Bochum. Thomas Reis schreibt mit dem VfL Bochum die Erfolgsstory fort. Im WAZ-Interview spricht er über die Fans, seinen Vertrag und Erholungsphasen.

Seit Thomas Reis als Cheftrainer beim VfL Bochum arbeitet, führt der Weg des Vereins nach oben. Zunächst schaffte er den Klassenerhalt in Liga 2, dann den Aufstieg in die Bundesliga, dort nun den Klassenerhalt. Im WAZ-Interview blickt er auf die Saison zurück, blickt auf die kommende Saison, erklärt, warum er keinen „Spieler der Saison“ auswählt, wie er die Rufe der Fans findet und was mit seiner Vertragsverlängerung ist.

Für die Spieler ist mit Abpfiff bei Union Berlin die Saison beendet, sie gehen in den Urlaub. Was machen Sie jetzt?

Ich bin seit Sonntag bei meinem Vater in meiner Heimat. Es besteht in der Saison nicht so oft die Möglichkeit, ihn zu besuchen. Ich treffe mich dann auch mit vielen Kollegen von damals. Es ist immer wieder schön, dann auch die Menschen zu treffen, die mich zum Beispiel zum Training gefahren haben.

Nun gehen Spekulationen um Spieler los. Polter wird mit Frankfurt in Verbindung gebracht. Wissen Sie von jedem Spieler des Kaders, was er plant?

Nein, das weiß ich nicht. Aber ich gehe so vor wie in der vergangenen Saison, wo ich mit allen Spielern aus dem Kader gesprochen habe. Jeder wusste frühzeitig und weiß, ob ich mit ihm plane oder eben nicht. Ich habe auch schon im Winter und bereits vor der Saison klare Aussagen getroffen. Ich mag alle Spieler. Aber einige spielen sportlich keine Rolle. Tom Weilandt wusste das seit dem Sommer. Es ist nicht schön, einem Spieler das sagen zu müssen. Aber so weiß er, woran er ist und kann sich gegebenenfalls einen anderen Verein suchen. Ich muss mich sportlich entscheiden und ich will nicht, dass ein Spieler überrascht ist, wenn er nicht spielt oder sogar im Training keine Rolle spielt.

Bei einem Kader von fast 30 Spielern macht das die Arbeit als Trainer doch aber schwierig, oder?

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Wir haben viele unterschiedliche Charaktere im Kader. Mir macht es Spaß, mit besonderen Charakteren zu arbeiten. Wenn alle gleich wären, wäre es langweilig. Wir haben uns einen Rahmen erarbeitet, in dem sich die Spieler bewegen können. Wenn ein Spieler den Rahmen zu weit überschreitet, dann muss man ihn zurückholen. Vieles regelt da die Mannschaft allein. Wenn die Mannschaft in dieser Hinsicht nicht mehr weiterkommt, werde ich entscheiden. Und zu meiner Entscheidung stehe ich. Es kann keiner von außen beurteilen, ob meine Entscheidungen richtig sind. Aber wenn ich auf die Saison zurückblicke, dann waren meine Kaderentscheidungen immer richtig. Zum Beispiel, als ich gegen Leipzig drei Plätze im Kader freigelassen habe oder als ich gegen Dortmund auf einen Spieler verzichtet habe, der vorher Stammspieler war (Anmerkung der Redaktion: gemeint ist Armel Bella Kotchap).

Klassenerhalt in Liga 2, dann Aufstieg, jetzt wieder Klassenerhalt. In den vergangenen Jahren mussten Sie viel Zeit und Kraft, viel Energie investieren. Kommen sie irgendwann auch mal runter?

Erfolgsduo beim VfL Bochum: Cheftrainer Thomas Reis (l.) und Co-Trainer Markus Gellhaus.
Erfolgsduo beim VfL Bochum: Cheftrainer Thomas Reis (l.) und Co-Trainer Markus Gellhaus. © firo Sportphoto | Jürgen Fromme

Ich muss lernen, herunterzufahren. Ich bin immer noch auf Spannung, plane den Kader der nächsten Saison. Ende Mai mache ich Urlaub und versuche dann, etwas runterzukommen. Ich mache mir schon Gedanken darüber, wie ich mit der Belastung als Trainer umgehen kann und suche nach einem Ausgleich. Als Trainer bist du ständig präsent, stehst im Mittelpunkt, wirst gefragt. Als Trainer ein Ventil zu finden, ist schwierig. Aber ich merke, dass ich einen Ausgleich brauche.

Wie gehen Sie in der kommenden Saison mit den gestiegenen Erwartungen um?

