Bochum. Seit 25 Jahren ist Dirk Michalowski Fanbeauftragter des VfL Bochum; erst im Ehrenamt, längst als Vollprofi. Ein Trainer hat ihn mal gefeuert.

Er wurde gar nicht so richtig gefragt. Damals, im Dezember 1997. Dirk Michalowski, den beim VfL Bochum alle nur „Moppel“ nennen, kam im Blaumann von seiner Arbeit als gelernter Gas- und Wasserinstallateur in die Geschäftsstelle des VfL. Der Klub suchte einen Mann, der sich um die Belange der Fans kümmert. Einen Fanbeauftragten, den es ja damals noch gar nicht gab, schon gar nicht als Beruf.

Irgendwer hat „Moppel“, Mitglied des Fanclubs „Die Treuen“, aus der Mitte der Allesfahrer und 30 Fanklubs – heute sind es rund 200 – empfohlen. Klaus Hilpert, der damalige Manager des VfL, musste den 26-Jährigen nicht lange überzeugen. „Wir haben eine Flasche Bier getrunken, dann war ich das halt“, erzählt Michalowski. Er grinst mit zusammen gekniffenen Lippen und nickt. Eine typische „Moppel-Mimik“.

Fans und Team eine Einheit? Michalowski hält das für schwierig

Trainer kamen und gingen, Spieler sowieso. Michalowski blieb. Vor allem: Er blieb sich selbst. Michalowski ist geradeaus, er sagt das, was er denkt, persönlich und direkt; gerne mit einer gesalzenen Prise trockenem Humor dabei. So kennen ihn die Fans. So schätzen sie ihn. Die meisten jedenfalls.

Michalowski geht aber auch mit der Zeit, mit der „Professionalisierung“ des Fußballs, seines Jobs mit seinen Licht- und Schattenseiten. Ein Beispiel: Der Fankontakt war früher deutlich intensiver, persönlicher. Die Distanz auch zwischen den Profis und den Fans ist heute viel größer. „Beide Seiten wissen jeweils wenig voneinander“, bedauert Michalowski. „Die Kommunikation läuft doch fast nur noch über soziale Medien.“ Trotzdem sollen sie beim Spiel ihres VfL „eine Einheit“ sein? „Das finde ich sehr schwierig“, merkt er kritisch an. Nicht nur in Bochum, in allen Stadien.

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Michalowski und das dicke Fell

Michalowski kennt beide Seiten. Hier der Klub, die Profis. Dort die Fans – und nicht alle halten sich ja immer an die Regeln. Verschiedene Typen, Lebenswelten, Interessen, und, natürlich, viele Emotionen. Mittendrin Michalowski. Blitzableiter. Vermittler. „Man braucht ein dickes Fell“, sagt der gebürtige Bochumer, der ja mitunter selbst sein Fett abkriegt von Frustrierten in der weiten Welt des Internets.

Dirk Michalowski (ganz links) genießt den Austausch mit den Fans in den Trainingslagern des VfL Bochum, wie hier in Gais/Südtirol mit dem damaligen Sport-Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz.
Dirk Michalowski (ganz links) genießt den Austausch mit den Fans in den Trainingslagern des VfL Bochum, wie hier in Gais/Südtirol mit dem damaligen Sport-Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz. © WAZ | WAZ

Beim Heimspiel gegen Hertha BSC zum Jahresauftakt aber hing ein besonderes Plakat in der Ostkurve des Vonovia Ruhrstadions. „25 Jahre Moppel für Bochum“, stand darauf. Den Spagat zwischen Fan- und Vereinsinteressen samt der Sicherheitsaspekte, Michalowski hat ihn gemeistert. Darauf ist er auch stolz. Obwohl ja etliche Fans, der aktiven Szene vor allem bei Michalowskis Job-Debüt noch gar nicht geboren waren. Michalowski ist heute 52. „Ich versuche, authentisch zu sein“, erklärt er die Basis fürs Miteinander.

