München. . Nach starken 30 Minuten gewinnt Bochum letztlich verdient in München 3:1. Doch auch gegen die 60er klappte beim VfL längst nicht alles. In allen Mannschaftsteilen gab es neben viel Licht auch noch einige Schatten.
So richtig ausgelassen jubelten die Bochumer nicht nach dem ersehnten Schlusspfiff in München. Erschöpft wirkten sie, vielleicht waren sie auch einfach nur erleichtert nach den zwei unterschiedlichen Gesichtern, die sie an diesem sonnigen Frühlingstag im November gezeigt hatten in der Allianz-Arena. Es hätte ja ein Festival werden können, letztlich wurde es aber doch wieder eine Zitterpartie, in der erneut Bochums Konstante, Torwart Andreas Luthe, den insgesamt verdienten 3:1-Sieg festhalten musste.
Jens Todt sieht "beste erste Halbzeit"
Es ging also gut, und noch wichtiger als der erste Erfolg bei einem Gegner, der vor dem VfL rangiert, war die Erkenntnis, dass „die Entwicklung insgesamt positiv ist“, wie Sportvorstand Jens Todt zu Recht feststellte. Denn die Bochumer versteckten ihr spielerisches Potenzial nicht mehr unter dem Deckmantel von taktischen Zwängen, Mutlosigkeit, Verunsicherung und Selbstzweifel. Eine halbe Stunde lang spielten sie - unverändert mit zwei Spitzen und einer offensiv ausgerichteten Raute im Mittelfeld - mit erschreckend zahmen Löwen Katz und Maus, spielten „großartig nach vorne“, wie Todt konstatierte, spielten „die beste erste Halbzeit, die ich bisher gesehen habe“, so Trainer Andreas Bergmann nach seinem vierten Erfolg im siebten Zweitliga-Spiel.
Und doch konnten sie alle, Spieler wie Verantwortliche, hinterher „nur“ von einem „kleinen Schritt nach vorne“ sprechen, nicht von einem großen Satz. „Unserer jungen Mannschaft fehlt noch die Stabilität, um solch ein Spiel souverän runterzuspielen“, erkannte Bergmann die Schwächen, Pass- und Stellungsfehler, die um sich greifende „Hektik“ in Halbzeit zwei.
Dabrowski findet Sicherheit zurück
Dabei hätten die Bochumer ihren rund 400 stimmgewaltigen Anhängern das große Bangen ersparen können. Der allgegenwärtige Takashi Inui im Zentrum und Giovanni Federico, der erneut auch nach hinten beherzt mitarbeitete, zelebrierten Fußball. Christoph Dabrowski ergänzte die „Kreativen“ mit seiner Präsenz, seiner Laufarbeit und wieder gefundener Sicherheit hervorragend. Auch wenn der schwache Chong Tese und der nur läuferisch überzeugende Daniel Ginczek im Angriff nicht ihren besten Tag hatten, ließ der VfL eindrucksvoll Ball und Gegner laufen - die Löwen ließen sich vorführen. Die Fans pfiffen schon nach 20 Minuten, Trainer Reiner Maurer war „außer sich vor Wut“ und watschte seine Spieler so derbe ab wie nie zuvor in seiner Amtszeit beim TSV 1860: „Die erste halbe Stunde war unterirdisch, eine Katastrophe.“
Inui zwischen Genie und Wahnsinn
Vielleicht hatte der VfL sie auch überrascht mit seinem flotten, flüssigen Kombinationsspiel, in dem selbst der - später stark nachlassende - Rechtsverteidiger Björn Kopplin gute Szenen hatte. Das Dumme: Nur Inui (8.) und ein Eigentor von Benjamin nach einer Ecke - beides Mal legte Federico auf - führten zu Treffern. Inui, bei dem sich Genie und Wahnsinn noch zu oft abwechseln, stand dabei im Fokus. Sein gezielter Schuss aus der eigenen Hälfte, aus über 50 Metern über Torwart Gabor Kiraly hinweg wäre das „Tor des Jahres“ gewesen - der Ball landete an der Unterkante der Latte. Kurz darauf drosch der Japaner den Ball aus vier Metern übers leere Tor. Und das hätte sich fast gerächt.
Sinkiewicz wackelt in der Abwehr
Nach einer halben Stunde nämlich ließen die Bochumer nach, im zweiten Durchgang lief kaum noch etwas zusammen. Auch die Konter wurden nicht konsequent gespielt. Dagegen wackelte die Defensive bedenklich - allen voran Lukas Sinkiewicz. Der Innenverteidiger verschuldete mit einem „dummen Foul“ (Bergmann) - ähnlich wie bereits bei Union Berlin im September - erneut einen Elfmeter, den Andreas Luthe erneut parierte. Beim 1:2 sah er alt aus gegen Lauth. Und seine Gelbe Karte holte sich der 26-Jährige ab, weil er sich den Ball zu weit vorgelegt hatte und dann eine Grätsche auspackte. „Er hat ja lange nicht mehr gespielt“, nahm ihn Bergmann in Schutz. Bis zum Spiel gegen Cottbus aber dürfte der schmerzlich vermisste Marcel Maltritz seine Oberschenkelverhärtung auskuriert haben.
Bergmann sieht noch viel Luft nach oben
Die Aussetzer - nicht nur von Sinkiewicz - bügelte Luthe wieder aus, ehe der eingewechselte Mirkan Aydin, der ebenso schwer ins Spiel fand wie Mimoun Azaouagh, mit dem 3:1 für Erleichterung sorgte. Der VfL hat sich damit der Abstiegssorgen vorerst entledigt - von einer Aufholjagd Richtung Aufstiegsplatz aber faselt, und das ist ebenfalls eine wohltuende Erkenntnis, niemand. Denn 45 bis 60 wenig erbauliche Minuten zeigen ja auch und vor allem, dass „wir noch viel tun müssen“, so Bergmann.