Bochum. „Es gibt immer Nachahmer. Was in Köln passiert ist, kann morgen schon woanders passieren.“ Dirk Michalowski, seit 2003 hauptamtlicher Fanbetreuer des VfL Bochum, will damit nicht den Teufel an die Wand malen.

Aus Michalowskis Worten sprechen indes eine gehörige Portion Realismus und Erfahrung. Dass eine gewalttätige Gruppe den Kölner Profi Kevin Pezzoni zur Aufgabe genötigt und weggemobbt hat, markiert einen neuen Tiefpunkt im deutschen Profifußball und ist ohne Beispiel. Die Szene ist tief erschüttert, aber das war sie ja schon einmal - im November 2009, nach dem Freitod von Robert Enke.

Andreas Bergmann war zu dieser Zeit Enkes Trainer in Hannover, heute arbeitet er für den VfL Bochum. „Wir alle haben damals gesagt, dass wir anders miteinander umgehen wollen“, erinnert sich Bergmann. Für Wochen schien der Fußball, dieser ewige Kreislauf aus Gewinnen und Verlieren, Frust und Freude, Jauchzen und Jammern, ein Stück weit zurück zu treten - hinter das Individuum, den Menschen, seine Bedürfnisse, Nöte, ja Qualen. Die Hoffnung jedoch, dass die damalige Betroffenheit eine neue Kultur des gegenseitigen Respekts schaffen könne, sie trog.

Extreme Situationen

Für die Vorgänge in Köln findet Bergmann deutliche Worte. Zwar müsse man als Profi Drucksituationen aushalten können, aber „Grenzen“ dürften dabei nicht überschritten werden“. Kritik sei natürlich erlaubt, „aber nicht eine, die zur Bedrohung wird“. Und: Es gebe extreme Situationen, in denen man „solidarisch“ sein sollte und sich „wehren“ müsse.

Bergmann ist nun seit einem knappen Jahr in Bochum, er hat den Abstieg des VfL aus der Bundesliga im Mai 2010 nur aus der Ferne erlebt - dieses 0:3 gegen Hannover 96, ausgerechnet Hannover. Die VfL-Seele kochte, ein paar Durchgeknallte stürmten auf den Platz, legten sich mit den Spielern an. Viel fehlte nicht und Mergim Mavraj, der längst für Greuther Fürth spielt, hätte sich geprügelt. Eine heikle Situation sicher, aber auch eine, die nicht mit dem gezielten Terror von Köln vergleichbar sei, meint Dirk Michalowski. Mavraj habe eben am nächsten gestanden - und er sei keiner gewesen, „der zurückgeht“.

„Spieler als Hauptschuldige“

Grundsätzlich, gibt Michalowski seinen Eindruck wider, habe sich aber die Aggression etwas verlagert. Während sich früher der Zorn vor allem auf den Vorstand richtete, würden heute die „Spieler als Hauptschuldige“ ausgemacht, sie stünden nun „mehr in der Verantwortung“. Dabei macht VfL-Pressesprecher Christian Schönhals generell eine „überzogene Erwartungshaltung“ aus. Junge Fußballspieler seien „keine Politiker“, die alles erklären könnten.

Andersherum werde vielmehr ein Schuh draus, denn das Umfeld eines Klubs könne durchaus „eine Rolle spielen“, wenn junge Spieler sich zwischen diesem oder jenem Verein zu entscheiden hätten und Angst zum entscheidenden Faktor dieser Entscheidung werde. So könnte sich der Einfluss, den sich Gewalttäter verschaffen wollen und den sie nach Pezzonis Vertragsauflösung gerade lauthals bejubeln, letztlich als Bumerang erweisen - jedenfalls für den Klub.

Diese Gefahr sieht man in Bochum - noch - nicht. Aber Michalowski mahnt: „Wir müssen vorsichtig sein und aufpassen, was weiter passiert.“