Bottrop. Schalke 04 hat eine Frauenfußball-Abteilung gründet. Warum BW Fuhlenbrock nun ganz von vorn beginnen muss.
Gleich sieben Spielerinnen des SV Blau-Weiß Fuhlenbrock konnten dem Lockruf des FC Schalke 04 nicht widerstehen. Sie bewarben sich beim Sichtungstraining für einen Platz in den beiden Mannschaften, die ab der kommenden Saison in der Kreisliga A antreten werden. Vier dieser Spielerinnen schickten dem SV Blau-Weiß Fuhlenbrock im Anschluss die Abmeldung. Für den SV ist das gleichbedeutend mit dem vorläufigen Aus im Frauenfußball. Der Klub versuchte bis Mittwoch vergeblich, die Abgänge zu kompensieren, sieht sich nun aber dazu gezwungen, seine Landesliga-Mannschaft vom Spielbetrieb abzumelden. Bei Trainerin Mirsada Hoffmann-Kovac kullerten die Tränen, Vereinsvorsitzender Winfried Junker ist wütend: „Ich habe einen Hals auf Schalke.“
Gleich im ersten Jahr dabei zu sein, wenn der FC Schalke 04 nach fast 40 Jahren Abstinenz seine Schritte im Frauenfußball fortsetzt. Das Trikot des Lieblingsvereins zu tragen, nicht nur als Fan, sondern als Spielerin. Der große Name, das öffentliche Interesse: Natürlich kann Winfried Junker die Beweggründe seiner ehemaligen Spielerinnen nachvollziehen.
Junker kann die Beweggründe der Spielerinnen nachvollziehen
Aber: „So war das nicht abgemacht. Der FC Schalke hatte öffentlich kommuniziert, seine Frauenabteilung nur mit vereinslosen Spielerinnen gründen zu wollen.“ Der Vorsitzende des SV Blau-Weiß Fuhlenbrock wunderte sich deshalb auch über einen Beitrag des ARD-Morgenmagazins: „In dem Fernsehbeitrag habe ich auf dem Schalker Trainingsplatz eine Spielerin im Fuhlenbrock-Trikot gesehen. Da war mir klar, dass Probleme auf uns zukommen würden.“
Peter Knäbel, Direktor der Schalker Knappenschmiede, bezeichnete das Sichtungstraining mit weit mehr als 200 Anmeldungen als Meilenstein und erklärte im vereinseigenen Schalke TV seine Freude darüber, dass „Frauen, die keinen Verein haben, gerne unter der Flagge von Schalke 04 spielen möchten.“
Auch aufgrund dieser Worte hatte BW Fuhlenbrock keine Einwände, als Spielerinnen eine Genehmigung für ein Probetraining auf Schalke einforderten. „Wir wollten den Spielerinnen nicht die Möglichkeit nehmen, dort einmal zu trainieren. Schalke hatte ja erklärt, kein Interesse an Vereinsspielerinnen zu haben“, sagt Fuhlenbrocks Geschäftsführerin Christiane Weidemann.
Fuhlenbrocks Rettungsversuche laufen ins Leere
In den letzten Wochen versuchte Winfried Junker zusammen mit Christiane Weidemann und Trainerin Mirsada Hoffmann-Kovac, das Ruder noch einmal herum zu reißen. Das Trio konnte aber weder die Spielerinnen von einem Verbleib im Klub überzeugen, noch gelang es, rettende Kooperationen mit anderen Vereinen einzugehen. „Dazu blieb uns auch viel zu wenig Zeit“, so Junker.
Eine Zusammenarbeit mit Fortuna Bottrop und einem Essener Klub wurden diskutiert. Aus Rheinbaben gab es eine Absage, aus Essen die ernüchternde Meldung, dass lediglich zwei Spielerinnen dazustoßen könnten.
BW Fuhlenbrock bleibt nicht einmal eine Kreisliga-Mannschaft
„Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht und bis zum Schluss gekämpft. Wir sind in Bottrop seit Jahrzehnten die treibende Kraft im Frauenfußball. Doch damit ist jetzt leider Schluss. Wir haben uns heute schweren Herzens dazu entschlossen, das Landesliga-Team zurückzuziehen. Wir sind nicht einmal in der Lage, eine Kreisliga-Mannschaft nachzumelden“, sagte Junker am Mittwoch.
Und dieser letzte Punkt treibt auch Christiane Weidemann die Zornesröte ins Gesicht: „Dass wir jetzt nicht einmal ein Kreisliga-Team haben, liegt daran, dass der FC Schalke sein Sichtungstraining zu einem unmöglichen Zeitpunkt abgehalten hat. Der Termin lag nämlich hinter unserem Meldeschluss. Wir hatten unser Landesligateam schon angemeldet, dann kommt Schalke mit seinem Sichtungstraining und bei uns flattern die Abmeldungen ins Haus.“
Verständnis für die Spielerinnen, die sich Schalke anschließen wollen, hat Christiane Weidemann nicht: „Eine sportliche Herausforderung kann ich da nicht erkennen. Für mich ist es unbegreiflich, dass man nur für ein Vereinsemblem den Abstieg in die Kreisliga in Kauf nimmt.“
Peter Knäbel, Direktor der Schalker Knappenschmiede, stellt zum Status quo fest: „Fakt ist, dass in keiner der Schalker Frauenfußball-Mannschaften Spielerinnen spielen, die vormals beim SV Blau-Weiß Fuhlenbrock gespielt haben oder die den SV Blau-Weiß Fuhlenbrock verlassen haben, um für den FC Schalke 04 aktiv zu sein. Zu Interna und internen Vorgängen anderer Vereine können und werden wir uns nicht äußern.“
Die wechselwilligen Spielerinnen werden wegen der bereits abgelaufenen Wechselfrist in den kommenden Monaten auch gar nicht für Schalke 04 spielen können. Sie sind bei einem Vereinswechsel nämlich bis zum 1. Januar 2021 gesperrt.
Auf Jacobi bleibt von der ganzen Abteilung nur noch eine Trainingsgruppe übrig
Während der FC Schalke 04 zur neuen Saison ein Team „Blau“ und ein Team „Weiß“ in der Kreisliga an den Start schickt, beginnen die Fuhlenbrocker nach Jahrzehnten erfolgreicher Arbeit wieder ganz von vorn. Sieben Spielerinnen hatten am Probetraining auf Schalke teilgenommen, vier meldeten sich im Anschluss ab.
„Wir haben jetzt nur noch eine Trainingsgruppe“, sagt Christiane Weidemann. Die Geschäftsführerin hat die Leitung dieser Gruppe mit dem Ziel übernommen, bis zur nächsten Saison wieder eine Kreisliga-Mannschaft auf die Beine zu stellen. Optimistisch stimmt die Vorarbeit der vergangenen sechs Monate, in der die Fuhlenbrocker fünf Anfängerinnen für den Fußballsport gewinnen konnten. Weidemann: „Aktuell steht bei uns nur die Gemeinschaft und der Spaß am Spiel im Vordergrund. Der Leistungsgedanke spielt jetzt erst einmal keine Rolle. Alle, die Interesse haben, sind bei uns jederzeit willkommen.“
Mirsada Hoffmann-Kovac, die viele Jahre die Landesliga-Mannschaft trainierte, bleibt dem Klub erhalten, wenn auch vorerst nur als Trainerin der E2-Junioren.