Herning. Für die deutschen Handballer geht es am Sonntag um Bronze - und um einen gelungenen WM-Abschluss. Gegner am Sonntag ist Frankreich.

Es dauerte eine Weile, aber dann kam die Zuversicht zurück, dann hellten sich die Mienen der deutschen Handballer auf. Die 25:31-Halbfinalniederlage gegen Norwegen war eine halbe Stunde alt, der erste Frust über das Verpassen des WM-Finals verflogen. „So eine Chance bekommt man vielleicht einmal im Leben, im Halbfinale vor heimischem Publikum ins Finale einzuziehen. Diese Chance haben wir vertan“, hatte Uwe Gensheimer nach dem Spiel gesagt, als sich seine Mitspieler enttäuscht in den Armen lagen und gegenseitig Trost spendeten. Aber dann wurde auch Gensheimers Körpersprache wieder eine andere, Kopf und Schultern gingen nach oben, der Blick war fokussiert: „Jetzt wollen wir die Bronzemedaille.“

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Die soll am Sonntag in Herning geholt werden (14.30 Uhr/ZDF). In jenem 50.000 Einwohner fassenden Ort im westdänischen Jütland, in dem die Jyske Bank Boxen steht, eine der größten Mehrzweckhallen Dänemarks mit 15.000 Plätzen. Sonst gibt es in Herning nicht viel zu sehen außer verschneiten Feldern und ganz viel Nebel. Christian Prokop ist das egal, der Bundestrainer hatte sein Team Freitagnacht auf dem Weg von Hamburg nach Dänemark auf dieses Spiel eingeschworen, das mehr als ein Trostpreis sein soll. „Wir haben die Chance, eine Medaille zu erzielen bei dieser Heim-WM. Wir werden alles reinlegen in das letzte Spiel. Wir haben das ganze Turnier nicht negativ gedacht, das werden wir jetzt nicht ändern“, sagte Prokop. Seinem Team hatte er daher am Samstag freigegeben. Die Spieler sollten die Köpfe frei bekommen und die Erinnerungen an die Schmach gegen Norwegen tilgen. An das Halbfinale, in dem das deutsche Team seine Grenzen aufgezeigt bekam.

Wenn Verlierer Gewinner sind

Ist der Traum wirklich geplatzt? Es wäre ein Handball-Märchen gewesen: Die zwei Gastgeberländer der WM treffen im Finale aufeinander. Besser hätte das Turnier aus deutscher und dänischer Sicht am Sonntag in Herning nicht enden können. Nun aber steht nur Dänemark im Endspiel, das deutsche Team muss sich nach dem Aus gegen Norwegen mit dem Spiel um Rang drei gegen Frankreich abfinden.

Sah man nach dem Spiel in die Gesichter der Spieler, war unschwer zu erkennen: Traum geplatzt! Und trotzdem wäre eine Bronzemedaille am Ende kein Trostpreis, sondern ein würdiger Abschluss einer achtenswerten Leistung. Denn mal ehrlich: Nur die größten Optimisten hätten nach dem Debakel bei der EM vor einem Jahr, nach den Rissen, die zwischen Mannschaft und Trainer zu erkennen waren, überhaupt mit dem Halbfinaleinzug gerechnet.

Diese WM war ein Fingerzeig Richtung Zukunft: Es funktioniert zwischen Bundestrainer Christian Prokop und dem Team. Sie haben sich auf gemeinsame Ziele eingeschworen, Prokop hat seinen Führungsstil verändert, ist liberaler und in seiner Außendarstellung lockerer.

Noch ist aber nicht alles gut. Die deutschen Handballer mögen wieder in der Weltspitze angekommen sein, aber die Norweger haben ihnen doch die Grenzen aufgezeigt. Wahrscheinlich wäre auch ein Finale gegen die dominanten Dänen zum Debakel geworden. Die deutsche Abwehr war der Garant, dass es bis ins Halbfinale ging. Der deutsche Angriff war okay, aber okay reicht nicht gegen die Weltbesten.