In der neuen Saison wird es schwierig, mit der Erwartungshaltung umzugehen. Wir dürfen nicht weniger geben, kein einziges Prozent weniger. Wir müssen weiter Gas geben und dürfen nicht das Selbstverständnis haben, dass alles von alleine läuft. Wir müssen Spielertypen finden, die Vorfreude darauf haben, für den VfL Bochum in der Bundesliga zu spielen. Es ist davon auszugehen, dass Philipp Hofmann diese Vorfreude mitbringt. Wir müssen Jungs finden, die Bochum, diesen Verein, die Fans, das Stadion geil finden. Hofmann will Bundesliga spielen. Das ist wichtig für uns. Es wird eine verdammt schwere Saison. Wir dürfen da nichts als selbstverständlich voraussetzen. Unsere Einstellung wird enorm wichtig sein. Die Gier auf Erfolg und eine kämpferische Einstellung zu haben, das ist die Voraussetzung.

Sie haben bereits mehrfach gesagt, dass im Erfolg die meisten Fehler gemacht werden. Wie wichtig ist vor diesem Hintergrund die Vorbereitung?

Die Spieler haben einen Plan mitbekommen, was sie wie in der Vorbereitung auf die Saisonvorbereitung machen sollen. Wir bekommen die Daten dazu dann übermittelt. Wenn du als Spieler top sein willst, musst du dich entsprechend vorbereiten. Wenn einer sich nicht an die Trainingspläne hält, merken wir das. Er muss das dann in der regulären Vorbereitung nachholen. Die Vorbereitung der Vorbereitung dient vor allem auch der Verletzungsprophylaxe. Die Spieler müssen in den fünf Wochen bis zum Start der eigentlichen Vorbereitung eine bestimmte Anzahl an Läufen absolviert haben. In unserer Vorbereitung möchte ich nicht noch viele Läufe einbauen müssen, da will ich in erster Linie mit dem Ball arbeiten.

Was wird für Sie der Schlüssel zum Erfolg in der nächsten Saison?

Auch in der neuen Saison versuchen wir wieder an unserer Stabilität zu feilen. Wir wollen defensiv stabil stehen und auf Umschaltmomente setzen. So haben wir die Saison erfolgreich beendet. Zunächst müssen wir aber wissen, wie unser Kader genau besetzt sein wird. Unsere Grundidee bleibt und dann schauen wir, was zur Mannschaft passt. Gegen Union mussten wir mit einer anderen Grundordnung spielen. Da war klar zu sehen, dass uns dafür eigentlich die Spielertypen fehlen. Die Mannschaft hat es dann im zweiten Abschnitt aber ordentlich gemacht. Wenn wir eine klare Grundordnung haben, ist das gut für die Mannschaft. Tempo ist wichtig, reicht aber allein auch nicht. Ein schneller Spieler benötigt auch eine gute Technik, um erfolgreich spielen zu können. Wir können Spieler entwickeln, sie weiterbringen. Auch unsere Leihspieler haben sich bei uns entwickelt. Auch ein Anthony Losilla hat sich in seinem hohen Alter noch entwickelt.

Ab wann war Ihnen klar, dass sie mit dem Team den Klassenerhalt schaffen?

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Bereits nach der Hinrunde habe ich fest daran geglaubt, dass wir den Klassenerhalt schaffen werden. Da hatten wir 20 Punkte, das war schon fast mehr als die Hälfte der Punktzahl, die normalerweise zum Klassenerhalt reicht. In der Rückrunde haben wir uns bei den Punkten dann sogar noch verbessert. Der Glaube war mit Beginn der Rückrunde da, dass wir, wenn wir nicht schwächer werden, den Klassenerhalt schaffen werden.

Wer ist für Sie Ihr Spieler der Saison?

Ich habe keinen Spieler, den ich besonders herausheben würde, der für mich der Spieler der Saison war. Für mich sind die Fans der Spieler der Saison. Sie sind der zwölfte Mann. Der Support war gigantisch. Außergewöhnlich aber fand ich Robert Tesche und Michael Esser. Robert war in der 2. Bundesliga in der Aufstiegssaison der von den Fans gewählte „Spieler der Saison“. Nach dem Aufstieg ist es dann für ihn nicht so glücklich gelaufen. Obwohl er wenig gespielt hat, hat er sich immer vorbildlich verhalten. Bei allem Frust hat er eine tolle Art, sich einzubringen. Ich habe mich mit ihm auch außerhalb des Trainings getroffen, um mit ihm über seine Situation zu sprechen. Bei Michael Esser gilt dasselbe. Er hat sich mit seiner Rolle arrangiert. Die beiden sind Charaktere, die einer Mannschaft gut tun.

Es war Ihr erstes Jahr als Trainer in der Bundesliga. Was hat Ihnen besonders Spaß gemacht?

Spaß gemacht hat in dieser Saison natürlich auch, die vielen guten Spieler bei den Spielen gegen die vielen guten Bundesligateams live zu sehen. Ob es jetzt ein Robert Lewandowski, Erling Haaland oder ein Christopher Nkunku ist.

Beschreiben Sie mit einem Wort die Saison des VfL.