Warum Michalowski plötzlich im Mannschaftsbus der Aufstiegshelden war

Zeitsprung. 100 Mark pro Monat erhielt Michalowski, der in all den Jahren nur fünf Spiele verpasst hat krankheitsbedingt, anfangs für sein Ehrenamt. Er war viel mit dem Fanbus unterwegs, hatte viel persönlichen Kontakt mit den Anhängern, auch zu den Spielern. Sein Highlight: der 3:1-Sieg in Aachen mit 15.000 VfL-Fans, der Aufstieg dank Schützenhilfe von Union Berlin gegen Mainz im Frühling 2002. Auf der Rückreise sprang Michalowski auf Raststätten mal in diesen, mal in jenen Bus. „Plötzlich war ich im Mannschaftsbus“, sagt er heute noch lachend. Man ahnt: Es war auch Bier an Bord.

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Deshalb feuerte Rolf Schafstall den (ehrenamtlichen) Fanbeauftragten

Dabei war er ja zwischendurch auch mal gefeuert worden. Fans hatten am Trainingsplatz zwei Banner aufgehängt, als es unter Trainer Rolf Schafstall gerade schlecht lief Anfang 2001. Auf dem einen standen die Namen der Spieler, die gehen sollten. Die Liste war lang. Auf dem anderen die Namen der Spieler, die bleiben sollten. Die Liste war kurz. Der Klub rief Michalowski an. Schafstall zitierte ihn auf den Trainingsrasen. „Was soll das mit den Bannern?“, raunzte er. „Fans sind unzufrieden“, meinte Michalowski. „Sie sind gefeuert“, donnerte Schafstall.

Fanpflege: Dirk Michalowski (2.v.l.) mit Mitgliedern des Fanclubs vom VfL Bochum in München, Bavaria Bochum.
Fanpflege: Dirk Michalowski (2.v.l.) mit Mitgliedern des Fanclubs vom VfL Bochum in München, Bavaria Bochum. © Alexander Lüdiger | Alexander Lüdiger

Michalowski nahm das so hin. Bis am nächsten Nachmittag Werner Altegoer, der damalige Aufsichtsratschef, anrief. „Wo sind Sie? Wir brauchen Sie!“ Gefeuert? Nur für eine Nacht...

Und dann befördert, 2003. Handys eroberten den Markt. Das Ehrenamt wurde zum Dauerauftrag. Michalowski gab seine sichere Stelle bei der stets kulanten Firma Mielke nach 16 Jahren auf, erhielt seinen ersten Arbeitsvertrag beim VfL – zu 50 Prozent als Fanbeauftragter, zu 50 Prozent als Haustechniker. Michalowski sah man im VfL-Stadioncenter auch Glühbirnen wechseln.

Jahre später nicht mehr. Das Berufsbild nahm Konturen an, es hat sich extrem „professionalisiert“, sagt Michalowski. Der gebürtige Bochumer studierte parallel zwei Jahre lang „Fan- und Zuschauermanagement“, erhielt das Zertifikat der Deutschen Fußball-Liga 2019. Ebenfalls seit 2019 ist er einer von drei Bundessprechern der Fanbeauftragten, im April wird er sich zum zweiten Mal zur Wiederwahl stellen. Er kümmert sich um komplexe, bundesweit relevante Themen wie etwa Datensicherheit beim Ticketing.

