Kiel. . Der Handball-Rekordmeister hat den Stolperstart einkalkuliert. Wenn sich das neue Team im Herbst aber gefunden hat, soll es keine Wackler mehr geben. Topspieler Filip Jicha warnt allerdings: „Wir gewinnen nicht dadurch, dass wir einfach das schwarz-weiße Trikot überstreifen.“

„Oh ha“, sagte Patrick Wiencek. „Wenn wir mit 0:4-Punkten in die Serie gestartet wären“, sagte der Kreisläufer des THW Kiel mit ironischem Grinsen, „dann wäre ja in ganz Deutschland die Krise ausgebrochen“. Die Aufgeregtheit, die nach der spektakulären Auftaktniederlage in Lemgo (21:27) herrschte, hatten die Profis des Handball-Rekordmeisters verwundert zur Kenntnis genommen. „Dabei ist es doch das gleiche wie im letzten Jahr“, sagte THW-Coach Alfred Gislason. „Damals sind wir doch auch von einer Blamage an der nächsten knapp vorbeigeschrammt.“ Auch der Isländer lächelte, als das Gespenst des schlechtesten Saisonstarts seit 1989 verscheucht war.

Die gute Laune hatte der 30:26 (13:15)-Heimsieg im Derby gegen die SG Flensburg-Handewitt produziert, dieses gewohnt intensive Duell zwischen Meister und Champions League-Sieger, vor über 10 000 heißblütigen Fans in der Kieler Arena.

„Ich habe diese Atmosphäre genossen, zum ersten Mal durfte ich in dieser Arena erleben, wie viel Rückenwind einem die Fans geben können“, sagte Domagoj Duvnjak, der aktuelle Welthandballer, der im Sommer vom HSV Handball an die Kieler Förde gewechselt war. „Bei mir und der Mannschaft insgesamt ist noch Luft nach oben, wir müssen uns erst finden und können besser spielen.“

Der stärkste Rückraum aller Zeiten

In der Tat hatte der THW Kiel spielerisch nicht vollends überzeugt. Das Versprechen, mit den Verpflichtungen Duvnjak, Joan Canellas (ebenfalls aus Hamburg) und Linkshänder Steffen Weinhold (aus Flensburg) über den nominell vielleicht stärksten Rückraum aller Zeiten zu verfügen, konnten die „Zebras“ noch nicht erfüllen. Wie denn auch, erwiderte Trainer Gislason: „Ich habe die Jungs in der Saisonvorbereitung wohl etwas zu hart rangenommen.“

Neben Duvnjak ist auch der Spanier Canellas noch weit von seiner Bestform entfernt, auch ihm fehlt noch die Spritzigkeit. Allein Weinhold, der gegen seinen Ex-Klub mit sechs Toren der beste Spieler auf dem Feld war, ist physisch schon voll auf der Höhe. „Steffen ist ein Vollprofi“, lobte ihn Gislason. Er spiele so, als ob er schon seit Jahren beim THW sei. „Die Kieler Spielsysteme kenne ich ja schon lange, so oft, wie ich mich auf den THW vorbereitet habe“, sagte Weinhold.

Allein in diesen ersten Wochen der Serie werde der THW verwundbar sein, glaubt SG-Coach Ljubomir Vranjes. Speziell in den drei Auswärtsspielen in Hamburg (Sonntag), in Balingen (3.9.) und bei der aufstrebenden HSG Wetzlar (5.9.). „Aber wenn diese Mannschaft dann ins Rollen gekommen ist, im Oktober oder November, dann sehe ich eigentlich niemand, der den THW stoppen kann.“ Zu stark besetzt ist der Kader, der von Kapitän Filip Jicha angeführt wird.

Eine Drohung mit einem Lächeln

Wie kein anderer verkörpert der älteste THW-Profi die Siegermentalität beim Serienmeister – gegen die SG-Abwehr schien er mit seinem starken Körper fast bersten zu wollen. Sie müssen die vielen Titel der letzten Jahre vergessen, fordert der Tscheche. „Wir dürfen nicht an die Vergangenheit denken“, sagte Jicha. „Wir gewinnen nicht dadurch, dass wir einfach das schwarz-weiße Trikot überstreifen.“

Jicha also warnt und mahnt, wie eh und je, harte Arbeit an, er spricht schon wie ein Trainer. Das Statement des jüngeren Kollegen Aron Palmarsson fiel lässiger aus. „Ich schwöre Euch“, prognostizierte der 24-jährige Regisseur aus Island, „in ein paar Monaten werden die Neuen sich an unser Spiel gewöhnt, und dann wird unser Angriff wie eine Maschine laufen.“ Und als er diese Drohung aussprach, lächelte auch er.