Bochum.
Sechs, sieben Journalisten, der japanischen Sprache mächtig, warteten geduldig. Minutenlang. Redeten dann mit Takashi Inui. Minutenlang. Die deutschen Kollegen mussten sich ein wenig gedulden, bis einer grob übersetzte, was in dem neuen Hoffnungsträger des VfL so vor sich ging. Denn Inui, dieser kleine Tempofußballer mit der feinen Technik, ist doch praktisch gerade erst gelandet in Deutschland.
Die Sprache will er noch lernen - den ersten Schritt auf seiner neuen Bühne hat er bewältigt. Mit Bravour - ohne Happy-End. „Schade, dass ich mein Debüt verloren habe“, sagte der 23-Jährige, wirkte aber alles andere als frustriert. Eher froh, sein Können zeigen zu dürfen; in Europa, in Deutschland, in Bochum. „Hier zu spielen, ist ein ganz anderes Gefühl als in der J-League“, sagte Inui und meinte: das „Umfeld“; die „Stimmung“ im Stadion - und „das Spiel an sich“. Die Deutschen, so der Japaner, „grätschen häufig und gut, daran muss ich mich noch gewöhnen.“
Dabei zeigte er ja schon, wie man dieser Zerstörungskraft entkommen kann. Mit seiner Schnelligkeit mit und ohne Ball, seiner Wendigkeit, Beweglichkeit, Technik.
Inui im Blickpunkt - obwohl der starke Spitzenreiter St. Pauli gewonnen hatte. Von einem „tollen Debüt“ sprach Trainer Friedhelm Funkel, von einer „Riesenbereicherung“ Christoph Dabrowski. Inuis Pässe kannten nur eine Richtung: nach vorne. Eine Spielart, die dem Querpass-VfL zuvor so gefehlt hatte. Und die offenbar Mitspieler wie Slawo Freier, der seine stärkste Leistung seit langem bot, mitriss. „Das war ein klarer Aufwärtstrend, nur das Ergebnis stimmte nicht“, sagte Vorstand Jens Todt. Und: „Wenn wir so weitermachen, gewinnen wir die Fans zurück.“
Bochums Außenverteidiger waren Totalausfälle
Trainer Funkel nahm den Ball mit spürbarer Vorfreude auf - auch mit Blick auf Typen gehobener Klasse, die bisher fehlten; auf Mimoun Azaouagh, der aber noch einige Wochen brauchen wird. Und auf Chong Tese, der nun einen Mitspieler hat, mit dem er sich fließend unterhalten kann - was für Tese, Inui und den VfL nur von Vorteil sein kann. Den von Tese selbst erhofften, aber vom VfL untersagten Wechsel nach Leicester habe er abgehakt, versicherte Funkel: „Tese ist auf einem sehr guten Weg, bei Union Berlin wird er wenigstens auf der Bank sitzen.“ „Perspektivisch“ bedeute dies, dass der VfL auch „mit zwei Stürmern“ agieren könne: „Weil ich dann noch einen auf der Bank habe.“
Dass Funkel nicht mehr starr, was die Startformation angeht, an einem System festhält wie bis zum Pauli-Spiel, hat er ja bewiesen. Gegen den Bundesliga-Absteiger setzte er auf ein offensiveres 4-2-3-1. Mit Aha-Effekt: Dass die Partie trotz der Pleite „unser Maßstab sein muss“, lag ja nicht nur an Inui. Das gesamte Team ging mutiger, aggressiver zu Werke in den ersten 20 Minuten, griff geschlossen früh an. Dass der VfL bis zur Pause dann wieder zu spät, weit hinter der Mittellinie attackierte, lag sicher auch an dem Aus von Dabrowski: Kevin Vogt „musste ich praktisch kalt“ einwechseln, erklärte Funkel. Der Kapitän, dessen Einsatz in Berlin nach einer Innenbanddehnung fraglich ist (eine Kernspinuntersuchung soll heute Aufschluss geben), war auf der Doppelsechs neben dem spielstarken Christoph Kramer viel präsenter, sicherer, druckvoller als weiter vorne im 4-1-4-1. Als auch noch Kramer raus musste, weil er kurz vor der Gelb-Roten Karte stand - darauf wies der Schiedsrichter Funkel in der Pause eindeutig hin -, spielte der VfL mit neuem Defensiv-Zentrum (Vogt/Toski). Eine entscheidende Schwächung.
Alle Probleme erklärt sie aber nicht. Die Außenverteidiger Ostrzolek und Kopplin, an beiden Gegentoren maßgeblich beteiligt, hatten oft das Nachsehen - was ihnen Funkel nachsah: „Sie sind jung, da sind Schwankungen normal.“
Auch deshalb aber stand unter dem Strich: eine Niederlage. Ein Fehlstart. Mit vier Punkten aus vier Spielen, mit erst zwei Toren. Fast wie in der Vorsaison. In Berlin, selbst mit 0:4 von Dresden gedemütigt, muss ein Sieg her, wenn die Worte eines VfL-Profis kurz nach dem 1:2 nicht weiteren Nährstoff erhalten sollen: „Jetzt geht die Scheiße schon wieder los.“
Funkel beunruhigt diese heikle Situation naturgemäß nicht. Wegen der Perspektiven. Aber auch aus Erfahrung: „Für mich ist die Situation, nach vier Spieltagen im unteren Mittelfeld zu stehen, nicht neu. Das war in Köln, in Frankfurt und in der letzten Saison auch hier so, am Ende standen wir immer unter den ersten Drei“, sagte er. „Das wird auch diesmal so sein.“