Essen. Selbstvertrauen lässt sich nicht messen. Nicht in Zentimeter, nicht in Liter, nicht in Minuten. Dennoch ist klar, dass drei Siege und zwei Unentschieden weit weniger Vertrauen in die eigenen Fähig- und Möglichkeiten bringen als: 30 Niederlagen. Mark Dragunski, der neue Trainer des Handball-Zweitligisten Tusem Essen, aber kann davon ausgehen, dass Julius Kühn mit ausreichend Selbstvertrauen zum ersten Training erscheinen wird.
Die Saison ist gerade erst vorbei. Während die meisten Spieler des Tusem Urlaub machen, abschalten, den Abstieg aus der 1. Bundesliga gedanklich verarbeiten, hat Kühn (20) dazu wenig Zeit. Er geht das ganze praktisch an. Er gehört zum Aufgebot der Deutschen Junioren-Nationalmannschaft, die ab dem 14. Juli in Bosnien-Herzegowina an der Weltmeisterschaft teilnimmt. Am letzten Juni-Wochenende nahm das Team von Trainer Markus Baur an der Airport-Trophy teil, belegte hinter Spanien Platz zwei. Seit Mittwoch war das Team im Trainingslager, an diesem Wochenende standen zwei Testspiele gegen die Schweiz an.
Anfang der vergangenen Woche hatte Kühn drei Tage frei. Mehr als Wäsche tauschen, etwas durchatmen war nicht drin. „Dafür macht man es gerne“, sagt Kühn, der beim Nationalteam eben auch frisches Selbstvertrauen sammeln kann. Mit dem Tusem war er in der abgelaufenen Spielzeit immer Außenseiter. Das Juniorennationalteam dagegen ist immer Favorit und sehr erfolgreich, war 2007 WM-Zweiter, 2009 und 2011 jeweils Weltmeister „Stimmt“, sagt Kühn, „viele Spiele haben wir nicht mit Essen gewonnen. Aber man nimmt aus dieser Saison in der 1. Bundesliga dennoch ganz viel mit. Wir haben daraus gelernt. Natürlich ist es etwas anderes, wenn man mit Deutschland unterwegs ist und ein klares Ziel vor Augen hat.“ Den Weltmeister-Titel.
„Weltmeister zu werden wäre natürlich optimal“
Nachdem das A-Team aber die Qualifikation für die Europameisterschaft nicht geschafft hat, sind die Verantwortlichen auch beim U-Team zurückhaltender. Zumal das Team von einer Diskussion begleitet wird, die schon älter ist als Kühn. Die deutschen Talente bekommen in der Bundesliga bei den Spitzenteams kaum Spielanteile. In Essen aber setzten sie zwangsläufig auf Jungs wie Kühn. Wir haben kein Geld, aber Talente. Für Juniorennationaltrainer Baur macht es die Arbeit nicht leichter, weil die Ansprüche trotz der bekannten Problematik sehr hoch sind.
„Weltmeister zu werden wäre natürlich optimal“, sagt Kühn. „Diesmal aber werden wir kein Plakat aufhängen, auf dem genau dieses eine Ziel formuliert ist. Markus Baur macht das eher so wie ein Vereinstrainer. Wir gehen von Spiel zu Spiel. Er ist ein sehr erfahrener Mann, der immer wieder kleine Nadelstiche setzt, um uns zu motivieren.“
Bei Kühn macht er das dadurch, dass er ihm viele Spielanteile gibt. „Ich sehe meine Rolle im Nationalteam ganz klar“, sagt Kühn. „Ich bin im linken Rückraum gesetzt, decke im Innenblock. Ja, ich bin Stammspieler.“ Eine Chance, die er nutzen will. Deshalb hörte er zuletzt besonders intensiv in seinen Körper. „Ich hatte wieder Probleme mit der Schulter. So wie in der Saison auch immer wieder. Ich dachte, das kann nicht wahr sein. Aber es war wohl nur Muskelkater, weil wir vor den Ländersielen etwas frei Zeit hatten. Jetzt geht es wieder. Ich mache mir da zumindest keine Gedanken mehr.“ Das hört sich nach gesundem Selbstvertrauen an.