Essen. In der Nachricht von der vorzeitigen Vertragsauflösung des Kölner Profis Kevin Pezzoni steckt ein Sprengstoff, dessen Wirkung über den Tag hinaus reicht. Dass ein Spieler von einem Mob durch Androhung von Gewalt in die Flucht geschlagen wird, ist eine neue Dimension. Ein Kommentar.
Bebende Arenen, spektakuläre Torszenen, jubelnde wie trauernde Fans, kurz: Gänsehaut-Atmosphäre. Die Bundesliga präsentiert sich Woche für Woche als faszinierende Bühne der Emotionen. Umso ernüchternder die Schattenseiten, die sich beim Blick hinter die Kulissen offenbaren. In der Nachricht von der vorzeitigen Vertragsauflösung des Kölner Profis Kevin Pezzoni, einem in dieser Branche eigentlich routinemäßigen Vorgang, steckt ein Sprengstoff, dessen Wirkung über den Tag hinaus reicht.
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Vereinsanhänger, die eine Trainerentlassung erzwingen: leider fast schon Alltag. Fans, die formschwache Kicker durch über das Normalmaß hinaus gehende Pfiffe verunsichern: kommt immer wieder vor. Dass jedoch ein Spieler von einem – im Mantel der Vereinsliebe daherkommenden – Mob durch Androhung von Gewalt in die Flucht geschlagen wird, ist eine neue Dimension. Unter dem Strich dieser beklemmenden Affäre steht: Diejenigen, die den 23-Jährigen zum Sündenbock stempelten und Angst einjagten, haben ihr Ziel erreicht und Sinnesgenossen in anderen Klubs ein fatales Beispiel gegeben. Womit wir bei der Mitverantwortung des 1. FC Köln wären.
Verein ging der Konfrontation aus dem Weg
Statt die von Trainer Holger Stanislawski beklagte „Grenzüberschreitung“ zu einem unmissverständlichen Zeichen zu nutzen, sprich: den Spieler demonstrativ zu schützen und zu stärken, ging der Verein der notwendigen Konfrontation mit dem Pöbel aus dem Weg und wählte die scheinbar bequemere Variante. Immerhin haben andere begriffen, für die stellvertretend DFL-Chef Reinhard Rauball Klartext sprach.
Nachdem im Kampf um den Schutz der Schiedsrichter, die zwischenzeitlich zum Freiwild geworden waren, gewisse Erfolge erzielt worden sind, gilt es, der bedenklichen Entwicklung Einhalt zu gebieten, dass radikaler Minderheiten gegen die eigenen Spieler mobil machen. Es ist nicht länger zu übersehen: Dem Fußball droht mittlerweile fast weniger Gefahr durch sportfremde, allein auf Gewalt fixierte Chaoten als durch falsche Freunde.
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Gerade angesichts der – zum Teil scheinheiligen - Reaktionen auf den Fall Pezzoni ist aber auch an die Mitverantwortung der Medien zu erinnern, die labilen und aggressiven Anhängern oft genug (mindestens) leichtfertig die Vorlagen für deren Extremreaktionen liefern. Auf ehrabschneidende, ins Persönliche gehende Kritik haben gewaltbereite Fans jedenfalls kein Exklusivrecht. Zumal in einer Zeit, in der jede unbedachte Bemerkung ein Millionenpublikum im Internet erreicht, ist bei der Wortwahl (was ausdrücklich auch als Selbstkritik zu verstehen ist) mehr Sensibilität gefragt als beim Umgang mit dem Ball.