Dortmund. Joachim Löw hat bei der Bekanntgabe des vorläufigen WM-Kaders Verständnis für die kritisierten Spieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan aufgebracht.
Die Bekanntgabe des WM-Kaders der DFB-Elf wurde mit ebenso großer Spannung erwartet, wie die Einschätzung des Bundestrainers zum Erdogan-Treffen seiner Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan. Trotz der heftigen Kritik an den Spielern, habe er keine Sekunde darüber nachgedacht, die beiden Spieler nicht zu nominieren, sagte der Bundestrainer.
Die beiden Mittelfeldstars von Arsenal London und Manchester City hatten am Sonntag in London den umstrittenen türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan getroffen und ihm signierte Trikots geschenkt. Die Partei des türkischen Präsidenten hatte ein Foto dieses Treffens auf Facebook und Twitter geteilt. In der Folge schlug den beiden Gelsenkirchener Fußballern mit türkischen Wurzeln heftige Kritik entgegen. Bundestrainer Joachim Löw zeigte nun aber auch ein "bisschen Verständnis" für Özil und Gündogan.
Jogi Löw zeigt auch Verständnis für Özil und Gündogan
Löw, der einst Trainer in der Türkei war, antwortete auf die Frage der Journalisten, dass der Verband und das Trainerteam den Spielern am Montag mitgeteilt hätten, dass das Treffen mit Erdogan "keine glückliche Aktion war". Wenn man für Deutschland spielt, dann vertrete man auch die deutschen Werte, so Löw, der dann hinzufügte: "Aber ich habe auch ein bisschen Verständnis. Denn es ist nicht immer einfach, wenn zwei Herzen in einer Brust schlagen. Die Spieler haben uns signalisiert, eigentlich keine politische Botschaft senden zu wollen. Ich kenne beide schon länger. Sie haben für die Integration in Deutschland viel getan. Wir werden uns im Trainingslager darüber unterhalten."
DFB-Präsident Reinhard Grindel wirbt für fairen Umgang mit Özil und Gündogan
Zuvor hatte auch DFB-Präsident Reinhard Grindel nach zunächst deutlicher Kritik an Mesut Özil und Ilkay Gündogan für die Zukunft zu einem fairen Umgang mit den beiden Nationalspielern aufgerufen. "Menschen können Fehler machen. Wir müssen das Maß wahren", sagte Grindel und ergänzte, viele Kritiker hätten über das Ziel hinausgeschossen.
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Auch Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff bezeichnete das Verhalten der türkischstämmigen Spieler als "unglücklich". Özil und Gündogan hätten sich der Wirkung bewusst sein müssen. Allerdings: "Man muss auch verstehen, wie Türken in dieser Sache ticken." Die DFB-Führung werde die WM-Fahrer "auf die Brisanz gewisser Fragen hinweisen, auch im Zusammenhang mit Russland". Dies sei jedoch ohnehin geplant gewesen.
Türkischer Verband bezeichnet Grindels Reaktion als "verleumderisch"
Auf die Aussagen des DFB-Präsidenten reagierte am Dienstag der türkische Fußballverband mit Empörung. Grindels "verleumderische" Kommentare hätten bei ihm "große Traurigkeit" ausgelöst, ließ der TFF-Vorsitzende Yildirim Demirören mitteilen: "Die ausgedrückten Gedanken sind absolut inakzeptabel."
Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes habe einen "schrecklichen Fehler" begangen, als er Politik und Sport vermischt habe. Demirören deutete gar an, Grindels Aussagen wären vor dem Hintergrund des Rennens der beiden Verbände um die Ausrichtung der EM 2024 taktischer Natur: "Der türkische Fußballverband wird sich solchen Verhaltens nicht bedienen und in seiner Bewerbung um die Euro weiterhin nach den Regeln der UEFA spielen."
So erklärt Ilkay Gündogan das Treffen mit Erdogan
Ilkay Gündogan hatte nach der ersten Kririk am Montag erklärt, dass das Treffen mit Erdogan eine Geste der Höflichkeit gewesen sei. In seiner Erklärung heißt es unter anderem: „Aus Rücksicht vor den derzeit schwierigen Beziehungen unserer beiden Länder haben wir darüber nicht über unsere sozialen Kanäle gepostet. Aber sollten wir uns gegenüber dem Präsidenten des Heimatlandes unserer Familien unhöflich verhalten? Bei aller berechtigten Kritik haben wir uns aus Respekt vor dem Amt des Präsidenten und unseren türkischen Wurzeln – auch als deutsche Staatsbürger - für die Geste der Höflichkeit entschieden. Es war nicht unsere Absicht, mit diesem Bild ein politisches Statement abzugeben, geschweige denn Wahlkampf zu machen. Als deutsche Nationalspieler bekennen wir uns zu den Werten des DFB und sind uns unserer Verantwortung bewusst. Fussball ist unser Leben und nicht die Politik.“
Emre Can soll Einladung von Erdogan abgelehnt haben
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Überzeugt hat die Erklärung Gündogans indes kaum jemanden. Die Kritik an den beiden Spielern hält auch am Dienstag an. Währenddessen berichtet die Zeitung "Welt", dass auch der deutsche Nationalspieler Emre Can, der bei Liverpool in England spielt, zu dem Treffen mit Erdogan eingeladen gewesen, aber abgelehnt haben soll. Für Rückfragen war der Pressesprecher von Emre Can am Dienstag leider nicht zu erreichen.
Claudia Roth verteidigt Fußball-Nationalspieler Gündogan und Özil
Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Claudia Roth, hat Ilkay Gündogan und Mesut Özil gegen Kritik an ihrem Auftritt mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hingegen verteidigt. „So falsch ich die Fotos finde: Wir sollten nicht höhere Ansprüche an zwei Fußballer stellen als an unsere Regierung", sagte die Grünen-Politikerin den Zeitungen der FUNKE MEDIENGRUPPE.
Die Bundesregierung liefere weiter Rüstungsgüter an Ankara, obwohl die türkische Armee die syrische Stadt Afrin völkerrechtswidrig belagere. Und wenn die CSU den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban hofiere oder Ex-Kanzler Gerhard Schröder zum besten Freund von Russlands Präsident Wladimir Putin aufsteige, „hat das gravierendere Folgen als eine unbeholfene Trikotübergabe“. Die Kritik an den beiden Nationalspielern „klingt dann doch stark nach doppelten Standards“. (mit SID)