Bochum.
Noch pendelt er zwischen den (Fußball-)Welten. Auch am kommenden Sonntag wird Jens Todt (41) wieder in Wolfsburg sein, wenn die A-Jugend des dortigen VfL das Meisterschaftsfinale gegen den 1. FC Kaiserslautern bestreitet. Der neue Sportvorstand des VfL Bochum will eine saubere Übergabe, steht aber gleichzeitig bei seinem neuen Arbeitgeber schon voll im Saft. WAZ-Redakteur Michael Eckardt sprach mit Sportvorstand Jens Todt.
Ihr Vorgänger Thomas Ernst hat kürzlich selbstkritisch angemerkt, dass er seine Arbeit nicht offensiv genug vertreten hat. Sie klingen in Ihren Äußerungen überhaupt nicht zurückhaltend. Ist das Strategie?
Jens Todt: Nein, denn die Grundvoraussetzung ist doch ohnehin klar. Wir müssen nicht siebzehnmal diskutieren, dass wir schlechter gestellt sind als andere. Weil das ein Fakt ist, ist es auch müßig, ständig darüber zu reden. Wir sind in der kommenden Saison nicht der Favorit, aber wir wollen aufsteigen. Das ist unser Ziel, und mittelfristig wollen wir die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass der VfL in der Bundesliga bleibt.
Sie sind als junger Fußballer mit Volker Finke aus Niedersachsen nach Freiburg gezogen. Wie viel Freiburg und wie viel Finke stecken denn nun in Ihnen?
Jens Todt: Als Fußballer bin ich maßgeblich in Freiburg sozialisiert worden, das ist richtig. Ich habe dort miterlebt, wie man aus der Not eine Tugend gemacht und sich für einen Weg entschieden hat. Es gab eine klare Identität.
Die Ausbildung von Talenten aus aller Welt. In Afrika zu sichten und zu rekrutieren fällt natürlich nicht ganz leicht angesichts des knappen Gutes Geld.
Jens Todt: Ich möchte das gar nicht so sehr auf Afrika bezogen haben, aber in bestimmten Segmenten müssen wir schneller sein als andere. Wir werden uns stark auf die Regionalligen und die 3. Liga fokussieren, müssen auch unsere Jugendspieler früher binden und damit sicher etwas riskieren. Nachwuchsarbeit wird inzwischen höher bewertet als in den letzten Jahren, auch wenn es noch unterschätzt wird, was es bedeutet, ein modernes Leistungszentrum zu führen. Da gibt es nicht jeden Tag Beifall. Man braucht dafür ein gewisses Selbstverständnis und ein bisschen Mut. Und wenn ein talentierter Junge dreimal schlecht spielt, dann muss man das eben aushalten können.
Sie haben sich aus Hamburg und nun Wolfsburg lange vor dem Vertragsende verabschiedet. Weil das Angebot des VfL Bochum in Ihren Karriereplan passte?
Jens Todt: Ich habe und hatte weder einen Karriere- noch einen Lebensplan. Aber ich muss schon das Gefühl haben, dass es eine Grundunterstützung für mich gibt. In Hamburg war das nicht mehr der Fall. Wolfsburg ist damit nicht zu vergleichen, ich habe dort gerne gearbeitet und würde es immer noch tun, wenn man mich nicht aus dem Vertrag gelassen hätte. Es gab dort überhaupt keinen Leidensdruck für mich, stattdessen aber bereits früher einige Anfragen.
Zwischenzeitlich sind Sie einen anderen Weg gegangen und haben als Journalist gearbeitet. Wieso dann doch wieder Fußball?
Jens Todt: Wenn ich nicht Fußballer geworden wäre, wäre ich schon früher Journalist geworden. Ich habe ja schon in meiner Jugend für eine Schülerzeitung geschrieben und war dann in Nienburg Mitarbeiter der Lokalzeitung „Die Harke“. Nach meiner Zeit als Scout für Hertha BSC brauchte ich einen Cut und habe zweieinhalb Jahre für den Spiegel und Spiegel online geschrieben. Dann war aber plötzlich die WM-Fanmeile direkt vor meinem Büro, und mit Macht kehrte die Lust am Fußball zurück. Der Rasengeruch, das Geklapper der Stollen im Gang, der am Ende heller werdende Spielertunnel - das alles erzeugt bei mir heute noch eine Gänsehaut.
Zähe Vertragsverhandlungen wie in Sachen Stanislav Sestak zählen aber wohl nicht zu den Dingen, die Freude bereiten. Jetzt soll plötzlich Hannover 96 interessiert sein.
Jens Todt: Wir haben eine grundsätzliche Einigung mit MEK Ankaragücü, das bleibt auch unsere erste Option. Ich hoffe, die Angelegenheit ist in drei Tagen erledigt. Wir werden unsere Interessen da schon durchsetzen.
Und die Personalplanung im Allgemeinen. Wie läuft’s?
Jens Todt: Ich denke, wir kommen gut voran. Ich habe eine ganz hohe Meinung von Thomas Ernst, die Transfers sind top vorbereitet.