Porto Alegre. Der “Messias“ lässt hoffen: Der viermalige Weltfußballer Lionel Messi blüht auf und Argentinien mit ihm. Ein Mann, der die “Albiceleste“ im Alleingang zum Titel führt - das gab es 1986 schon einmal. “Ab sofort darf man keine Fehler mehr machen“, sagt der Volksheilige.
Mutmaßlich grenzt es an ein Wunder, dass Menschen dabei noch nicht zu Schaden gekommen sind. Ganz egal, wo der himmelblauweiß bemalte Mannschaftsbus der argentinischen Delegation vorbeifährt, springen entrückte Landsleute auf die Straßen, schießen Fotos, schwenken Fahnen. Vorher fegen Motorräder mit Blaulicht im Höllentempo durch die Massen, aber irgendwie ist bislang alles gut gegangen.
Auch in Porto Alegre, wo der Begeisterungssturm seinen bisherigen Höhepunkt erlebte. Noch bei der Abreise zum Flughafen sind die Lieblinge infernalisch gefeiert worden, denn nach dem 3:2 gegen Nigeria ging es zurück ins Teamquartier nach Vespasiano, um Kräfte für die K.-o.-Runde zu tanken. Erster Gegner ist am Dienstag in São Paulo nun die Schweiz.
Messi saugt die Euphorie auf
„Ab sofort darf man keine Fehler mehr machen“, sagt Lionel Messi, „sonst scheidet man aus.“ Aber trumpft der zur Schonung ausgewechselte Star weiter so auf, scheint das unmöglich. Gebt nur den Ball zu „la pulga“, dem Floh, und alles wird gut. Alle Vergleiche zur Weltmeister-Generation von 1986 sind deshalb berechtigt, weil die „Albiceleste“ damals auch von einem Einzelnen, Diego Maradona, abhängig war. Wer seinen Nachfolger nun milde lächelnd über seinen Zustand („Es geht mir gut…ich bin sehr, sehr glücklich“) und seinen Traum („Weltmeister zu werden, wäre das Schönste“) reden hörte, der fühlte eine gewisse Ergriffenheit.
Speziell der grenzenlos verehrte Volksheilige scheint die Euphorie, die über die Grenze schwappt, aufzusaugen, um die Apathie aus den Kleidern zu schütteln, die in seiner Wahlheimat Barcelona im Frühjahr noch so viele Rätsel aufgab. Messi trickst, Messi tanzt, Messi läuft, Messi lächelt. Das Achtelfinale soll erst der Anfang eines Siegeszuges durch die klimatisch gemäßigten Regionen Brasiliens sein. Dass für den „Messias“ und seine Mitspieler als Kraftzentrum das Trainingsgelände des Erstligisten Atlético Mineiro in der Nähe von Belo Horizonte ausgesucht wurde, war keinem Geniestreich, sondern der Logik geschuldet, denn kein Spielplan scheint so gütig zusammengebastelt.
Bezwingen die „Gauchos“ nun die Schweiz, könnten schlimmstenfalls im Halbfinale vielleicht die Niederländer warten. Dem Erzfeind Brasilien geht Argentinien genauso aus dem Weg wie den Quälgeistern Kolumbien, Uruguay oder Chile vom eigenen Kontinent. Und bis zum Finale in Rio de Janeiro in zwei Wochen hätten die Argentinier nicht eine Hitzeschlacht in Fortaleza, Recife, Natal oder Salvador bestritten, so dass mitunter gemutmaßt wird, welche Rolle der greise Grande und skandalumwitterte Fifa-Vize Julio Grondona bei diesem Glückslos gespielt haben könnte. Auszuschließen ist in dieser Fußballwelt nichts mehr, zumal Messi ja „vom Jupiter“ komme, wie der nigerianische Trainer Stephen Keshi meinte.
Erneut Messi-Show beim 3:2
Es gibt einige Schwächen
Das ist für den seit Dienstag 27 Jahre alten Star („Ich danke dem Coach für diese Worte, aber ich bin von diesem Planeten“) die bislang ulkigste Huldigung. Der Hype um den Künstler übertüncht indes, dass es seiner Nationalelf mitunter an handwerklichen Dingen fehlt. Immerhin hat Trainer Alejandro Sabella die fehlende Feinjustierung erkannt. „Wir sind ein offensives Team, das manchmal noch defensive Probleme hat“, räumte der 59-Jährige ein. Weder Pablo Zabaleta als rechter Verteidiger noch Marcos Rojo – trotz seines Siegtores – als linker Verteidiger sind eine Bank. Es gibt auch gewiss stabilere Innenverteidiger-Gespanne als Ezequiel Garay und Federico Fernandez und bestimmt bessere Torhüter als Sergio Romero, Reservist beim AS Monaco. Hinzu kommt: Wenn Messi, Sergio Aguero oder Gonzalo Higuain nicht mit zurücklaufen – was bei Ballverlusten ab und an passiert – klafft eine Riesenlücke im Mittelfeld.
Viele der fanatischen Unterstützer aus der Heimat umklammern bereits einen nachgebildeten WM-Pokal. In Wahrheit haben ihre Lieblinge aber allenfalls einen kleinen Finger an der Trophäe.