Essen. WM-Platz zwölf ist ein historisch schlechter für Deutschlands Handballer. Der Druck auf das DHB-Team ist nun gewaltig. Ein Kommentar.

Platz zwölf. Die schlechteste WM-Platzierung einer deutschen Handball-Mannschaft in der Turniergeschichte. Es gibt nicht viel zu beschönigen nach diesen Auftritten in Ägypten. Es reichte zu ordentlichen Spielen gegen Uruguay und Brasilien. Gegen traditionell stärkere europäische Mannschaften aber nicht. Bei einer EM wäre mit dieser Mannschaft wohl bereits in der Vorrunde Schluss gewesen.

Das 23:23 gegen Polen am Montagabend war der enttäuschend gesetzte Schlusspunkt hinter dieses Turnier. Es war das letzte Hauptrundenspiel, in dem es nur noch darum ging, sich erhobenen Hauptes von der WM und mit Selbstvertrauen für die anstehende Olympiaqualifikation im März zu verabschieden. Das gelang nicht, vielmehr wurden die Schwächen dieser Mannschaft noch einmal unterstrichen: ein schleppender, fehlerbehafteter Angriff und eine löchrige Abwehr. Zutaten, mit denen einfach kein Erfolgscocktail gemixt werden kann.

Kein Maßstab für den deutschen Handball

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Die Basis war ohnehin keine gute. Bundestrainer Alfred Gislason musste auf mehrere Leistungsträger verzichten, und einige der Routiniers konnten ihrem Ruf nicht gerecht werden. All das war schon klar, bevor es in das Spiel gegen Polen ging. Fragen aber bleiben: Ist es für einen Leistungssportler vertretbar, nicht noch einmal alles zu geben, selbst wenn das Spiel an sich so gut wie bedeutungslos ist? Oder ist es auch menschlich, dass wenig funktioniert, nach all den komischen Umständen und Enttäuschungen dieses Corona-Turniers? Man lebt isoliert im Hotel, ist sportlich nur bedingt konkurrenzfähig, hat das Wissen um den bald wieder startenden Ligabetrieb mit seiner gnadenlosen Terminhatz im Hinterkopf.

Platz zwölf bei dieser umstrittenen WM ist ein historisch schlechtes Abschneiden, aber keines, das als Maßstab für den deutschen Handball herangezogen werden sollte. Das Not-Team hatte kaum Zeit, zusammenzuwachsen. Das zweite Vorrundenspiel gegen Kap Verde fiel aus, es war als weiteres Testspiel eingeplant. Und überhaupt: Wichtig ist am Ende, dass kein Spieler sich mit dem Coronavirus infiziert hat, dass diese WM nicht wie von einigen erwartet im Chaos versunken ist. Es war wohl einfach nur Glück, dass es im Vorrundenspiel der Ungarn gegen Kap Verde offenbar keine Ansteckungen gab, obwohl vier später positiv getestete Spieler im da noch elfköpfigen Aufgebot Kap Verdes standen. Im Anschluss spielte Ungarn gegen Deutschland. Am Ende sind alle gesund geblieben. Zumindest dieses wichtige Ziel wurde erfüllt.

Muss es gleich Olympiagold sein?

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Was bedeutet diese WM aber für die Olympiaqualifikation und die Sommerspiele? Sportlich müssen enttäuschende Leistungsträger wie Andreas Wolff und Uwe Gensheimer wieder aufgerichtet werden, das hatte Gislason aber auch schon mit vermehrter Spielzeit in der Partie gegen Polen versucht. Wenn dann auch Spieler wie Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek und Steffen Weinhold wieder dabei sind, erhöht sich die Kader-Qualität gewaltig und das dürfte auch Wolff und Gensheimer wieder beflügeln.

Aber muss das nächste Ziel direkt das von der Verbandsspitze anvisierte Olympiagold sein? Selbst in Bestbesetzung muss das deutsche Team da schon mehrere verdammt gute Tage erwischen. Denn die Wahrheit ist: Norwegen, Dänemark, Spanien – sie alle sind individuell stärker besetzt und seit Jahren konstanter als Deutschland. Selbst in Corona-Zeiten. Der deutsche Handball befindet sich in einer Phase des Aufbaus mit Talenten wie Johannes Golla und Juri Knorr. Nicht in einer der sportlichen Unverwundbarkeit.