Bochum. Dominik Horsch vom VfL-Talentwerk über seine Ostkurven-Besuche als Kind, Erfahrungen in Brasilien und die Arbeit beim DFB mit Hermann Gerland.
Seit Anfang des Jahres ist Dominik Horsch „Leiter Strategie und Entwicklung“ im Talentwerk, dem Nachwuchsleistungszentrum des VfL Bochum. Er führt das Talentwerk gemeinsam mit Heiko Butscher (Gesamtleiter Sport) und Timo Saviano (Leiter Administration). Horsch wechselte vom Deutschen Fußballbund zum VfL. Er ist in Bochum aufgewachsen, studierte in Köln, arbeitete unter anderem in Brasilien und mit den deutschen Nachwuchsnationalmannschaften. Im zweiten Teil des großen WAZ-Interviews erklärt Dominik Horsch, welche Aufgaben er beim VfL als erstes angestoßen hat und wie ihn Trainer, aber auch Fans in seiner Arbeit geprägt haben.
- Wie der VfL Bochum einen neuen Gündogan sucht: Den ersten Teil des Interviews mit Dominik Horsch lesen Sie hier
Sie haben schon viele Projekte angestoßen. Wo hat es am meisten pressiert?
Beim Talentwerkhaus, unserem Vereinsinternat. Da haben sich die Rahmenbedingungen geändert, die wir zu erfüllen haben. Wir sind optimistisch, schon bald bekanntgeben zu können, was wir dort erreicht haben.
Wie geduldig müssen Sie sein?
Bislang wurde ich noch nicht gereizt. Wir schauen immer, was für uns am besten ist und dabei das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht aus den Augen zu verlieren.
Aber am Geld dürfte es doch nicht scheitern, wenn das Thema Ausbildung so wichtig, ja essenziell ist, oder?
Das ist eine provokante Frage. Präzise gesagt: Wir wollen in der Ausbildung weiterhin zur Spitze gehören, wir wollen Qualität haben. Aber gleichzeitig sagen wir, wir wollen der VfL Bochum bleiben, wir verzichten auf Schnickschnack. Die Spieler sollen vernünftige Bedingungen haben, dass sie sich wohl fühlen, um optimale Leistungen bringen zu können. Und noch einmal: Die Verantwortlichen sagen jetzt nicht, dass wir immer die günstigste Lösung finden müssen. Wir dürfen gerade in der Tat frei denken. Wir müssen gucken, dass es in den Kontext passt und VfL-like bleibt. Heiko Butscher hat es zuletzt häufiger aufgenommen: kein Brimborium. Das ist für uns kein Marketing-Wort, das ist unser Ansatz. Wir wollen super Bedingungen haben für die Jungs, aber wir wollen jetzt nicht für sie einen Whirlpool an die Hiltroper Straße bauen. Wir brauchen die Balance zwischen Wohlfühlen, Leistung und Bodenständigkeit. Am Ende ist es Fußball.
Inwieweit hilft Ihnen, dass Sie bei der U21-Nationalmannschaft sehr nahe dran waren?
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Ich hatte das Privileg, oft bei der U21 mit im Trainerteam zu sitzen. Ich habe diesen interessanten Austausch mitbekommen können. Da habe ich viele gute Trainerpersönlichkeiten, mit unterschiedlichen Ideen, Hintergründen und Vorstellungen erlebt. Ob Stefan Kuntz zu Beginn, Nachfolger Toni Di Salvo, Co-Trainer Daniel Niedzkowski und in meinem letzten Jahr auch noch Hermann Gerland, der immer wieder traditionelle Ansätze einbrachte, ohne den neuen Ideen gegenüber ablehnend zu sein. Aber er bringt immer wieder rein: Leute, am Ende geht es darum, dass wir auf dem Trainingsplatz stehen, 20 Bälle, Hütchen, Tore – fertig.
Wie sieht ein normaler Tagesablauf bei Ihnen aus?
Er beinhaltete gerade in den ersten Wochen und Monaten sehr viele Sitzungen. Ich wollte alle Funktionsbereiche kennenlernen. Ich bin auch die Schnittstelle zu vielen anderen Abteilungen im Verein wie Marketing oder Fanbetreuung. Dazu gehörte auch zum Beispiel, die Rahmenbedingungen für den neuen Kraftraum an der Hiltroper Straße abzustimmen. Was dürfen, müssen, sollen die Spieler machen? Aber auch: wie ist die Reinigung des Kraftraumes geregelt? Ich habe selten einen Tagesablauf, der gleich ist.
