Bochum. . Bochum hat seinen VfL wieder entdeckt. Und der Außenseiter glaubt gegen Borussia Mönchengladbach an die Überraschung. „Die Gladbacher sollten sich nicht zu sicher sein“, sagt Trainer Friedhelm Funkel.
Manchmal scheint selbst eine Saison mit Überlänge zu kurz zu sein. Für die Anhänger des VfL Bochum dürfte es jedenfalls nach dem letzten entscheidenden Spiel in Deutschland ruhig noch ein bisschen weiter gehen. Schließlich sind sie erst vor ein paar Wochen wieder so richtig auf den Geschmack gekommen. Aber am späten, unter Umständen sehr späten Mittwochabend ist definitiv Schluss, dann ist es raus, ob der VfL Bochum erstmals in seiner Bundesliga-Geschichte zwei Spielzeiten in Folge im Unterhaus wird zubringen müssen.
Verloren haben sie in Mönchengladbach, die Bochumer, die Begleitumstände sind hinlänglich bekannt. Eigentlich keine gute Basis für das anstehende Rückspiel, aber in diesem Fall scheinen sich die Dinge in ihr Gegenteil zu verkehren. „Das haben uns nicht viele zugetraut“, sagte Friedhelm Funkel noch am Abend der unglücklichen Niederlage, die aller Aufregung zum Trotz irgendwann weniger Gewicht bekam als der Respekt, der den Bochumern gezollt wurde. Funkels Satz ging im Ärger um de Camargos späten Treffer ein wenig unter, aber er traf die bis dahin vorherrschende Stimmungslage im Bochumer Umfeld ziemlich genau. Und dann das: „Auf Augenhöhe“ habe man sich befunden, sagte der VfL-Trainer, und schließlich: „Ich habe keinen Unterschied zwischen 1. und 2. Bundesliga gesehen.“
Welch’ eine Erleichterung, ja Befreiung. Monatelang hatte man Gegner wie Oberhausen, Osnabrück oder Frankfurt mit großer taktischer Disziplin, mit Willen und Laufbereitschaft, aber ohne jeden Glanz niedergerungen, hatte dem Druck standgehalten. Aber was war das schon gegen diese Herausforderung?
Prüfung bestanden, Skepsis widerlegt, Respekt erworben, Zuneigung zurückgewonnen – das könnten die Zutaten sein für eine am Ende dann doch große Überraschung. „Die Gladbacher sollten sich nicht zu sicher sein“, warnte Funkel prompt, und Christoph Dabrowski, der Kapitän, gab sich „optimistisch, dass wir erhobenen Hauptes vom Platz gehen können“.
Denn darum geht es ja in Bochum, immer. Die Leute wollen stolz sein auf ihre Mannschaft, stolz sein darauf, dass sie sich nicht verkriecht und nicht in vorauseilendem Gehorsam vor den Großen im Staube wälzt, sondern mithalten kann, mitzuhalten versucht wenigstens dank ihres Willens und ihres Ehrgeizes - unabhängig von Status und Einkommen. Mit 35 Millionen Euro dürfen die Bochumer in ergiebigen Erstliga-Jahren hantieren, in Mönchengladbach nimmt man leicht das Doppelte in die Hand. Aber auf dem Rasen darf das nicht die entscheidende Rolle spielen. Was schwer genug ist, jedoch hin und wieder sogar gelingt – mit dem entscheidenden Plus an Teamgeist und der Bereitschaft, sich zu quälen.
Im Moment sieht es so aus, als ob der VfL Bochum nach einer Phase der Agonie plötzlich zu neuem Leben erwacht sei. Es herrscht eine gespannte Erwartung, der Verein und seine Zukunft ist wieder Stadtgespräch, das Selbstvertrauen der Spieler ist ebenso gewachsen wie das Vertrauen und die Zuversicht der Anhänger. Der sich zu wehren wissende Underdog ist wieder da.
Und wenn es trotzdem nicht reicht? Dann macht man in Bochum eine neue Erfahrung: Zweitliga-Fußball als Kontinuum. Die Zielsetzung wird sich nicht ändern, und auch die Unterstützung wird da sein, sollte sich die Mannschaft in diesem Aufstiegs-Finale noch einmal so konkurrenzfähig und ehrgeizig präsentieren wie in Mönchengladbach. Aber danach sind Ergebnisse gefragt, auf dem Transfermarkt und auf dem Rasen. Jedes weitere Zweitliga-Jahr kostet Geld, kostet auch öffentliche Aufmerksamkeit. Die Bochumer haben keine Region hinter sich, keinen Mythos, keine Titel. Um über die Stadtgrenzen hinaus wahrgenommen zu werden, brauchen sie die Bundesliga.