Heute ist Michalowski meistens im Büro

Drei hauptamtliche Fanbeauftragte schreibt die DFL mittlerweile vor in der Bundesliga, neben Michalowski sind das beim VfL die jungen Jonas Devantie (30 Jahre/seit 2020) und Marcel Möller (28, seit 2021). „Wir arbeiten als Team ganz eng zusammen. Ohne sie“, sagt Michalowski, „wären die Aufgaben nicht zu bewältigen.“ Themen wie etwa Inklusion sind hinzugekommen. Rund 50 Mails beantworten die drei täglich. Schreibarbeit, Organisation, Absprachen, Telefonate: „Ein Kilo nehme ich jährlich zu. Ist halt so bei einem Bürojob.“

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Bürojob, man zuckt zusammen. Das persönliche Gespräch gibt es zwar noch, sagt er; nach Spielen etwa abends in der Kneipe oder in Trainingslagern, die Michalowski genießt, „weil man sich da mal in Ruhe austauschen kann“. Im Alltag leidet der direkte Kontakt, „das ist nun mal der Wandel der Zeit“, meint Michalowski.

Das Thema Sicherheit frisst viel Zeit, im Vorfeld, während der Partie, in der Nachbereitung. Mehrere Meetings und Gespräche gibt es vor und am Spieltag, mit Vereinsgremien, Ordnungs- und Sicherheitsdienst, der Polizei, dem Fanbeauftragten des Gegners. Details zu komplexen Problemthemen wie Pyrotechnik und Randale würden hier den Rahmen sprengen.

Aufklärer, Kümmerer, Vermittler: Michalowski sitzt auch „zwischen den Stühlen“

Klar ist: Michalowski ist kein Ankläger und kein Security-Mann fürs Dazwischengehen, sondern eher Aufpasser, Vermittler, Aufklärer, Kümmerer. Mitunter, sagt er, „sitze ich zwischen den Stühlen“. Das dicke Fell hilft auch da. Etwa, wenn ein mit Stadionverbot belegter Mann sich an ihn wendet, ob er helfen kann. „Wichtig ist“, sagt Michalowski, „dass man sich immer auf Augenhöhe unterhält.“

Die alltäglichen Fan-Anliegen? Vielschichtig. Ticketing etwa ist ein großes Thema, „allen Recht machen kann man es nie“, sagt Michalowski. Oder Datenschutz, auch bundesweit. Aber auch Kleinigkeiten gibt es viele zu erledigen. Das Handy klingelt beim Gespräch mit dieser Redaktion. Ein Fan fragt, wann er sein Trikot abholen kann mit den versprochenen Unterschriften von den Profis.

Und: Wichtige Fragen für die aktive Fanszene müssen geklärt werden zunächst über Michalowskis Büro, je nach Art dann bei der Klubführung, Feuerwehr, Polizei. Anmeldung der Choreo, Anmeldung der Banner, was hängt wo? Meist geht es gut, manchmal nicht. Bei einer beim Köln-Heimspiel geplanten Choreo zum Beispiel legte die Feuerwehr ihr Veto ein, die Ultras waren außer sich. „Es war halt brennbares Material“, sagt Diplomat Michalowski heute.

Bei Heimspielen ist „Moppel“ nervös und deshalb „überall und nirgends“

Apropos Heimspiele. Michalowski ist, wenn nichts dazwischenkommt, nach den Meetings im Ostkurventreff zu finden, man grüßt sich, mehr Zeit bleibt kaum. Bei der Partie ist er „überall und nirgends“, sagt er. Mal im Innenraum, mal in der Kurve. Der Beauftragte ist ja selbst ein Fan, seit seinem siebten Lebensjahr. „Ich bin immer sehr nervös – und leider eher Pessimist als Optimist“, sagt Michalowski.

Da hatte Bochum gerade in Köln und gegen Leipzig gewonnen. „Manchmal“, sagt „Moppel“ rückblickend auf seine gut 25 Jahre als Fanbeaufragter, „hab ich samstags die Tür zugemacht und gedacht: Ich will nicht mehr. Aber am nächsten Morgen war das immer vergessen. Ich bekomme viel zurück. Ich habe einen tollen Job, der nie monoton ist, sondern dynamisch – und überraschend.“

Michalowski kneift die Lippen zusammen, setzt sein Grinsen auf und nickt. Und dabei wirkt er dann wie ein: zufriedener Optimist.