Bochum. Was für ein Saisonauftakt im fast ausverkauften Bochumer Rewirpower-Stadion: Nach einer völlig verkorksten ersten Halbzeit drehte der VfL ein verloren geglaubtes Spiel gegen eine anfangs bärenstarke Gladbacher Borussia. 3:3 nach einem 0:3. Bundesliga verrückt.
Es sollte ja alles beseser werden beim VfL Bochum nach dieser grausamen Hinrunde in der Vorsaison. "Mitreißen" wollte man die Fans, so plakatiert es das Saisonmotto im Hochglanz-Format, so wollte man Euphorie wecken gleich beim Heimauftakt vor knapp 30 000 stimmungsvollen Anhängern.
Und dann kam die Gladbacher Borussia und zerriss alle guten Vorsätze schon nach wenigen Minuten dieser Saison. Eine glänzende Halbzeit-Premiere für Michael Frontzeck war das, den neuen Coach der Gladbacher, der endlich mehr Konstanz und Ruhe reinbringen soll in den Traditionsverein, der in den vergangenen Jahren seine Trainer häufiger wechselte als Boris seine Frauen. Obwohl Frontzeck auf vier potenzielle Stammspieler verzichten musste (Torwart Bailly, Daems, Meeuwes und Friend), zeigten die Fohlen eine erstaunliche Klasse: Spielfreude, Witz, Technik, Tempo, Torgefahr. Die in der ersten Halbzeit völlig indisponierten Oldies aus Bochum, ohne neue Spieler in der Startelf, ohne Schwung und im Schnitt gut 28 Jahre alt, wirkten gegen die frischen, wendigen Gladbacher wie eine Rentner-Band, der man die Instrumente geklaut hatte. Bochum unplugged - für das (Pfeif-)konzert sorgten bis zur Pause nur die Anhänger.
Aber dieser Unmut ging fast unter in den glückseligen Gesängen der rund 10 000 Gladbacher Fans, die das Stadion so fest in der Hand zu haben schienen wie ihre Elf die Partie. Frontzeck baute in den starken Offensiven Raul Bobadilla und Juan Arango sowie dem Sechser Thorben Marx drei Zugänge ein - mit überragendem Erfolg. Die Stürmer Bobadilla und Roberto Colautti, der den Vorzug vor Oliver Neuville erhalten hatte, sowie Karim Matmour und Arango über die Außen stürzten die behäbige VfL-Defensive von einer Verlegenheit in die nächste. Die Fohlen dominierten nach Belieben - und trafen. Arango eiskalt nach Colautti-Pass, das 0:1. Colautti, sechs Meter vor dem Tor von Marcel Maltritz und Anthar Yahia völlig allein gelassen, mit wuchtigem Kopfball nach Flanke von Kapitän Tobias Levels, der zuvor den überforderten Christoph Dabrowski ausgetanzt hatte - 0:2. Brouwers mit noch wuchtigerem Kopfball, erneut nach Levels-Flanke - 0:3. Philipp Heerwagen, die machtlose neue Nummer eins im VfL-Tor, konnte einem leid tun. Bis zur Pause ...
Denn Heerwagen war es, der die eigentlich doch unmögliche Wende einleitete. Kurz nach Wiederanpfiff rettete er gegen den frei vor ihm aufgetauchten Matmour - das 0:4, es wäre die Entscheidung gewesen.
Heerwagen hielt - Bochum wachte auf. Wie verwandelt kam der VfL aus der Kabine, mit Power, Biss, Aggressivität, vielleicht auch mit dem Mute der Verzweiflung. Mimoun Azaouagh scheiterte erst noch an Christofer Heimeroth, doch dann schlug die Minute des kleinen Technikers: Schlenzer in den Winkel zum 1:3, Hammerschuss wieder in den Winkel zum 2:3. Die 50. Minute - die Bochumer Fans standen wieder auf für ihren VfL. Und flippten fast völlig aus, als Stürmer Stanislav Sestak per Kopf den Ausgleich markierte (63.). Spiel gekippt in 18 Minuten.
Von den Gästen war offensiv kaum noch etwas zu sehen, wobei sie bereits kurz vor dem 3:3 auch numerisch in Unterzahl gerieten: Dante hatte nach einer Notbremse gegen Sestak die Rote Karte gesehen. Bochum, mit dem in der Halbzeit für Dabrowski eingewechselten Slawo Freier, drückte, der immer stärkere Joel Epalle und Diego Klimowicz vergaben das 4:3. In den letzten 20 Minuten fingen sich die Gäste wieder, der Bochumer Wirbel ließ nach, verpuffte zusehends. So avancierte Heerwagen noch einmal zum VfL-Retter, als er nach einem Reus-Schuss das Remis festhielt. Ein letztlich gerechtes Unentschieden.