Bochum. Nach der Vorbereitung mit dem 6:2 gegen Antalyaspor zum Abschluss wird’s für den VfL Bochum ernst: Baustellen, Gewinner, Ausblick in der Bilanz.

Bereits um 12 Uhr am Sonntag reihten sich die Fans in eine extrem lange Warteschlange auf dem Stadiongelände des VfL Bochum ein. In einem Zelt schrieben die Profis und Trainer Autogramme. Wie schon beim Familienfest am Samstag darf sich der Bundesligist über einen großen Andrang freuen.

Wie lange die offenbar weiterhin vorherrschende Euphorie rund um den seit zweieinhalb Jahren im steten Aufwind befindlichen Klub vorherrschen wird, wird sich zeigen. Die Generalprobe vor dem ersten Pflichtspiel im DFB-Pokal am kommenden Samstag bei Viertligist Viktoria Berlin (13 Uhr) machte den VfL-Fans dank einer attraktiven zweiten Halbzeit jedenfalls Lust auf mehr.

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Dabei sahen sie beim 6:2 (2:1) gegen Antalyaspor eine Startelf, die man sich auch im Pokal vorstellen kann: Nur zwei bis drei Positionen sind aktuell vakant. Das liegt auch daran, dass der Kader noch Lücken hat, es einige Ausfälle gibt und manche Spieler noch nicht bei 100 Prozent sind. Ein Überblick der Mannschaftsteile.

Auf die Torhüter ist Verlass

Im Tor ist natürlich Manuel Riemann gesetzt. Er bleibt ein wichtiger Faktor nicht nur auf der Linie, sondern für das gesamte Spiel. Auch als Wortführer, wie gehabt. Lautstark griff er von hinten ein, als es nach vorne überhaupt nicht lief in den ersten 30 Minuten, das Anlaufen nicht funktionierte. Michael Esser hat im Testspiel zuvor gegen Athletic Bilbao überzeugt, auch Paul Grave ist bereit.

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Viererkette: Ausfälle, Lücken, Tempo-Defizit

Die Außenverteidiger Cristian Gamboa, gegen Bilbao ganz stark, gegen Antalyaspor mit Schwächen, und der gegen den türkischen Erstligisten stark aufspielende Konstantinos Stafylidis sind vorerst gesetzt. Die Rückkehr von Linksverteidiger Danilo Soares ist (Hüft-Problematik) ist noch nicht vorhersehbar. „Einen Tag ist es gut, dann wieder nicht“, sagte Trainer Thomas Reis. Rechts arbeitet sich Neuzugang Saidy Janko heran, an Gamboa kommt er aber erst einmal nicht vorbei. Hinten links gibt es aktuell keine ernsthafte Alternative.

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In der Innenverteidigung hat Neuzugang Ivan Ordets erstmals 45 Minuten durchgehalten nach bisher 20 Minuten Einsatzzeit gegen US Lecce. Seit sieben Monaten hat er kein Pflichtspiel bestritten, der Ukrainer hat noch Nachholbedarf. Trainer Reis war zunächst froh, dass er eine Halbzeit durchgehalten hat, „solide“ agierte, so Reis, und per Kopf sogar das 1:1 erzielte. Perspektivisch ist der robuste Ordets als Stammkraft geplant. „Das Potenzial dazu hat er“, sagt Reis. „Wir werden sehen, ob es für Berlin schon reicht.“ Am Samstag steigt das erste Pflichtspiel im DFB-Pokal beim Viertligisten FC Viktoria Berlin (13 Uhr).

Oermann und Tolba zwei Gewinner der Vorbereitung

Tim Oermann fällt voraussichtlich noch gut zwei Wochen aus nach einer Sprunggelenks-Verletzung. Wie Mohammed Tolba, der sogar noch in der A-Jugend spielen kann, punktete Oermann in der Vorbereitung. Die Talente zählen zu den Gewinnern der bisher fünfwöchigen Trainings und Testspiel-Arbeit.