Wenn ich die Saison mit einem Wort zusammenfassen soll, dann: fantastisch. Wir hatten das zweitkleinste Budget, haben uns toll entwickelt. Die Fans haben den VfL wieder lieben gelernt. Nach elf Jahren 2. Bundesliga war viel Frust da. Jetzt ist da wieder Vorfreude auf das Spiel, die Mannschaft. Ich beziehe alle mit ein: Mitarbeiter, Fans, Mannschaft, Trainer – da ist es etwas zusammengewachsen. Dieser Zusammenhalt wird auch in Zukunft wichtig sein. Die Qualität in der Bundesliga wird durch die Rückkehr von Bremen und Schalke noch einmal steigen.

Gab es den einen Highlight-Moment für Sie?

Klassenerhalt mit dem Sieg bei Borussia Dortmund und Bierdusche: Thomas Reis hatte mit dem Team einige Erfolge zu feiern.
Klassenerhalt mit dem Sieg bei Borussia Dortmund und Bierdusche: Thomas Reis hatte mit dem Team einige Erfolge zu feiern. © Jürgen Fromme/firo Sportphoto | Jürgen Fromme

Es gibt für mich nicht den einen schönsten Moment in dieser Saison. Es gab viele Highlights. Gigantisch war der Sieg gegen die Bayern. Der Derbysieg mit dem Klassenerhalt war ebenso herausragend. Wir haben gegen den Meister und den Zweiten sieben von zwölf möglichen Punkten geholt. Aus Trainersicht aber war auch das Spiel gegen Union trotz der Niederlage gut, weil wir mit einem kleinen Kader beinahe einen Punkt geholt hätten. Der Klassenerhalt war die Krönung dank einer tollen Mannschaft, die es möglich gemacht hat, unser Wunder zu erreichen. Die Mannschaft hat mir sehr geholfen. Dass es auch vor dieser Saison Vorurteile gab und viele, die uns den Klassenerhalt nicht zugetraut haben, hat mich nur bestärkt, diese voreilige Kritik zu widerlegen. Ich musste mir schon in der Jugend alles erarbeiten.

Die Fans haben Sie oft gerufen, wollten den Trainer sehen. Sie sind da sehr zurückhaltend. Warum?

Es macht mich stolz und es ist schön, wenn die Fans meinen Namen rufen. Aber zuerst geht die Mannschaft an den Zaun. Ich mache Vorgaben, habe eine taktische Idee, aber die Spieler leisten die Arbeit auf dem Platz.

Was ist mit Ihrem Vertrag? Wann wird er verlängert?

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Ich habe noch ein Jahr Vertrag, ich mache mir keinen Kopf mehr darüber, wann oder ob es Vertragsgespräche gibt. Wenn der Verein der Meinung ist, mit mir verlängern zu wollen, wird man auf mich zukommen. Ansonsten ist es bei einem Trainer auch nicht anders als bei einem Spieler. Wenn der Vertrag ausläuft, streckt man die Fühler aus. Derzeit plane ich mit Sebastian Schindzielorz den Kader. Im Moment plane ich mit ihm den Kader. Es ist bekannt, dass sein Vertrag ausläuft. Spekulationen kann man nicht verhindern. Er wurde ja auch schon mal mit Genua in Verbindung gebracht. Dass er mit Wolfsburg in Verbindung gebracht wird, ist auch keine Überraschung. Er war da ja als Spieler. So wie ich in Frankfurt oder in Augsburg Spieler war. Ich habe auch noch Kontakt zum VfL Wolfsburg und zu Marcel Schäfer. Ich war da ja U19-Trainer. Im Moment habe ich keine Anfrage aus Wolfsburg vorliegen. Im Fußballgeschäft ist es ja oft so, dass es richtig los geht, wenn ein Mosaikstein umfällt. Am Wochenende sind drei Trainerstellen frei geworden, am Dienstag wieder eine. Das war auch nicht zwingend so zu erwarten. Schalke sucht, Bielefeld sucht, Hoffenheim sucht, Hertha BSC demnächst vielleicht auch. Wenn es Angebote oder Nachfragen gibt, zeigt das doch, dass die Arbeit, die ein entsprechender Sportlicher Leiter oder Trainer macht, gut gesehen wird. Es zeigt, dass die Arbeit wahrgenommen wird.

Sie leben in Bochum. Wie ist es, wenn Sie als Trainer des VfL erkannt werden?

Meine Glückseligkeit ist, wenn ich sehe, wie die Leistungen und Ergebnisse des VfL Bochum die Menschen glücklich machen. Das macht mich auch stolz. Wenn mich die Leute darauf ansprechen, bekomme ich Gänsehaut. Ich bleibe dann auch gerne stehen und quatsche mit den Leuten. Ich versuche mir Zeit zu nehmen. Ich weiß ja auch wie es ist, wenn es nicht so gut läuft.