Breslau. . Andreas Wolff hat Deutschland gegen Schweden in der wichtigen Phase im Spiel gehalten. Gegen Slowenien soll die Zwischenrunde der EM erreicht werden.

Viel geschlafen hat Jannick Kohlbacher in der Nacht von Montag auf Dienstag nicht. Grund dafür war sein Zimmergenosse Andreas Wolff. „Der ist 24 Stunden am Erzählen“, verrät der 20 Jahre alte Handball-Nationalspieler.

Nach der Partie gegen Schweden hatte der 1,98 Meter große Torhüter besonders viel Redebedarf. „Ich hatte noch so viel Adrenalin von dem Spiel übrig“, sagt Wolff. In alle Himmelsrichtungen hatte der 24-jährige Euskirchener seine Gliedmaßen gestreckt und mit 13 Paraden und einer Quote von 42 Prozent gehaltener Bälle zum ersten Sieg seiner Mannschaft bei der EM beigetragen. „Bis ein oder zwei Uhr hat er noch geredet, dann war der Akku leer“, sagt Kohlbacher.

In Wetzlar ist Wolff zum Nationaltorhüter gereift

Er kennt das schon, genau wie Steffen Fäth, der gespielt genervt die Augen verdreht. „Ich will gar nicht wissen, was die abends machen, aber ich wohne im Nebenzimmer, da ist das kaum zu überhören“, sagt er. Alle Drei spielen bei der HSG Wetzlar, wo Wolff seit 2013 unter Vertrag steht. In Wetzlar ist er in den vergangenen Jahren zum Nationaltorhüter gereift. Ab der kommenden Saison steht Wolff beim Rekordmeister THW Kiel unter Vertrag.

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Großen Anteil an seiner Entwicklung hatte nach eigenen Angaben José Hombrados. Der spanische Torhüter stand mit kurzer Unterbrechung von 2013 bis 2015 bei der HSG zwischen den Pfosten. „Er hat mir viel beigebracht, vor allem mental“, sagt Wolff. „Er ist so ein ruhiger Torhüter, das versuche ich so gut es geht, auch umzusetzen.“

Als 16-Jähriger nach Großwallstadt gezogen

Seine emotionalen Impulse versucht Wolff gezielt einzusetzen, um die Mannschaft zu motivieren. Gegentreffer nimmt er zwar immer noch nicht mit stoischer Ruhe, aber doch gelassener als noch vor einigen Jahren, als er sich über jeden Ball, bei dem er hinter sich greifen musste, maßlos ärgerte.

Diese Veränderung ist auch seinem früheren Trainer Gottfried Kunz aufgefallen. Der Trainer des TV Kirchzell holte den damals 16-jährigen Wolff in sein Team, da der zwar für die Aufnahme am Handball-Leistungszentrum Großwallstadt gut genug war, die Familie die Internatskosten aber nicht stemmen konnte. Im dem 1500-Einwohner-Ort stellte Kunz ihm eine Wohnung. Zudem erklärte sich die Mutter eines anderen Spielers bereit, für den Jugendlichen zu kochen. „Das macht ja auch nicht jeder, dass er sein Elternhaus verlässt und 300 bis 400 Kilometer weiter in unser Kaff zieht“, sagt Kunz.

Carsten Lichtlein ging den gleichen Weg

Jeder macht das sicherlich nicht, aber ungefähr zehn Jahre zuvor ging ein anderer Handballtorhüter den gleichen Weg: Auch Carsten Lichtlein, 35, spielte in Kirchzell bevor er wie Wolff den Sprung zum TV Großwallstadt schaffte. In der „Kärchzeller-EM-Gruppe“ tauschen die Drei während der Europameisterschaft viele WhatsApp-Nachrichten aus. Bislang hat Gottfried Kunz vor allem das Daumen-hoch-Symbol an Wolff versendet. Das war aber nicht immer so: „Früher war er sehr aufmüpfig, schon mit 16 Jahren hat er gemeint, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben“, erzählt der 59-Jährige.

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Heute wirkt Wolff eher zurückhaltend, fast schon devot, vor allem, wenn es um seine Ansprüche im deutschen Tor geht. Zweimal hat Bundestrainer Dagur Sigurdsson den 24-Jährigen bislang für Carsten Lichtlein eingewechselt. Sowohl gegen Spanien und noch viel mehr gegen Schweden wusste Wolff zu überzeugen. „Es kann gut sein, dass er Mittwoch anfängt“, sagte Sigurdsson in der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Slowenien (20. Januar 2016, 17.05 Uhr/ZDF).

Wenn Wolff von der Bank kommt, ist er besonders heiß

Wolff allerdings hat gar keinen Bedarf an einer Veränderung. „Dass Carsten anfängt, hat bislang gut funktioniert. Von mir aus können wir das beibehalten“, sagt er. Noch ist der EM-Debütant bei Einsätzen mit der Nationalmannschaft nämlich enorm nervös. Kunz rät auch dazu, Lichtlein starten zu lassen. „Er ist einfach der Erfahrene, außerdem schmort Andi auf der Bank und wird immer heißer, je länger das Spiel dauert.“

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Den Vorteil an dem unterfränkischen Torhütergespann sieht Kunz darin, dass man beide von der Bank kommen lassen kann. „Silvio Heinevetter hat sich damit immer schwer getan“, glaubt er. Den Torhüter der Füchse Berlin hatte Sigurdsson dieses Mal zu Hause gelassen.

Auch gegen Slowenien kommt es auf eine gute Torhüterleistung an. Gewinnt die deutsche Mannschaft oder spielt unentschieden, steht sie in der Hauptrunde. Bei einer Niederlage muss sie hoffen, dass Spanien gegen Schweden gewinnt (20 Uhr).