Trotzdem, gewonnen hat der deutsche Handball bei dieser WM allemal. Es gab ausverkaufte Hallen, hohe TV-Quoten und für kurze Zeit eine wahre Handball-Begeisterung. Der DHB wird als Mitveranstalter einen Millionengewinn einstreichen und diesen hoffentlich in die Nachwuchsförderung investieren. Ein geplatzter Traum sieht anders aus. Nun fehlt nur noch Bronze. (Björn Goldmann)

Im Angriff fehlte die Durchschlagskraft, in der Abwehr schlichen sich ungewohnte Schwächen ein. Es wurde deutlich, dass das deutsche Team nach acht Spielen bis ins Halbfinale Kräfte gelassen hatte, dass durch den verletzungsbedingten Verlust von Regisseur Martin Strobel die Ruhe im Spielaufbau fehlte. Das Kämpferherz war wie immer da, aber die Norweger waren an diesem Freitag vor 12.500 Zuschauern in Hamburg einfach zu gut, spielten vor allem die zweite Halbzeit souverän und clever zu Ende. Erst trafen sie vermehrt über die Außenbahnen. Als die deutsche Defensive sich darauf einstellte, wurden die Tore über den Rückraum und am Kreis erzielt. Die Norweger hatten immer passende Antworten.

Ob dies heute auch für die Franzosen gelten wird, den deutschen Gegner im Spiel um Platz drei? Der Titelverteidiger hat bisher einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen. In der Vorrunde konnte man sich häufig fragen, ob das Team von Trainer Didier Dinart nur so viel tut, wie es muss, oder ob die Dominanz der vergangenen Jahre langsam ein Ende hat. Mit Nikola Karabatic kam sogar ihr Superstar aus der Regenerationsphase zurück, doch der 34-Jährige hat nach seiner Fußoperation im Oktober längst nicht zu gewohnter Form gefunden.

Aufpassen auf Mahé

Die letzte Hauptrundenpartie gegen Kroatien spielte die Equipe Tricolore lustlos herunter, sie endete mit einer 20:23-Niederlage. Im Halbfinale gegen Dänemark wurden die Franzosen beim 30:38 dann sogar regelrecht aus der Halle gefegt. Eine Demütigung für den sechsmaligen Titelträger, bei dem der in Deutschland aufgewachsene Kentin Mahé bislang noch den besten Eindruck hinterlässt. Der ehemalige Hamburger und Flensburger dirigiert den französischen Angriff und glänzt immer wieder mit frechen Aktionen. Sein bisher bestes Spiel machte der 27-Jährige im vierten Spiel der Vorrunde – beim 25:25 gegen Deutschland.

Zurück in der Weltspitze

Gewarnt ist das deutsche Team allemal. Aber auch motiviert. „Keiner will hier nach dem Spiel nach Hause gehen und sagen: Mensch, wir sind Vierter geworden“, sagte Rückraumspieler Fabian Böhm: „Wir sind es den Fans auch schuldig. Wir haben so eine tolle Atmosphäre in den Hallen gehabt. Wir wollen unbedingt diese Bronzemedaille.“

Ob in Berlin, Köln oder in Hamburg – die Spiele des deutschen Teams waren stets ausverkauft. Auch die Fernsehquoten waren beeindruckend. 11,91 Millionen Menschen sahen das Spiel am Freitag in der ARD, dies war im neunten Turnierspiel des Prokop-Teams der höchste Zuschauerzuspruch der laufenden Titelkämpfe. Da wurde auch Bob Hanning ein bisschen sentimental. „Wir haben eine überragende Weltmeisterschaft gespielt“, sagte der Vizepräsident des Deutschen Handballbundes. „Die Jungs können stolz sein auf das, was sie bisher geleistet haben. Wir sind wieder in der Weltspitze drin.“