben – Wohnungen etwa oder Stroh- und Heulager.

„Der alte Gutshof sieht aus wie eine Ruine“, beklagt Günther Gudert. Am Waagegebäude stünde seit sieben Monaten ein Gerüst für die Dachreparatur.

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„Die Verzögerung liegt an der Untätigkeit von Herrn Gudert“, schiebt Werner Krüger die Verantwortung zurück. Der damalige Geschäftsführer soll lediglich ein Angebot eines befreundeten Unternehmens eingeholt haben. „Auf ein zweites Angebot warte ich bis heute“, sagt Krüger. Dabei habe Gudert zwei Firmen aus dem Rennsport an der Hand gehabt, die die Arbeiten kostenlos erledigt hätten. „Herr Krüger sollte mal seine eigenen Vorstandsprotokolle lesen“, sagt Gudert. So geht es fröhlich hin und her.

Diskussionen über die zukünftige Nutzung der Mülheimer Rennbahn

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Krüger argumentiert damit, 160 Boxen für die immer weiter steigende Anzahl an Pferden am Raffelberg renoviert zu haben. Er gesteht allerdings ein, für die Renovierung und den Ausbau eines Sechs-Boxen-Stalls auf dem Hof von Trainer Yasmin Almenräder von der Bauaufsicht „einen auf den Deckel“ bekommen zu haben, weil keine Baugenehmigung vorlag. Dies sei mittlerweile nachgeholt worden.

Der zweite Zwist entzündete sich an den unterschiedlichen Vorstellungen über die Nutzung der Anlage. Krüger holte die Veranstaltungsfachfrau Ann-Kathrin Schweres vom Direktorium für Vollblutzucht und Rennen nach Mülheim, um andere Events auf der Rennbahn zu etablieren. Nach eineinhalb Jahren wurde ihr mit 5:1 Vorstandsstimmen gekündigt. Wegen Erfolglosigkeit heißt es. Im Nachhinein stellte sich laut Gudert und Danz heraus, dass Schweres während der Arbeitszeit auch für den Gelsenkirchener Trabrennverein gearbeitet haben soll. Schweres bestreitet das.

Krüger: „Nur mit Rennbetrieb allein kann man die Anlage nicht betreiben“

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Seit Montag arbeitet sie als rechte Hand von Werner Krüger erneut für den Rennclub. Ihr Chef, ein Soul-Fan, plant mehrere Musikveranstaltungen in diesem Jahr, um Zusatzerträge zu erwirtschaften. „Nur mit Rennbetrieb allein kann man die Anlage nicht betreiben. Andere machen auch Trödelmärkte, Oktoberfeste oder Weihnachtsveranstaltungen“, betont Krüger.

„Die Trainerinnen und Trainer laufen uns Sturm“, merkt Thorsten Danz an und sieht den eigentlichen Satzungszweck des Rennclubs bedroht. Das sieht Werner Krüger freilich nicht so. „Wir kommunizieren mit den Trainern und bei uns stehen die Pferde an erster Stelle“, bekräftigt er. Es sei sogar ein Lärmgutachten erstellt worden, um zu ergründen, inwiefern die Musikevents den Tieren schaden könnten.

Vize-Präsident Günther Gudert wird ausgesperrt

Spätestens seit dem Ärger um Ann-Kathrin Schweres hätten sich die Wege speziell zwischen ihm und Günther Gudert getrennt, sagt Krüger. Gudert habe selbst später mehrere kleinere Veranstaltungen auf eigene Faust organisiert. „Davon habe ich erst im Nachhinein erfahren“, so Krüger. Im September sollte Guderts Firma als Geschäftsführung abbestellt werden. Der Kettwiger erfuhr aber davon, so dass er und seine Frau noch vorher kündigten.

Günther Gudert war bis September Geschäftsführer des Rennclubs Mülheim. Noch immer kämpft er für die Zukunft der Rennbahn.
Günther Gudert war bis September Geschäftsführer des Rennclubs Mülheim. Noch immer kämpft er für die Zukunft der Rennbahn. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Gudert führte dennoch noch die letzten drei Renntage des Jahres durch. Dabei war Krüger seit September auch Geschäftsführer. „Bis zum Jahresende hat er nichts gemacht“, schimpft Gudert.

Mittlerweile ließ Krüger die Schlösser im Büro auswechseln. Die Mitarbeiterinnen sind zudem instruiert worden, keine Informationen mehr an Gudert und Danz weiterzugeben.

Jahreshauptversammlung wird über die Zukunft entscheiden

Die beiden Ausgebooteten geben noch nicht auf: Thorsten Danz hat offenbar genügend Mitglieder für eine außerordentliche Mitgliederversammlung zusammengetrommelt. Gudert soll bereits eine Bankbürgschaft besorgt und ein mögliches neues Vorstandsteam zusammengestellt haben.

Gleiches gilt für Krüger, der das Präsidium aber auf maximal vier Personen reduzieren möchte. Neben ihm und dem verbliebenen Vize-Präsidenten Dr. Michael Bergmann soll dazu auch Bernd-Robert Gossens, Unternehmer aus Issum, gehören sowie ein namentlich noch nicht genannter Trainer oder eine Trainerin vom Raffelberg. „Die Fachkenntnisse, die sonst noch erforderlich sind, werden wir uns durch Outsourcing besorgen“, verspricht der Berliner.

Wem folgen die Mitglieder des Rennclubs Mülheim?

„Auch wenn er gewinnt, wollen wir auf jeden Fall ein Kontrollgremium installieren, das ihm auf die Finger guckt“, kündigt Thorsten Danz an.

Bleibt die Frage, wem die Mitglieder folgen und ob der Rennclub ohne das Geld Werner Krügers überhaupt eine Zukunft hat.