Argentinien zweifelt vor Belgien-Match an Torwart Romero
•
Lesezeit: 5 Minuten
Brasilia. Argentiniens Torwart Sergio Romero muss den Nachweis noch erbringen, dass er für seine Nationalmannschaft bei einer Fußball-Weltmeisterschaft auch Spiele gewinnen kann. Am Samstag trifft er mit seinem Team auf Belgien.
Das Handwerkszeug eines Torhüters sind die Handschuhe. Und weil die Ausrüster sich immer mehr modischen Schnickschnack einfallen lassen, haben sie dem Schlussmann des argentinischen Nationalteams ein besonders krasses Modell aufgeschwatzt: Die Innenseiten sind zweifarbig gestaltet, in der Mitte weiß, die Fingerflächen indes orangefarben. Ulkig sieht das mitunter aus, wenn Sergio Romero in der Superzeitlupe seine fangbereiten Hände zum Spielgerät führt. Immerhin: „Brazuca“ soll auch im bunten Haftschaum bestens kleben. Spötter behaupten bei dieser WM: Wenigstens etwas, mit dem die Nummer eins der „Albiceleste“ auffällt.
Tatsächlich ist Argentinien so auf den Tordrang seines Superhelden Lionel Messi fixiert, dass dem Torverhinderer bislang wenig Aufmerksamkeit zukommt. Und was hat Romero auch schon zu halten gehabt? Im ersten Spiel gegen Bosnien (2:1) flogen noch elf Schüsse auf sein Tor, gegen den Iran (1:0) nur vier, gegen Nigeria (3:2) und die Schweiz (1:0 n.V.) jeweils sieben. Was die Statistiker nicht erfassten: fast alles Routinearbeit. Abgesehen von einem wirklich schwierigen Fall im zweiten Gruppenspiel. „Der Ball ist aufgesprungen, da weiß man nie genau, wo er landet. Glücklicherweise habe ich ihn erwischt“, berichtete der 27-Jährige hinterher. „Man of the match“ ist hinterher trotzdem – wie immer – Messi geworden.
Nur Nummer zwei beim AS Monaco hinter Danijel Subasic
Doch mit der Unterbeschäftigung könnte sich das im heutigen Viertelfinale gegen Belgien in Brasilia (18 Uhr MESZ, live in unserem Ticker) erledigt haben. Allenthalben wird erwartet, dass der flämisch-wallonische Sturm-und-Drang-Trupp den Südamerikanern ordentlich einheizen wird. Hintermannschaft und Tormann inklusive. Romero muss dann wohl ein bisschen mehr tun, als beschwichtigend den Arm zu heben, wie er das im Achtelfinale in letzter Minute gegen die Eidgenossen tat, als Blerim Dzemaili an den Pfosten köpfte.
Der Nachweis steht noch aus, dass der aus Bernado de Irigoyen, eine Provinz im äußersten Nordosten Argentiniens, stammende Romero auch zum Matchwinner taugt. Immerhin: Selbstzweifel kennt der im achten Jahr in Europa spielende Schlussmann kaum. „Unser Ziel ist es, die gesamten 30 Tage hier zu sein. Wir wollen nicht vom Finale sprechen, aber für unsere Fans werden wir alles versuchen, um nach Rio zu kommen.“ Im Estadio Nacional der brasilianischen Hauptstadt werden die Sehnsüchte seiner Landsleute voraussichtlich der ersten ernsthaften Belastungsprobe unterzogen, und in solch einem K.-o.-Duell entscheidet nicht selten der bessere Ballfänger.
Und das ist „Chiquito“ (Kleiner), wie sie ihn in der Heimat trotz seiner 192 Zentimeter Körpergröße nennen, im Vergleich zu seinem Gegenüber gewiss nicht. Der hoch veranlagte Thibaut Courtois hat es mit Atletico Madrid bis in Champions-League-Finale gebracht und alle drei Tage irgendwo eine Begegnung auf hohem Niveau bestritten – Sergio Romero hat hingegen monatelang nur trainiert, denn beim AS Monaco wird der Kroate Danijel Subasic als der bessere Keeper betrachtet. Argentiniens Auswahltorwart durfte nur drei Pokalspiele zwischen die Pfosten, wobei er einmal, gegen einen Drittligisten, zu allem Unglück schwer patzte. Und dass sein Arbeitgeber eigentlich Sampdoria Genua heißt, der ihn nach Frankreich verliehen hat, steigert nicht gerade seine Reputation.
Romero hat sich Rastalook und Langhaarfrisur abgewöhnt
Romero redet das Problem seit Turnierbeginn klein; besser, für ihn ist es gar keins. „Ich weiß, dass ich in Frankreich nicht so häufig zum Einsatz gekommen“, erklärte er in einem Fifa-Interview, „aber ich habe immer deutlich gemacht, dass ich mich im Predio so vorbereiten kann, um in Topform zu kommen.“ Mit Predio war das argentinische Trainingszentrum gemeint. Auch Nationaltrainer Alejandro Sabella hat nie Zweifel an einem geäußert, der nunmehr 51 Länderspiele gemacht und schon bei der WM 2010 Stammtorhüter war.
Di Maria ist Argentiniens Held
1/74
„Ich vertraue ihm“, lautet Sabellas Standardantwort auf alle Torwartfragen. Was wären denn die Alternativen? Der 30 Jahre alte Mariano Andujar hat bei Calcio Catania gewiss keine überragende Spielzeit in der Serie A hinter sich. Und der 33-Jährige Augustin Orion hat erst drei Länderspiele gemacht und sich mit einem Klubkamerad bei Boca Juniors geprügelt. Dann doch lieber einen gezähmten zweifachen Familienvater unter die Latte stellen, der sich seinen extravaganten Rastalook ebenso abgewöhnt hat wie eine etwas unpassende Langhaarfrisur, die er zeitweise mit sich herumtrug. Stattdessen kommt er jetzt mit einem stinknormalen Kurzhaarschnitt aufs Feld. Nur die Handschuhe sind halt besonders.
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.