Vasileios Lampropoulos dürfte in Berlin beginnen, trotz seines Aussetzers vor dem 0:1 gegen Antalyaspor. Bis dahin hatte der 32-jährige Grieche eine gute Vorbereitung absolviert und sich stärker präsentiert als Erhan Masovic, der nach seinen Länderspiel-Einsätzen für Serbien auch erst später dazustieß. Masovic sah wiederum beim zweiten Tor Antalyaspors nicht gut aus, leistete sich insgesamt zu viele leichte Fehler in den Testspielen. Fraglich, ob Masovic in Berlin beginnt oder Ordets den nächsten Schritt machen soll.

Mohammed Tolba hat in der Vorbereitung an Profil gewonnen. Der flexibel einsetzbare Verteidiger ist voerst aber noch für die U19 geplant.
Mohammed Tolba hat in der Vorbereitung an Profil gewonnen. Der flexibel einsetzbare Verteidiger ist voerst aber noch für die U19 geplant. © Ralf Ibing /firo Sportphoto | Ralf Ibing

Klar ist: Ein möglichst schneller Innenverteidiger, der im Optimalfall auch linksaußen verteidigen kann, will und muss der VfL noch verpflichten. Nach den Abgängen von Armel Bella Kotchap und Maxim Leitsch hat Bochum im Abwehrzentrum an Tempo enorm eingebüßt. Das könnte in der Bundesliga zum Problem werden, derzeit ist dies die größte Baustelle.

Mittelfeld zentral: Losilla und Stöger sind gesetzt

Kapitän Anthony Losilla hat an Bedeutung, Klasse, Leistungsstärke weiterhin nichts eingebüßt, er ist gesetzt, zumal Neuzugang Jacek Goralski die Vorbereitung verpasst hat wegen einer Augen-OP. Der polnische Nationalspieler soll in dieser Woche einsteigen. Wie intensiv, ist noch offen.

Neben Losilla hat auch Kevin Stöger, der neue Mann für die Standards, seinen Platz sicher. Gegen Antalyaspor spielte der Österreicher den offensiveren Part an der Seite von Sechser Losilla. Stöger ist eher Achter oder Zehner als Sechser. „Testspiele sind zum Testen da“, betonte Reis noch einmal.

Zoller als hängende Spitze wohl keine Option für die Startelf

Er probierte gegen den Klub von Nuri Sahin Simon Zoller noch einmal als hängende Spitze aus. Das ging schief, was nicht originär an Zoller lag, sondern an der fehlenden Abstimmung, Ordnung und Struktur, dem nicht funktionieren Anlaufen. Das Pressing wurde erst nach einer Umstellung besser auf ein 4-4-2 mit Zoller neben Philipp Hofmann. Eine Variante, die in der ersten Pokalrunde denkbar ist, perspektivisch in der Liga aber eher selten zu erwarten ist, zumindest nicht von Beginn an.

In der Bundesliga dürfte das in der Vorsaison meist praktizierte 4-3-3 mit einem Sechser (Losilla) und zwei Achtern (Stöger/offen) bevorzugte Start-Variante bleiben. Patrick Osterhage, der die von Reis geforderten Läufe in die Tiefe auch ohne Ball immer mehr beherzigt, könnte den zweiten Achter spielen. Philipp Förster auch – aktuell ist aber auch der Neuzugang vom VfB Stuttgart „noch nicht bei 100 Prozent“, so Reis.

Außenstürmer: Holtmann und Asano können den Unterschied ausmachen

Gerrit Holtmann und Takuma Asano können an guten Tagen Spiele entscheiden. In der ersten Halbzeit waren sie am Samstag fast unsichtbar, in der zweiten drehten sie auf. Holtmann sorgte nach der Pause umgehend für Tempo und Gefahr, Asano erzielte zwei Treffer zum 3:1 und 4:1 - das erste sogar per Kopf, das zweite nach technisch hochwertiger Ballmitnahme.

