Samara. WM-Gastgeber Russland war mit zwei Siegen ins Turnier gestartet. Gegen Uruguay wurde er auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.
Es ist im Nachhinein nicht mehr genau auszumachen, was zuerst die russischen Beine plötzlich so schwer hat werden lassen: die Trägheit von innen oder die Sommerschwüle von außen? Auf jeden Fall hat das Hochgefühl des WM-Gastgebers in der einstigen Raketenhochburg Samara einen ersten Stimmungsdämpfer abbekommen. Mit der 0:3 (0:2)-Niederlage im letzten Gruppenspiel gegen Uruguay haben sich die Russen einen Nasenstüber für die K.o.-Phase eingehandelt.
Nationaltrainer Stanislaw Tschertschessow hatte es ja irgendwie kommen gesehen. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, dürfen aber nicht überheblich werden“, hatte der 54-Jährige zuvor angemahnt. Der ehemalige Bundesligatorwart versuchte sein Ensemble vor allem in der ersten Halbzeit mit vermehrten Handzeichen zu höherer Aktivität aufzufordern. Vergeblich. Seine Kicker, die zuvor erst Saudi-Arabien (5:0), dann auch Ägypten (3:1) in Grund und Boden gerannt hatte, wirkten seltsam langsam, ja bisweilen lethargisch. Als habe jemand den Stecker gezogen.
Tschertschessow trug insofern seinen Teil zum Spannungsabfall bei, dass er die Leistungsträger Juri Schirkow und Alexander Golowin wegen einer drohenden Gelb-Sperre auf die Bank setzte. Der ewige Linksverteidiger und der laufstarke Dampfmacher sind eigentlich unentbehrliche Stützen. Immerhin hatte seine Mannschaft ja schon vorher das Achtelfinale erreicht, in der die Russen nun als Zweiter der Gruppe A in Moskau antreten.
Eine Menge Selbstvertrauen
Uruguay spielt als Gruppensieger bereits am Samstag in Sotschi. Und die Südamerikaner nehmen eine Menge Selbstbewusstsein mit, offenbarten sie in der Kosmos-Arena von Samara ihre individuelle Qualität, die letztlich schon zu einem schmucklosen Pflichtsieg genügte. Es langte eine aussichtreiche Freistoßsituation, damit Torjäger Luis Suarez mit einem 17-Meter-Flachschus die Weichen auf Sieg stellte (10.). Torwart Igor Akifeev hatte bei dem platzierten Freistoß das Nachsehen.
Zuvor hatte Denis Tscheryschew vor der Strafraumgrenze gegen Rodrigo Bentancur in höchster Not gefoult. Noch peinlicher sollte es für den Profi vom FC Villarreal werden, als er einen Schuss von Diego Laxalt so unglücklich abfälschte, dass ihm das 0:2 als Eigentor angekreidet wurde (23.). Die Auswechslung der russischen Nummer sechs nach 38 Minuten war folgerichtig. Zwei Minuten zuvor waren alle Hoffnungen ohnehin fast schon zerstoben, da sich Igor Smolnikov eine Gelb-Rote Karte wegen wiederholten Foulspiels einhandelte.
Pfeifkonzert zur Pause
In Unterzahl war es auch eingedenk der Witterungsbedingungen schwierig, wirklich an der Wende zu arbeiten. Das Publikum in der Millionenstadt am Wolgaufer verzieh den Protagonisten den blutleeren Auftritt der ersten Hälfte nicht: An den Pausenpfiff des senegalesischen Schiedsrichters Malang Diedhiou schloss sich das erste Pfeifkonzert an. Als die Mannschaft in der zweiten Halbzeit wieder mehr Engagement zeigte, schwoll auch gleich die Phonstärke bei den „Russia-Russia“-Rufen an. Vielleicht merkten die Zuschauer auch: Ohne den Schulterschluss wird es bei diesem Turnier nichts. Und so hatten die 41.970 Augenzeugen einmal sogar den Torschrei auf den Lippen, als Stürmer Artem Dzyuba verzog (75.). Der zweite russische Torschuss an diesem Nachmittag war eine bezeichnende Szene für die Harmlosigkeit der Hausherren. Wie es besser gemacht wird, zeigte Edinson Cavani bei seinem Abstauber zum 0:3-Endstand (90.)
Tschertschessow wird nun vor allem mentale Aufbauarbeit leisten müssen, damit das Achtelfinale nicht Endstation ist. Dass dabei zufälligerweise in der Hauptstadt Moskau gespielt wird, gefällt der russischen Delegation auf jeden Fall. Sie werden sich nun wieder auf ihre Trainingsbasis in dem Moskauer Vorort Nowogorsk zurückziehen. Und in dem wichtigsten Sportcluster russischer Fußballteams wird es bestimmt auch Möglichkeiten geben, diesem Team wieder mehr Energie zuzuführen.