Essen. Alfred Gislason ist neuer Handball-Bundestrainer. Christian Prokop hatte bei der EM das Ziel Halbfinale verfehlt und wurde freigestellt.

"Wir als Verbandsführung wollen klarstellen, dass es intern nie eine Diskussion darüber gab, mit welchem Trainer wir künftig die Nationalmannschaft prägen wollen. Wir werden natürlich mit Christian in Richtung Olympia gehen und die Sommerspiele anpeilen.“ Mit diesen deutlichen Worten hatte Axel Kromer, Sportvorstand des Deutschen Handballbundes, noch während der Europameisterschaft die Debatte um Bundestrainer Christian Prokop energisch für beendet erklärt. Das war am 21. Januar. Und es gab tatsächlich eine Debatte, keine besonders würdevolle.

DHB-Kapitän Gensheimer reagiert mit Unverständnis

Kromers Aussage hatte jedoch keine lange Halbwertzeit. Der DHB hat am Donnerstag Christian Prokop entlassen. Die Begründung kam von höchster Stelle und lautete sportwelttypisch stereotyp: „Wir haben diese schwere Entscheidung nach reichlicher Abwägung und einer ganzheitlichen Analyse aus Verantwortung für den deutschen Handball getroffen“, sagte DHB-Präsident Andreas Michelmann.

Kapitän Uwe Gensheimer reagierte mit Unverständnis. „Ich war geschockt, als ich die Nachricht bekommen habe. Ich hatte überhaupt keine Ahnung davon und war sprachlos im ersten Moment, weil ich niemals damit gerechnet hätte und es aufgrund der Ergebnisse nicht für nötig gehalten habe“, sagte Gensheimer am Donnerstagabend. Er könne die Entscheidung „nicht nachvollziehen“.

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Die Handball-Nationalmannschaft war im Januar mit ebenso vielen Verletzten wie Erwartungen in das EM-Spektakel gestartet, hatte in Trondheim eine schwache Vorrunde und in Wien bis zum Aus gegen Kroatien eine Hoffnung machende Hauptrunde gespielt. Rund um das Spiel um Platz fünf in Stockholm hatten sich dann zahlreiche Experten zu Wort gemeldet, die wahlweise Prokop kritisierten oder ihn in Schutz nahmen. „Christian Prokop ist nicht der richtige Mann für den Job des Bundestrainers. Und das war er in meinen Augen auch noch nie“, urteilte hart der ehemalige Welthandballer Daniel Stephan im Interview mit „Sportbuzzer“.

Bob Hanning, Vize-Präsident des Handballbundes, hatte selber zunächst für Irritationen gesorgt, indem er der Mannschaft während des Turniers sinngemäß sagte, dass sie im Hauptrundenspiel gegen Österreich auch um den Trainer spiele, dann aber die Kritik Stephans zurückwies. „Jeder disqualifiziert sich so gut er selbst kann“, sagte der gebürtige Essener Hanning über den gebürtigen Rheinhauser Stephan.

Christian Prokop war seit 2017 Bundestrainer, vom Verband für eine sportartuntypisch hohe Ablösesumme im sechsstelligen Bereich von seinem damaligen Verein SC DHfK Leipzig losgeeist worden. Von Beginn an hatte es Misstöne um den 41-Jährigen gegeben: Bei der EM in Kroatien 2018, dem ersten Turnier, bei dem der Chef der Nationalmannschaft seinen Stempel aufdrücken sollte, kam es zum offenen Zerwürfnis zwischen Mannschaft und Trainer. Dass Prokop anschließend Korrekturen vornahm, konnte feine Risse in der Struktur offenbar nicht völlig kitten.

Routine ersetzt Jugend

Jetzt ist Prokop als Bundestrainer Geschichte, angesichts des frühen Treuebekenntnisses überraschend, aber vom Handballbund sorgsam vorbereitet: Zeitgleich mit der Entlassung Prokops meldete der DHB eine Neuverpflichtung.

Der ehemalige Kieler Erfolgscoach Alfred Gislason soll die Nationalmannschaft jetzt anführen, startend mit der Olympia-Qualifikation im April in Berlin und laut Vertrag mindestens bis inklusive der EM 2022 in Ungarn und der Slowakei. In dem Isländer hat der Verband nach dem Experiment Jugend sich jetzt für Routine entschieden.

Gislason war – mit kurzer Unterbrechung – von 1997 bis 2019 als Vereinstrainer in der Bundesliga aktiv, blickt auf eine beeindruckende Sammlung an Titeln. Bereits beim Abschied in Kiel im Sommer 2019 hatte er angedeutet, nach einem halben Jahr Pause eine Nationalmannschaft zu übernehmen. Aber: Ob das genau so geplant war?