Santo André. Es kann losgehen. Auch die finale Vorbereitungsetappe ist vorbei. Mit dem Umzug nach Salvador da Bahia steigt das WM-Fieber im deutschen Team. Löw geht Risiko, er verändert Personal und Taktik. Die Spieler sprechen vor dem 100. deutschen WM-Spiel vom “großen Ziel“ Titel.
Der Countdown läuft, der WM-Start soll für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zur Initialzündung für ein Super-Turnier werden. "Ich habe ein großes Ziel: Am Ende den Pokal zu haben", verkündete Lukas Podolski kurz vor dem Abflug nach Salvador, wo das DFB-Team am Montag gegen Weltfußballer Cristiano Ronaldo und die anderen starken Portugiesen gleich ein Signal der Stärke setzen will. "Damit die anderen Nationen auf uns gucken und sagen: Wow, die Deutschen sind da", sagte der 114-malige Nationalspieler Podolski.
Nach sieben Tagen Trainingsarbeit im Basiscamp in Santo André sieht Joachim Löw sein Team bereit für den ersten WM-Härtetest. "Es wächst immer mehr zusammen", betonte der 54-Jährige vor seinem vierten Turnier als Bundestrainer optimistisch. Ob sein durchaus riskanter Plan, mit vielen wichtigen Akteuren ohne durchgängigen Spielrhythmus und mit langen Verletzungspausen in den Titelkampf 2014 zu starten, gleich gegen den Weltranglisten-Vierten Portugal aufgeht, muss sich in der Arena Fonte Nova zeigen. "Klar, im Turnierverlauf wird immer alles von den Ergebnissen abhängen", betonte Podolski.
Löw: "Montag ist keine Simulation mehr"
Millionen in der Heimat vor den TV-Geräten, rund 5000 deutsche Anhänger im Stadion und Bundeskanzlerin Angela Merkel als Edelfan in Salvador werden mitfiebern. "Ich drücke natürlich der deutschen Mannschaft unheimlich die Daumen, dass sie möglichst weit kommt. Aber es wird ein hartes Ringen werden", erklärte Merkel, die seit der WM 2006 bei allen großen Turnieren Spiele live verfolgt hat.
"Montag ist keine Simulation mehr", formulierte der Bundestrainer deutlich. Löw hat seit dem Trainingsstart vor dreieinhalb Wochen im italienischen Passeiertal taktisch und personell viel geprobt und wird mit einigen überraschenden Entscheidungen in die 20. Weltmeisterschaft gehen.
Kapitän Philipp Lahm rückt in seinem sechsten Turnier erstmals ins defensive Mittelfeld vor. Jérome Boateng soll wie schon bei der EURO 2012, als die Portugiesen zum Auftakt mit 1:0 bezwungen wurden, rechts gegen Ronaldo verteidigen. Benedikt Höwedes wurde im Kurzdurchlauf zum Linksverteidiger ausgebildet. Vizekapitän Bastian Schweinsteiger ist wohl zunächst das prominenteste Mitglied des von Löw gegründeten Sonderkommandos der Bankspieler. Podolski ist nach der schweren Verletzung von Marco Reus plötzlich wieder mitten drin, doch André Schürrle scheint auf dem Flügel erste Wahl.
Deutschland gegen Portugal, nicht Deutschland gegen Ronaldo
"Wir sind alle top austrainiert, dass wir mit voller Kraft auf dem Platz auftreten können", sagte WM-Neuling Höwedes am Samstag. Dennoch bleiben einige Fragezeichen: Kann Sami Khedira nur sieben Monate nach seinem Kreuzbandriss wieder ein Leader sein? Wie kann die Abwehr mit gleich vier Innenverteidigern auch die nötigen Impulse nach vorne setzen? Wie setzt die Mannschaft Löws Konzept mit einem sogenannten falschen Stürmer um?
"Wir haben drei unangenehme, hartnäckige Gegner. Portugal ist aufgrund seiner Klasse ein harter Brocken", betonte Löw. "Moutinho, Nani und Ronaldo, hinten die sehr erfahrenen Alves, Pepe und Coentrão spielen alle auf allerhöchstem Niveau. Diese Mannschaft ist schon extrem gefährlich", ergänzte er zum Auftaktgegner, der den Deutschen aber liegt. Bei der Heim-WM 2006 ein 3:1, bei der EM 2008 ein 3:2 - und am 9. Juni 2012 im ukrainischen Lwiw entschied ein Kopfball von Mario Gomez nach Ecke von Khedira in der 72. Minute den EM-Auftakt für Deutschland.
Im 100. WM-Spiel der DFB-Auswahl wird natürlich viel davon abhängen, wie Boateng im Verbund mit seinen Mitspielern Ronaldo ausschalten kann. "Er erzielt in einer Saison 50 Tore. Und auch bei Portugal macht er viele entscheidende Dinge", erinnerte Löw. Dennoch sei es vor 48 747 Zuschauer kein Spiel "Deutschland gegen Ronaldo, sondern Deutschland gegen Portugal", unterstrich Höwedes. Der Schalker sieht seine Hauptaufgabe links hinten zuerst darin, "kompakt zu stehen und nichts zuzulassen".
Klose kann WM-Torerekord von Ronaldo knacken
Die neue, mehr auf defensive Stabilität und Kompaktheit ausgerichtete Spielweise von Löw schließt "Spezialkräfte" ein, die ausgeruht und hochmotiviert ins Spiel kommen sollen, wenn der Gegner schon ein wenig müde ist. Die Möglichkeiten, das Team für die zweite Offensivwelle zu besetzen, sind groß.
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Die Routiniers Miroslav Klose (36) und Lukas Podolski (29) brennen ebenso auf einen Einsatz wie WM-Neuling Mario Götze (22). Thomas Müller (24), Mesut Özil (25) und Schürrle (23) könnten anfangs die vorderste Linie besetzen und wechselnd in die Sturmmitte rücken. "Wir haben ausgebildete Spieler, die von ihrem Naturell her viel Zug zum Tor haben", beschrieb Löw diese Offensivtypen, die nicht nur im Zentrum bleiben.
Dieser Typ sei auch Klose nicht, der in Brasilien den WM-Torerekord von Ronaldo (15 Treffer) brechen will. Schon gegen Portugal könnte es klappen, auch wenn der Stürmer-Oldie Klose (14 Tore) seine vierte Weltmeisterschaft sehr wahrscheinlich von der Bank angehen muss. "Wir fiebern dem Start entgegen", übermittelte Toni Kroos, feste Größe im Mittelfeld, in die Heimat. Millionen Fans sind gespannt auf Löws WM-Team 2014. (dpa)