Saragossa. Die Liga des nächsten deutschen WM-Gegners kämpft mit Problemen. Die Krise im spanischen Klubhandball, die schon 2010 zu erkennen war, hat sich noch zugespitzt. Heutzutage gibt es keinen Verein, der Spitzenhandball auf europäischem Niveau ohne großen Mäzen refinanzieren kann.

Es herrschte eine Stimmung wie in einer Stierkampfarena. Als Spanien, der Gastgeber der 23. Handball-WM, im Achtelfinale Serbien mit 31:20 bezwang, standen die 11 500 Fans auf den Rängen des Pavillon Prinz Felipe, schmetterten ihre Gesänge und schwenkten rotgelbe Fahnen über den Köpfen. Im Viertelfinale gegen Deutschland (Mittwoch, 19 Uhr, ARD live) soll die Fiesta eine Fortsetzung finden. Die Fans sind euphorisch.

Dabei herrscht im spanischen Handball ansonsten Ernüchterung. „Das ist der schlechteste Zeitpunkt, den man sich überhaupt vorstellen konnte“, sagt nicht nur Talant Dushebajew, Trainer des Spitzenklubs Atlético Madrid.

Spitzenklubs hängen am Tropf

Als 2010 feststand, dass erstmals eine Weltmeisterschaft auf spanischem Boden ausgetragen werden sollte, war die Hoffnung groß, damit ihrer Sportart zu neuen Ufern zu verhelfen. Denn Handball führt ein Mauerblümchendasein in Spanien. Nur rund 50 000 Mitglieder hat der spanische Verband. Aber jedwede Hoffnung ist bisher enttäuscht worden. Über die Heim-WM wird kaum berichtet. Die Sportzeitung „Marca“ etwa widmet dem Ereignis meist nur zwei Seiten, ganz am Ende ihrer 64-seitigen Ausgaben. Auch die vage Erwartung, mit finanzkräftigen WM-Sponsoren neue Förderprogramme auflegen zu können, ist enttäuscht worden.

Und die Krise im spanischen Klubhandball, die schon 2010 zu erkennen war, hat sich noch zugespitzt. Heutzutage gibt es keinen Verein, der Spitzenhandball auf europäischem Niveau ohne großen Mäzen refinanzieren kann.

Allein der FC Barcelona, der mit Torwart Arpad Sterbik, Spielmacher Dani und Rechtsaußen Rocas wichtige Stützen im Team von Valero Rivera stellt, ist finanziell konkurrenzfähig – hängt aber stets am Tropf der Fußballabteilung. Die Not des zweiten Spitzenvereins Atlético Madrid ist so groß, dass erneut ein finanzieller Schnitt droht; es kursieren Spekulationen, dass der Klub wieder in seine ursprüngliche Heimat nach Ciudad Real geht und teure Profis wie den Dänen Nikolaj Markussen abgeben muss. Andere Traditionsklubs wie Ademar Leon sind nur knapp dem Pleitegeier entronnen.

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Dabei hatte der spanische Klubhandball die europäischen Wettbewerbe seit Beginn der 1990er Jahre beherrscht. Sie gewannen mit ihrer Cleverness und einem sehr kraftbetonten Stil in der Champions League bislang zwölf Titel, acht mehr als die deutschen Klubs.

Angespannte Lage im spanischen Handball

Aber inzwischen ist der Markt kollabiert und viele spanische Profis treten die Flucht ins Ausland an. Der Halblinke Alberto Entrerrios verdient sein Geld inzwischen in Nantes, Torwart Sierra Mendez und Garcia Robledo bei Paris St. Germain und die Spitzenkräfte Rodriguez und der (aktuell verletzte) Ugalde hat es gar ins ferne Ungarn gezogen. Die beiden Guardiola-Zwillinge spielen bei den Rhein-Neckar Löwen. „Die gesamte Lage im spanischen Handball ist äußerst angespannt“, sagt Frank Nöhrenberg, ein enger Berater des spanischen Verbandspräsidenten Román Juan de Dios.

Umso größer ist die Entschlossenheit, in diesen Tagen den sportlichen Erfolg zu suchen. „Dies ist das wichtigste Turnier überhaupt für den spanischen Handball“, sagt Nationaltrainer Rivera, der mit Barcelona 70 Titel gewann – und nun den zweiten WM-Titel nach 2005 für die Iberer einfahren will.

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Sie wissen um die einmalige Chance, die eine Heim-WM mit sich bringt. „Das ist ein entscheidendes Plus“, weiß Rivera. Auf diese Weise hat sogar eine Nation wie Tunesien 2005 den Einzug in das Halbfinale geschafft, und zwei Jahre später profitierten auch die Deutschen vom Heim-Bonus – samt umstrittenen bis sonderbaren Schiedsrichter-Entscheidungen. Im Viertelfinale, das die DHB-Auswahl nur knapp 27:25 für sich entschied, fühlte sich der Kontrahent in der Kölnarena um den Sieg betrogen. Der Gegner hieß – Spanien.