Takuma Asano drehte nach der Pause auf. Hier erzielt der Japaner seinen zweiten Treffer zum 4:1.
Takuma Asano drehte nach der Pause auf. Hier erzielt der Japaner seinen zweiten Treffer zum 4:1. © FUNKE Foto Services | Udo Kreikenbohm

Da nahm Asano den Lauf in die Tiefe an, „dafür mussten wir Taku etwas anschieben von draußen. Er wollte zuvor immer gerne den Ball in den Fuß haben“, erklärte Reis. Nach dem Wechsel hatten die schnellen Flügelstürmer die Seiten getauscht: Holtmann kam über rechts und konnte so nach innen ziehen, um dann mit seinem starken linken Fuß abzuziehen. Asano griff über die linke Seite an. Im Spiel könnte es, wie in der vergangenen Saison, wieder vorkommen, dass die Außenstürmer häufiger die Seiten tauschen. Holtmann/Asano sind jedenfalls eine Waffe des VfL im Angriffsspiel, das auf schnelles Umschalten, Tiefe und Tempo setzt.

Von Osei-Tutu kann noch viel (mehr) kommen

Jordi Osei-Tutu kann das auch werden. In der Vorbereitung zeigte er Licht und Schatten: Gegen Bilbao schwach, bewies er gegen Antalyaspor nach seiner Einwechslung wieder Klasse und wurde nach seinem ersten VfL-Treffer im Ruhrstadion nach seiner Rückkehr – das letzte Testspiel war ja auch das erste Heimspiel des VfL in der Vorbereitung – von den Fans in der Ostkurve besonders gefeiert.

Vom Fan-Liebling kann sich Bochum noch viele, auch entscheidende Impulse erhoffen – zunächst wohl von der Bank kommend. Wie Christopher Antwi-Adjei, der bei der Generalprobe das 6:2 zauberhaft einleitete, hat Osei-Tutu noch etwas Trainingsrückstand.

Auch Simon Zoller kann über außen angreifen. Der bevorzugte Plan ist das aber nicht.

Sturmzentrum: Reis hat Geduld mit Hofmann

Im Sturmzentrum hat Philipp Hofmann noch Anpassungsbedarf, etwa beim Anlaufen. Gleich nach vier Minuten im ersten Testspiel beim Wuppertaler SV erzielte der Nachfolger von Sebastian Polter sein erstes Tor per Kopf. Seitdem hat er trotz viel Einsatzzeit nicht mehr getroffen und nur ein Tor vorbereitet.

Trainer Reis hat aber Geduld mit dem 29-jährigen Wunschstürmer, der zuletzt beim Karlsruher SC regelmäßig getroffen hat, aber noch nie in der Bundesliga gespielt hat. „Ich bin froh, dass er jetzt auch von der Fitness her so weit ist“, sagte Reis. „Er hat in Karlsruhe auch eine andere Spielweise gehabt, da musste er vielleicht nicht so aktiv gegen den Ball arbeiten. Das musst du auch antrainieren. Aber ich finde, dass er jetzt schon einen großen Schritt gemacht hat im Vergleich zu den ersten Wochen.“ Gegen Antalyaspor legte er das 2:1 per Kopf auf, vergab später freistehend einen eigenen Treffer.

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Ganvoula ist bester Torschütze der Vorbereitung

Wie erwähnt, ist in Berlin eine Doppelspitze mit Hofmann/Zoller vorstellbar. Mittelfristig aber wird sich Reis wohl entscheiden müssen für einen der beiden unterschiedlichen Stürmertypen – oder für Silvere Ganvoula. Meistens eingewechselt, zeigte der 26-Jährige nach einer Saison zum Vergessen klar aufsteigende Form.

Ganvoula war der beste VfL-Torschütze der Vorbereitung (sechs Tore), legte zuletzt gegen Bilbao das 1:0 von Zoller stark auf. Ganvoula warf nun eine Zahn-OP zurück, im Laufe der kommenden Woche soll er aber wieder einsteigen. Sofern rechtzeitig fit, dürfte er als Joker auf der Bank in Berlin Platz nehmen.