Wann sollen die vielen Dinge, die Sie jetzt angestoßen haben, laufen?
Wir wollen die Sommerpause dafür nutzen, um die meisten Dinge umzusetzen. Einiges haben wir noch gar nicht anstoßen können. Das soll jetzt folgen. Bei den Kooperationen mit anderen Vereinen, die während Corona schwierig waren, wollen wir intensivieren, vielleicht sogar ausbauen. Ein wichtiger Punkt ist auch, dass wir mit unseren Mannschaften soziale Projekte begleiten wollen. Wir als VfL Bochum wollen nicht nur den Spieler, sondern auch den Menschen ausbilden und über den Sport hinaus wirken. Wir glauben, dass das auch den Spielern auf dem Platz einen Mehrwert bringen kann. Am Ende soll es für alle im Verein einen roten Faden geben, verbindlich für alle, egal ob es um Ernährung, Athletik oder Psychologie geht, der sich von der U9 bis zu den Profis widerspiegelt.
Wie lange hat es eigentlich gedauert, um Sie davon zu überzeugten, zum VfL Bochum zu wechseln?
Ich habe schon immer Sympathien für diesen Verein. Ich bin in Bochum aufgewachsen, bin in Wattenscheid zur Schule gegangen. Ich habe aber nicht in der Lohrheide gestanden, ich habe in der Ostkurve im Ruhrstadion gestanden. Ich bin schon mit meinem Vater zum VfL gegangen. Ich weiß relativ viel über den Verein, weil ich den VfL auch verfolgt habe, als ich in Brasilien war. Ich war da so eine Art Botschafter. Ich weiß nicht, wie viele Trikots ich an meine Freunde in Brasilien verteilt habe.
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Ist es eine Heimkehr, eine Rückkehr?
Heimkehr, weiß ich nicht... Ich fühle mich in Bochum wohl. Ich bin, auch als ich noch nicht für den VfL gearbeitet habe, regelmäßig hier gewesen, weil meine Eltern noch hier wohnen und viele enge, sehr gute Freunde. Wie ich mich gefühlt habe, weiß ich nicht mehr. So viel kann ich sagen: Es ist etwas Besonderes für mich, für den VfL Bochum zu arbeiten. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mal beim VfL arbeiten würde, weil ich Respekt davor hatte da zu arbeiten, wo viele Emotionen mit reinspielen. In Brasilien waren viele meine Arbeitskollegen heißblütige Fans des Vereins. Da habe ich gemerkt: Das ist nicht unbedingt gesund. Da fehlte eine gewisse Objektivität. Man sollte zum Beispiel keine rote Kleidung tragen, weil der Konkurrenzverein rot als Vereinsfarbe hatte. So extrem war es da.
Wenn Sie beim VfL Bochum in Schwarz-Gelb auflaufen, werden Sie auch einen Spruch bekommen.
Ich habe einen gelben Pulli, den ziehe ich zur Arbeit nicht an. Das finde ich auch in Ordnung. In Brasilien war es extremer, das hängt aber auch mit dem Temperament und der Form der Verbundenheit zum Verein zusammen.
Wie sehr müssen Sie in Ihrem Job Menschenfänger sein?
Beim Fußball ist es unausweichlich, mit den Menschen auszukommen. Auch wenn man nicht auf dem Platz arbeitet. Hier geht es um Herzblut, hier geht es um Leidenschaft, es geht darum zu zeigen, dass man Bock auf etwas hat. Wenn man Leute nicht mitziehen kann, wird es schwierig. Ich hoffe, dass ich das kann. Das Feedback auf meine Teammanagementzeiten beim DFB war zumindest positiv. Als Teammanager hätte es mir nichts gebracht, wenn ich gesagt hätte, du musst das jetzt machen. Da war es gut, wenn man Leute dazu bekommen hat, dass sie Bock darauf haben, etwas zu machen.
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Führen durch delegieren?
Ja. Der Tisch bei mir im Büro sah zum Beispiel aus, als wäre ich der Big Boss. Das bin ich aber nicht. Er ist inzwischen auch verschwunden, ich teile mir mein Büro nun mit zwei Personen. Ich mag Hierarchie-Denken gar nicht. Keiner von uns hat die Weisheit gefressen. Ich finde Schwarmintelligenz gut. Man kann viel voneinander lernen. Zumal ich hier in ein neues Gebilde gekommen bin, und viele Menschen hier sind, die viel Erfahrung haben. Meine externen Einflüsse, die ich mitbringe, und das Wissen, was schon da ist, zu vermengen, ist dann vielleicht genau das richtige.
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