Sinsheim. Aus Angst vor Ultras verhindert Grindel die Austragung des Peru-Länderspiels in Frankfurt. Wer möchte dem DFB-Präsidenten schaden?
Einer der letzten unbeschwerten Tage im öffentlichen Leben von Reinhard Grindel (56) dürfte der 15. Mai gewesen sein. Da saß er in Dortmund im Fußball-Museum neben Bundestrainer Joachim Löw, der da noch Weltmeister-Trainer war, und gab die Vertragsverlängerung bekannt. Grindel lächelte zufrieden. Zukunft gesichert. Gute Nachrichten. Dann ging’s bergab.
Die WM in Russland verkam mit dem Vorrunden-Aus zu einer historischen Blamage, die Vertragsverlängerung mit Löw rückblickend zu einem Akt des Leichtsinns. Die Foto-Affäre um die Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan geriet zum PR-Desaster für den Verband. DFB-Präsident Grindel wurde von Özil als Rassist dargestellt.
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Grindels Macht und sein Ansehen bröckelten. Hat er eine Zukunft als Präsident? Es heißt, dass er dazu den Zuschlag als Gastgeber der EM 2024 benötigt. Doch ausgerechnet in diesem Zusammenhang ist Grindel erneut zum Mittelpunkt einer brisanten Affäre geworden.
Frankfurt-Ultras genießen miesen Ruf
Wie das Nachrichtenmagazin Der Spiegel am Samstag berichtete, hätte das Länderspiel gegen Peru am Sonntagabend (bei Redaktionsschluss nicht beendet) eigentlich in Frankfurt ausgetragen werden sollen. Dort, wo der Bundesligist Eintracht zu Hause ist. Dessen Ultra-Fans genießen, um es vorsichtig zu formulieren, nicht den besten Ruf.
Grindel soll in einer E-Mail an seinen Vizepräsidenten Rainer Koch gebeten haben, dass der Peru-Test nach Sinsheim verlegt wird, um nicht knapp drei Wochen vor der Vergabe der EM 2024 durch den europäischen Verband Uefa (27. September) einen Imageschaden zu erleiden. Fernsehbilder zum Beispiel, auf denen Chaoten Pyrotechnik zünden, könnten ein schlechtes Licht auf den DFB werfen.
Nun hat der DFB eine Maulwurf-Affäre am Hals: Wer im Verband hat den Inhalt des internen Gedankenaustauschs zwischen Führungskräften an die Öffentlichkeit lanciert? Wer wollte Grindel schaden?
Umgehend nach Veröffentlichung meldete sich der DFB zu Wort und wollte die pikante Angelegenheit herunterspielen: Die Vergabe der Partie nach Sinsheim sei erfolgt, um ein möglichst ausverkauftes Stadion zu gewährleisten. Das im Vergleich zu Frankfurt deutlich kleinere Stadion konnte in den letzten Tagen vor dem Spiel gegen den nicht gerade attraktiven Gegner in der Tat noch als ausverkauft (25 494 Zuschauer) gemeldet werden.
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Doch das Magazin legte nach und veröffentlichte am Sonntag die vorliegenden Mails, aus denen er bereits zitiert hatte. „Ich halte das Risiko, dass wir bei dem Länderspiel ein Desaster erleben und dies kurz vor der EURO-Vergabe negative Auswirkungen hat, einfach für zu hoch, weil für mich die Frankfurter Ultra-Szene viel zu unberechenbar ist“, schrieb Grindel Ende Februar an Koch. Auf „klassische Argumente“, dass Ultras keine Länderspiele besuchen, wolle er sich „nicht so gerne verlassen. Man kann (...) die Befürchtung haben, dass die ja keineswegs dummen Ultras uns das Projekt EURO 2024 gerade kaputtmachen wollen, indem sie dort ein Inferno veranstalten“.
Koch war die Sache nicht geheuer. Er schrieb zurück: „Eine negative Stimmungslage kann gerade dann aufkommen, wenn herauskommt, dass wir Frankfurt abgelehnt haben, obwohl Frankfurt jetzt in der Abfolge der Länderspielstandorte klar an der Reihe ist und alle generellen Vorgaben erfüllt sind. Wenn nach einer Ablehnung Frankfurts Stimmung insbesondere gegen dich persönlich wegen deiner Haltung gemacht würde (es bleibt ja nichts geheim), wäre das geradezu kontraproduktiv.“
Grindel setzte sich gegen die Bedenken durch. Der größte Sportfachverband der Welt kuscht vor ein paar Chaoten, mit denen ohnehin eher nicht im Stadion zu rechnen war. Grindel, betonte Koch am Samstag bei Sky, habe niemanden „overrulen“, also überstimmen müssen. Aber auch danach sehen die Mails eher nicht aus.
Ein kleiner Kreis kannte die E-Mails
Wer also hat die Maulwurf-Affäre ausgelöst? Unbestritten ist: Die E-Mail kannten Grindel und Koch sowie der DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius, der aber als treuer Mitarbeiter Grindels gilt, und deren DFB-Büromitarbeiter in Frankfurt. Einer oder eine muss den Schriftverkehr durchgesteckt und die EM-Bewerbung torpediert haben.
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„Im Fußball bleibt nichts geheim, insofern muss man das hinnehmen. Schön ist das nicht, das sage ich ganz offen“, sagte Grindel. Es sei normal, in einer Präsidiumssitzung alle Argumente über einen Austragungsort abzuwägen. Entscheidend seien die Ultras nicht gewesen. Grindel: „Entscheidend war, dass wir ein volles Stadion wollten.“