Bochum. . Nach einer beispiellosen Verletzungsgeschichte kommt Philipp Bönig allmählich wieder auf die Beine. Aber sein Vertrag läuft im Sommer nach neun Jahren beim VfL Bochum aus. Für das Trainingslager wird es bei Bönig wohl auch nicht reichen und mit Toski und Ostrzolek hat er zwei Konkurrenten vor sich.
Das Entscheidende, heißt es, kommt immer am Schluss. Und so sagt Philipp Bönig kurz vor der Verabschiedung, dass es „ganz, ganz wichtig“ sei, „zu relativieren“, das eigene Schicksal richtig einzuordnen und zu gewichten im Getriebe der Welt. Was also ist schon ein vom Pech verfolgter deutscher Fußball-Profi im Vergleich zu den Menschen, die unter Kriegen, Verfolgung, Hunger, Armut, unheilbaren Krankheiten oder Arbeitslosigkeit zu leiden haben?
Andererseits: Ein Spieler, der nicht spielen darf, kann nicht glücklich sein. Von „traurigen Momenten“ spricht Bönig, auch von „leichten Zweifeln“, die es gegeben habe. Im März wird er 32, ein paar Monate später läuft sein Vertrag mit dem VfL aus. Dann hat er neun Jahre Bochum hinter sich. Der Bayern-Spross weiß, dass es „inzwischen sehr selten ist, so lange bei einem Verein zu bleiben“.
Bönigs Karriere: Eine steil abfallende Linie
Würde man Bönigs Karriere graphisch darstellen, sähe man eine steil abfallende Linie. 18 Mal hat er noch in der Saison 2008/2009 gespielt, weiter ging es so: 10 Einsätze, dann 6 und nun - in den ersten 19 Liga-Spielen der laufenden Saison - ganze 35 Minuten. Das war in Rostock, der VfL bot eine Leistung, die noch unbeschreiblicher war als die später beim 0:4 gegen Paderborn; und Philipp Bönig, der Mann, der noch nie des Feldes verwiesen worden war, flog vom Platz. Von „Dummheit“ spricht er, und man spürt auch jetzt noch, Monate später, den Ärger über sich selbst.
Die Talsohle war damit jedoch noch nicht durchschritten. Bereits zuvor hatte sich Bönig immer wieder durch die Reha kämpfen und sich langsam rantasten müssen - an die Ballarbeit, das Mannschaftstraining, die Wettkampfpraxis. Man stellt sich unwillkürlich diese Frage: Muss einer wie Philipp Bönig, schmal, blass, eher fragil und fast immer am physischen Limit spielend, irgendwann der steigenden Belastung Tribut zollen? Regeneriert der Körper nicht mehr so, wie er sollte?
Lange Zeit gab es kaum Bewegung im Heilungsverlauf
Vielleicht. Aber eine langwierige Schambein-Geschichte, mit der die böse Serie ihren Anfang nahm, kann auch robusteren Naturen lange zusetzen, und die folgende Ellenbogen-Verletzung, die so ziemlich alles in Mitleidenschaft zog - Muskeln, Knochen und Bänder -, mag man unwidersprochen unter der Rubrik Pech einordnen. Dass sich schließlich dem diagnostizierten Bandscheibenvorfall auch noch ein relativ seltener und schwer zu erkennender Kreuzbeinbruch zugesellte, dass ein Keim die Auszeit noch um einige Wochen verlängerte und Gehhilfen erforderte, mutet für einen Berufssportler an wie ein schlimmer Traum. Eine Zeitlang, gibt Bönig zu, habe sich im Heilungsverlauf „wenig bis nichts bewegt“, da sei er schon „sehr down“ gewesen.
Mehr dazu gestattet sich der Außenverteidiger nicht, das Klagelied ist nicht sein Ding. Zumal „der Fortschritt in den letzten zwei Wochen immens“ gewesen sei. Der gebürtige Erdinger, der nun seit fast elf Jahren im Ruhrgebiet lebt und hier auf ein stabiles „soziales Umfeld und ein Stück Heimat“ bauen kann, schaut auf sich, seine Fitness und seinen Körper. Andere Dinge kann er ohnehin nicht beeinflussen. Dass der aktuelle Trainer Andreas Bergmann eine DVD einlegen muss, um etwas über den Spieler Philipp Bönig sagen zu können, liegt weder an Bergmann noch an Bönig und ist einfach zu akzeptieren, ebenso wie die Prioritätenliste des Klubs, auf dem neue Außenverteidiger ganz oben stehen.
"Profifußball ist kein Wunschkonzert"
Sicher, der Vater zweier Töchter würde seine Spielerkarriere gerne „hier beenden“, er hat auch „im Hinterkopf, dass der Vertrag im Sommer ausläuft“ und will nicht, dass dieses vermaledeite Spiel in Rostock sein „einziges“ in dieser Saison bleibt.
Nüchtern betrachtet war es das jedoch für ihn in Bochum. Erst in der kommenden Woche darf er an den Ball, das wird nicht reichen, um mitzufahren ins Trainingslager. Mit Matthias Ostrzolek und nun Faton Toski hat er zwei Konkurrenten vor der Nase, außerdem sucht der Klub nach einer weiteren Alternative. „Profifußball ist kein Wunschkonzert“, sagt Bönig und fügt dann hinzu: „Aber das Feuer brennt noch.“ Aufgeben gilt nicht.