Moskau. Frankreich hat sich den ersten Platz in der WM-Gruppe C gesichert - mit einem 0:0 gegen Dänemark in einem äußerst zähen Spiel.

Annähernd 20 Jahre liegt der größte WM-Erfolg Dänemarks zurück, doch obwohl der damalige Viertelfinalist nun erstmals seit 2002 ins Achtelfinale einzog und seit mittlerweile 18 Spielen nicht bezwungen worden ist, kam nach dem Spiel am Dienstag keine Partystimmung auf. Das lag an jenem sedierenden 0:0 gegen den Gruppensieger Frankreich, dessen Nachbetrachtung durchaus als Schlafmittel zugelassen und ärztlich verordnet werden könnte. Statt mit Danish Dynamite traten die Skandinavier eher wie Betonbauer vom Skagerak auf, obwohl aus dem Parallelspiel in Sotschi wenig Gefahr drohte. Dort unterlag Australien, das eigentlich einen Sieg benötigt hätte, gegen Peru 0:2. Und weil in Moskau Frankreich ebenfalls nur bedingt inspiriert und mit einem halben Dutzend Akteuren aus der zweiten Reihe aufgetreten war, geriet das dritte WM-Spiel des EM-Zweiten von 2016 noch weniger begeisternd als die beiden knappen Siege gegen Australien und Peru zuvor. Nur die Zuschauer zeigten Engagement: Sie pfiffen nach Leibeskräften.

„Ich bin sehr zufrieden. Wir brauchten einen Punkt, und Frankreich ist eine der besten Kontermannschaften. Wir wären dumm gewesen, wenn wir ihnen Räume geöffnet hätten“, rechtfertigte Dänemarks Trainer Age Hareide nach der als Frage getarnten These, dies sei das bisher schlechteste Spiel der WM in Russland gewesen. Auch Hareides französischer Kollege Deschamps stellte erst einmal heraus, das eigene Ziel erreicht zu haben. „Es war das Wichtigste, Gruppenerster zu werden“, sagte er, gab aber immerhin zu: „Es war kein begeisterndes Spiel.“

Menschlich etwas nachvollziehen ließ sich der risikoarme Kick beider Mannschaften durchaus, angenehmer machte es diesen für die zahlende Kundschaft aber nicht. Die vorzeitig fürs Achtelfinale qualifizierten Franzosen hatten noch einen Punkt benötigt, um den Gruppensieg abzusichern. Ebenso die Dänen, die wussten, dass sie mit einem Unentschieden auf jeden Fall die Zulassung für die Runde der letzten 16 erlangen. So kam es dann auch, was nur deshalb keine größere Debatte nach sich ziehen dürfte wie das einst ähnlich gelagerte Ballgeschiebe zwischen Deutschland und Österreich in Gijón bei der WM 1982, weil Australien erst gar nicht in die Reichweite eines Sieges kam, mit dem es die Dänen noch hätte abfangen können, sofern diese verloren hätten.

Große Rotation bei Frankreich

Es war im Luschniki-Stadion ein Vergleich geworden, der angesichts der Ausgangslage erwartet schwerfällig daherkam. Nach einer Viertelstunde gab es zwar eine halbwegs gefährliche Chance für die Franzosen durch Olivier Giroud. Nach knapp einer halben Stunde wurden auch die Dänen erstmals gefährlich, als Christian Eriksen einlief, den Ball aber nicht vor dem herausstürzenden Torwart Steve Mandanda erreichen konnte. Mandanda, Stellvertreter des Stammtorwarts Hugo Lloris, war einer von insgesamt sechs Ergänzungsspielern, die Deschamps in die Startelf rotiert hatte. Verholfen hatte er Mandanda damit zu einem Rekord. Mit 33 Jahren und 90 Tagen ging dieser als ältester WM-Debütant in die Geschichte von Les Bleus ein. Bei den Dänen fehlte der Leipziger Angreifer Yussuf Poulen wegen einer Gelbsperre ebenso William Kvist wegen einer Rippenverletzung.

Viel verpassten sie nicht auf dem Platz. Vor der Pause gab es nur noch je einen Schuss des ehemaligen Dortmunders Ousmane Dembélé und von Giroud zu sehen. Beide verfehlten allerdings ihr Ziel. Nach 45 Minuten verabschiedeten die 78.011 Zuschauer die Mannschaften mit Pfiffen in die Kabinen. Die Franzosen mühten sich immerhin um etwas Initiative. Doch abgesehen von ihren drei halbwegs gefährlichen Torannäherungen ging es auf dem Rasen ungefähr so ereignislos zu wie auf dem Roten Platz Montagnachts um halb fünf. Und das, obwohl vor dem wenig überraschenden Ballgeschiebe ein Reizthema hervorgekramt worden war.

Die Würze fehlte

Es ging dabei um Hareides Aussagen, die Gegner Frankreich als durchaus despektierlich empfand. „Die Mannschaften an der Spitze der Weltrangliste sind die besten der Welt, das gilt aber nicht für Frankreich“, hatte der norwegische Trainer in Diensten der Dänen im Mai gesagt und ergänzt, die aktuelle Belegschaft des Weltmeisters von 1998 sei „nichts Besonderes“. Deschamps nahm diese Vorlage vor der gemeinsamen Verabredung auf und erklärte, seine Spieler wüssten um die Aussagen des Kollegen, „das gibt dem Ganzen Würze“. Doch die fehlte auch in der zweiten Halbzeit, und von Deschamps Versprechen, seine Mannschaft werde auf Sieg spielen, war kaum etwas zu sehen. Zwei Abschlüsse des dänischen Ausnahmekönners Eriksen gab es noch zu bewundern, dazu riss Frankreichs Nabil Fekir das Publikum mit einem Schuss ans Außennetz (70.) und einem weiteren aufs Tor (82.) immerhin zwei Mal kurz aus dem Dämmern. „Es war ein neutrales Spiel“, befand Deschamps später.

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    Nach einer guten Stunde fingen die Zuschauer an, immer wieder wegen des Ballgeschiebes zu pfeifen. Nur ein paar dänische Fans schunkelten und sangen noch verhalten. Die der Franzosen brachten nicht einmal mehr ein zaghaftes „Allez les Bleus“ zustande. Vermutlich waren sie dem Schlafmittel erlegen. Aufgewacht waren am Ende aber alle Beteiligten im Stadion: Durch das laute Pfeifen der Zuschauer.