Santo André. . Nach einer Vorbereitung mit vielen Schocks und Pannen ist die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in ihrem Quartier in Santo Andre angekommen. Manager Oliver Bierhoff schwärmt: “Hier spüren wir den Rhythmus Brasiliens, und den wollen wir jetzt auch auf den Rasen übertragen.“
Der Moment, auf den ganz Santo André seit Wochen gewartet hat, dauerte 115 Sekunden. Von neun Polizei-Motorrädern und vier Jeeps der Militärpolizei begleitet rumpelten die drei Kleinbusse mit den deutschen Nationalspielern am frühen Sonntagmorgen von der Fähre.
Thomas Müller, schon ganz Brasilianer, hob den Daumen, Lukas Podolski und Miroslav Klose grinsten. Die Sonnenbrille wollte Joachim Löw nicht absetzen, aber auch der Nationaltrainer winkte den knapp 200 Dorfbewohnern durch die getönten Busscheiben zu. Ein bisschen Gekreische, einige wedelnde Fähnchen. Dann, nach nicht mal zwei Minuten, war es schon wieder vorbei. Zumindest fast.
Den größten Unterhaltungswert bei der ersehnten Ankunft der deutschen Nationalmannschaft hatten nämlich keinesfalls die vorbeirauschenden Fußballer, sondern viel mehr der direkt darauf folgende Mannschaftsbus. Erst nach 20 Minuten schafften es Brasilianer und Deutsche, das tonnenschwere Gefährt ohne all zu viele Kratzer und Dellen von der Fähre zu navigieren. Für die drei schwitzenden Mitarbeiter der Fähre ein erster Stresstest, für die Schulkinder aus Santo André ein herrliches Vergnügen.
Aller Anfang ist schwer.
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Viel mehr als für den Bus gilt diese Binse vor allem für die Nationalmannschaft. Der Start in Brasilien ist gleichbedeutend mit dem Ende der WM-Vorbereitung – und diese war deutlich holpriger als die Busankunft. Die Pipi-Affäre von Großkreutz, Löws Führerscheinentzug, der schwere Unfall bei einem PR-Termin und schließlich, als es gar nicht mehr hätte schlimmer werden können, das Reus-Drama von Mainz.
Geschützt wie ein G8-Gipfel
Doch selbst der letzte Nackenschlag, das versuchte Team-Manager Oliver Bierhoff in Santo André am Pfingstmontag deutlich zu machen, soll und darf die Mission Mundial der Nationalelf nicht beeinträchtigen. Schließlich, sagte Bierhoff, hätte das Nationalteam auch vor vier Jahren einen Last-Minute-Schock verdauen müssen. Damals fiel Kapitän Michael Ballack nach einem üblen Foul von Kevin-Prince Boateng für die WM aus. Die Folge: eine herausragende Weltmeisterschaft.
„Bei der Ankunft mit der Fähre konnte ich in den Gesichtern der Spieler diese besondere Atmosphäre hier sehen. Hier spüren wir den Rhythmus Brasiliens, und den wollen wir jetzt auch auf den Rasen übertragen“, sagte der DFB-Manager, der nun aus dem Campo Bahia möglichst schnell ein Camp der guten Hoffnungen machen will.
Ausgerechnet das ähnlich wie ein G8-Gipfel geschützte Quartier, über das monatelang kontrovers berichtet wurde, soll also nach der Pleiten-Pech-und-Pannen-Vorbereitung Löws letzter Trumpf bei dieser WM werden. Tischtennisplatte, Dartscheibe und Billardtische sorgen in der Luxusherberge für echte Jugendherbergsatmosphäre, auch die Playstation für Mesut Özil und Kollegen fehlt natürlich nicht.
Camp der guten Hoffnung
Doch selbst ein Camp der guten Hoffnungen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Woche vor dem WM-Start eine echte Stammelf noch lange nicht in Sicht ist. In der Defensive gesetzt sind wohl lediglich Keeper Manuel Neuer, sofern er fit wird, sowie Mats Hummels und Per Mertesacker in der Innenverteidigung. Die Besetzung der linken Abwehrseite scheint dagegen offen, auch wenn Benedikt Höwedes die Nase vorn haben soll.
Rechts hinten dürfte Jerome Boateng spielen – allerdings auch nur, wenn Philipp Lahm tatsächlich in einem 4-3-3-System mit Sami Khedira und Toni Kroos im zentralen Mittelfeld aufläuft. In der Offensive gelten Thomas Müller und Özil als gesetzt. Offen ist auch der Reus-Ersatz. „Lukas Podolski und André Schürrle haben im Trainingslager irgendwie einen guten Eindruck gemacht“, sagte Löw, der nach dem Reus-Schock irgendwie sehr oft das Wort „irgendwie“ benutzte.
Immerhin: Der Start in Brasilien und die ersten zwei Tage im Camp der guten Hoffnungen dürfen als gelungen bewertet werden. Zumindest irgendwie.