Samara. Das Viertelfinale der WM zwischen den Favoriten Brasilien und Belgien ist ein Duell der echten Seleção gegen Europas Brasilianer.
Die Stimmung am Tag danach hätte im brasilianischen Lager kaum besser sein können. 2:0 gegen Mexiko gewonnen. Check. Als fast letztverbliebener Topfavorit das Viertelfinale erreicht. Check. Im dritten Spiel in Folge kein Gegentor gefangen. Check. Und sich nicht einmal vom weltweiten Gerede über Schauspieler Neymar verrückt machen lassen. Check. Check. Check. Und so war das öffentliche Training der Brasilianer in Sotschi am Abend genau als das gemeint, als das es auch aufgefasst wurde: als Demonstration des eigenen Selbstbewusstseins. „Somos Brasil!“ Wir sind Brasilien! Der Rest? Nicht so wichtig.
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Es liegt in der Natur der Sache, dass dieser Rest die Sachlage am Tag nach den beiden Achtelfinals am Montag ein wenig anders bewertet. „Wir gehen ins Spiel, um es zu gewinnen. der Einzug ins Viertelfinale hat überhaupt keine Bedeutung, wenn wir das nicht schaffen“, sagte Belgiens Kevin de Bruyne, dem nach dem glücklichen 3:2-Kraftakt gegen Japan die eigentliche Favoriten-Konstellation am kommenden Freitag in Kasan natürlich nicht entgangen ist: „Brasilien ist einer der Turnierfavoriten. Aber wenn man ein Turnier gewinnen will, muss man jede Mannschaft schlagen“, sagte der frühere Bundesligaprofi von Werder Bremen und dem VfL Wolfsburg. „Wir müssen nur auf uns schauen und unseren Job machen.“
Nacer Chadli erzielte Belgiens Last-Minute-Treffer
Doch genau daran hatte es im Achtelfinale gegen die Japaner eben lange Zeit gemangelt. Die ewigen Geheimfavoriten aus Belgien, die nach der starken Vorrunde bereits als „Europas Brasilianer“ gefeiert wurden, spielten zwar auch in Rostow am Don brasilianisch nach vorne, vernachlässigten ihre Defensive aber doch sehr. Und als es plötzlich 2:0 für Japan stand, glaubte kaum noch einer an das vorweggenommene Finale der (echten) Brasilianer gegen die (belgischen) Brasilianer.
Was dann aber folgte, gehört in die Kategorie „Historisches“. Eine Kopfball-Bogenlampe von Jan Vertoghen (69.) und ein Kopfball-Torpedo von Marouane Fellaini (74.) drehten das Spiel, dem nur noch der Milchschaum oben drauf fehlte. Und der sollte folgen: Im Handball hätte man wohl von einem Tor nach einer „Schnellen Mitte“ gesprochen. Handgestoppte neun Sekunden vergingen vom Abwurf Thibaut Courtois‘ bis zu Nacer Chadlis Last-Minute-Treffer auf der Gegenseite.
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Tor, Jubel, Abpfiff – und die Gewissheit, dass sich Fußballfans auf dem ganzen Planeten nun auf das Blockbuster-Spiel dieser WM zwischen Brasilien und Belgien am kommenden Freitag freuen dürfen. „Das ist so ein Spiel, von dem man schon als kleiner Junge geträumt hat“, schwärmte Belgiens Nationaltrainer Roberto Martínez, der die Favoritenrolle freiwillig dem Original aus Südamerika überließ: „Natürlich sind wir der Außenseiter. Brasilien ist das beste Team dieser WM.“
Diesen Nachweis sind die echten Brasilianer trotz eines Gesamt-Torverhältnisses von 7:1 (!) bislang allerdings überwiegend schuldig geblieben. Statt Feinschmeckerhäppchen wurde den verwöhnten Fans eher Hausmannskost geboten – und zur Würzung eine Priese Neymar-Spektakel. Der Topstar der Seleção könnte am Ende dieser Weltmeisterschaft gleich doppelt ausgezeichnet werden: als bester Fußballer und als mit Abstand bester Schauspieler.
Brasiliens Casemiro fehlt im Viertelfinale wegen einer Gelb-Sperre
Auch gegen Belgien wird man sich wahrscheinlich wieder auf das gesamte Neymar-Repertoire freuen dürfen. Weniger freuen dürften sich die Brasilianer dagegen, dass mit Mittelfeldstaubsauger Casemiro der wahre Schlüsselspieler aus Tites Team gelbgesperrt fehlt. Der Trainer hat sich aber bereits festgelegt: Den Real-Madrid-Star wird Fernandinho ersetzen. Warum sollte er daraus auch ein Geheimnis machen?