Hamburg. Mit dem WM-Titel im eigenen Land schrieben die Handballer am 4. Februar 2007 Geschichte. Zehn Jahre danach erinnert sich Heiner Brand.
Nein, richtig sentimental wird Heiner Brand nicht. "Ich lebe nicht in der Vergangenheit", sagt der Goldschmied des deutschen Wintermärchens von 2007, gesteht dann aber doch: "Jetzt kommen aber ein paar Gefühle hoch." Die Erinnerungen an den letzten deutschen WM-Triumph schwirren dieser Tage in seinem Kopf herum, Anlass zum Innehalten ist das zehnjährige Jubiläum nämlich allemal.
"Ich werde mich mit meiner Frau hinsetzen und ein bisschen daran denken", sagt Brand. Er werde zwar nicht schwelgen, "aber ein paar Gedanken daran verlieren". Es sind Erinnerungen an den 4. Februar 2007, den Tag des grandiosen Endspiels gegen Polen (29:24). Erinnerungen an eine große Mannschaft, die mit dem Titel im eigenen Land deutsche Sportgeschichte schrieb. Erinnerungen an einen wahren Handball-Rausch, der Deutschland in den Wochen der WM erfasst hatte.
Die Bilder nach den Siegen – unvergessen!
Unvergessen bleiben die Bilder nach Siegen wie dem dramatischen 32:31 nach zweifacher Verlängerung im Halbfinale gegen Frankreich, als die Spieler um Kapitän Markus Baur nachts von Hunderten begeisterten Fans am Hotel empfangen wurden. Das Endspiel verfolgten mehr als 16 Millionen Menschen im Fernsehen, der Marktanteil von 58,3 Prozent ist bis heute unerreicht. "Wenn nicht jetzt, wann dann..." - die WM-Hymne der "Höhner" - schallt noch immer durch die Arenen.
"Es war etwas ganz Außergewöhnliches. Die Leute wissen teilweise noch, was sie am Tag des Finales gemacht haben", sagt Brand in der Retrospektive. Ein Land im Handball-Fieber - so etwas wie in jenen verrückten Tagen im Winter 2007 hatte selbst er, Mister Handball, als Spieler 1978 Weltmeister und mehrfacher Europacup-Sieger, noch nicht erlebt.
Brands Geheimnis: eine Mischung aus Lockerheit und Fokussierung
Legendär ist bis heute seine unorthoxe Vorbereitung auf das Frankreich-Spiel. Als die Spieler mit einer taktischen Analyse des kommenden Gegners rechneten, ließ Brand einen Videomitschnitt von der Wahl des Spielmachers Mimi Kraus zum Bravo-Boy über den Bildschirm flimmern. "Alle haben mit den Franzosen gerechnet", erzählt Brand. Nach kurzer Erheiterung war die Konzentration danach umso höher.
Genau dieser Spagat zwischen Lockerheit und voller Fokussierung wurde zum Erfolgsgeheimnis von Keeper Henning Fritz und Co. "Vielleicht waren wir insgesamt gar nicht so gut wie in den Jahren zuvor, doch der Spirit war einzigartig. Ohne ihn hätten wir das nicht geschafft", sagt Brand.
Der WM-Titel bescherte dem deutschen Handball einen Boom
Für den deutschen Handball gilt der WM-Triumph als Initialzündung in eine bessere Zukunft. Durch den Titel wurde ein Boom ausgelöst, von dem die Nachwuchsarbeit profitierte. Ein Ergebnis ist das Wiedererstarken der Nationalmannschaft, die nach Jahren des Misserfolgs zuletzt mit einer neuen Generation junger Spieler in die Weltspitze zurückkehrte. "Ich glaube fest daran, dass die jetzige Mannschaft eine große Zukunft hat", sagt Brand.
Für einen elementaren Baustein für zukünftige Erfolge hält er die Heim-WM 2019, die Deutschland zusammen mit Dänemark ausrichtet. "Die Möglichkeit auf den Titel ist ohne weiteres da", sagt Brand und prognostiziert eine "totale Begeisterung" im Land. Wichtig sei dabei neben einer erfolgreichen deutschen Mannschaft aber vor allem eine hohe Reichweite. "Die Spiele müssen im frei empfangbaren Fernsehen zu sehen sein."
Nur dann könne es in zwei Jahren ein neues Wintermärchen geben. Ein Märchen wie 2007. (sid)