St. Petersburg/Moskau. Im Halbfinale der Fußball-WM kommt es besonders auf die Torhüter Hugo Lloris, Thibaut Courtois, Jordan Pickford und Danijel Subasic an.
Ohne Übertreibung: Manuel Neuer hat vor vier Jahren Maßstäbe für eine ganze Berufsbranche gesetzt. WM-Achtelfinale in Brasilien gegen Algerien: ein mühseliger 2:1-Sieg, von dem weniger die Torschützen in Erinnerung bleiben als der deutsche Nationaltorhüter, dessen Spiel seitdem als stilbildend für alle Kollegen gilt. Dann das Viertelfinale gegen Frankreich: Deutschlands 1:0 bereitet noch heute Karim Benzema Kopfschmerzen, Neuers rechte Hand schnellt in der Schlussphase in die Höhe und wehrt den Schuss des Starstürmers aus kurzer Distanz ab. Gut, im Halbfinale beim 7:1 über Gastgeber Brasilien fällt Neuer nur eine kleine Rolle zu. Im Finale gegen Argentinien aber riskiert er wieder Kopf und Kragen, faustet notfalls neben dem Ball auch Gegenspieler Gonzalo Higuain beiseite und holt mit Deutschland den Titel. Die WM 2014 ist die WM des Torhüters.
Belgiens Torwart: An Courtois verzweifelt auch Neymar
Vier Jahre später haben die Torhüter bei dieser WM ebenfalls von sich reden gemacht. Vor allem jene, die mit ihren Mannschaften in den Halbfinals stehen. An diesem Dienstag (20 Uhr/ARD) begegnen sich Frankreich und Belgien in St. Petersburg, am Mittwoch (20 Uhr/ZDF) folgt das zweite Halbfinale zwischen England und Kroatien in Moskau. Dass diese Mannschaften die Versetzung in die Runde der letzten Vier geschafft haben, hat in allen Fällen maßgeblich mit ihren Torhütern zu tun.
Belgiens Thibaut Courtois (26/ FC Chelsea) lenkte im Viertelfinale in der vierten Minute der Nachspielzeit den perfekten Schuss von Brasiliens Neymar mit seiner enormen Spannweite noch über die Latte. Jordan Pickford (24/FC Everton) hatte im Achtelfinale gegen Kolumbien mit zwei Paraden den Beweis geliefert, dass England bei der WM ein Elfmeterschießen gewinnen kann, und er wehrte auch im Viertelfinale drei Chancen der Schweden bemerkenswert ab.
Kroatiens Torwart: Subasic auf einer Stufe mit Schumacher
Kroatiens Danijel Subasic (33/AS Monaco) schrie gegen den WM-Gastgeber Russland erst vor Schmerzen, weil sich seine Muskelfasern auf der Rückseite des rechten Oberschenkels meldeten. Und doch hielt er später den Elfmeter von Fjodor Smolow, womit er den Rekord des Deutschen Toni Schumacher (WM 1982 und 1986) sowie des Argentiniers Sergio Goycochea (1990) einstellte, die ebenfalls jeweils vier Elfmeter im Turnierverlauf pariert hatten. Und Frankreichs Hugo Lloris (31/Tottenham Hotspur) hielt kaum weniger spektakulär als Courtois gegen Neymar im Viertelfinale gegen Uruguay einen Kopfball von Martín Cáceres kurz vor der Pause.
Englands Torwart: Pickford lobt sich am liebsten selbst
Lloris’ Kollege Kylian Mbappé sprach danach von einer „unglaublichen Parade“, mit der sich der Torwart für immer „in der französischen Geschichte verewigt“ habe. Bei Courtois war es sogar der Gegner, der ihm den schönsten Kranz flocht. „Belgien war gut, effektiv und hatte Courtois, einen erleuchteten Torwart. Er hat den Unterschied gemacht“, sagte Brasiliens Trainer Tite und ergänzte: „Sie hatten alles, aber kein Glück. Und sie hatten Courtois.“ Pickford übernahm die in der Vergangenheit für englische Torhüter eher seltenen Belobigungen teilweise selbst, als er über seine Vorbilder sprach, über Neuer und den Spanier David de Gea. „De Gea ist der Beste. Aber so weit wie er vor ein paar Jahren bin ich jetzt auch”, befand Pickford und setzte sich neben dem WM-Titel auch die Ehrung mit dem Goldenen Handschuh zum Ziel: „Ich will der beste Torwart der WM werden.“ Zumindest zum Spieler des Spiels hat er es gegen Schweden schon gebracht, mit einer Leistung, die sein Trainer Gareth Southgate als „superb“ einstufte.
Frankreichs Torwart: Kann Lloris Neuer kopieren?
Natürlich wird es in den Halbfinals auch in besonderem Maße um die auffälligsten Feldspieler dieses Turniers gehen: um Frankreichs Mbappé und Antoine Griezmann, um Belgiens Dreizack Eden Hazard, Kevin De Bruyne und Romelu Lukaku, zudem um Englands Harry Kane und um Kroatiens Luka Modric. So wichtig sie für ihre Mannschaften auch sind, so vergleichsweise begrenzt kann doch ihr Einfluss auf die Entscheidung über Sieg oder Niederlage sein. Vor allem in K.o.-Spielen einer WM, die sich nicht selten bis zum Elfmeterschießen zuspitzen. Um Weltmeister zu werden, kommt es ganz maßgeblich auf die Torhüter an. Und über einen von ihnen werden die Geschichten auf dem Weg zum WM-Titel bald in den Legendenschatz übergehen. Hugo Lloris hat es 2014 erlebt, als Neuers Parade gegen Benzema den Deutschen den 1:0-Sieg rettete und der Münchener damit vielleicht den wichtigsten seiner Beiträge zum späteren Titelgewinn leistete.